Im Juni dieses Jahres war die Grundsteinlegung für „Hammerbrooklyn.DigitalCampus“: der Ort, an dem Hamburg fit werden soll für die „Digitale Transformation“ – die rasante Entwicklung von neuen Technologien quer durch Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft
Text & Interview: Markus Gölzer
Keiner kann sagen kann, was die Zukunft bringt, aber in Hamburg immerhin, wo sie beginnt: hinter den Deichtorhallen auf dem Parkplatz des ehemaligen Fruchthofes – im „Hammerbrooklyn.DigitalCampus“. Das interdisziplinäre Projekt soll Ideen für die Stadt von morgen entwickeln, die Hamburg zum digitalen Leuchtturm mit weltweiter Strahlkraft machen.
Der Ort ist gut gewählt: Am malerisch industriellen Fleet gegenüber dem Oberhafen ist man mitten in der Stadt und doch fernab vom städtischen Dichtestress. Der Blick wird weit, der Kopf frei. Aufbruchsstimmung! Hier wird zukünftig als Herzkammer des Campus der US-Pavillon des Architekten James Biber von der EXPO 2015 stehen. Auf 7.600 qm sind Unternehmen, Start-ups, Wissenschaft und alle Hamburger eingeladen, mit zu gestalten.
Auf der Website „hammerbrooklyn.hamburg“ kann sich jeder als „Citizen“ registrieren und Ideen einbringen. Unternehmen können mit der kostenpflichtigen Mitgliedschaft „Corporate Citizenship“ Angebote und Infrastruktur des Campus für eigene Projekte nutzen, zum Beispiel an Netzwerkleistungen für gezielte Kooperationen partizipieren oder von interdisziplinären Expertenteams profitieren, die sie bei ihrer digitalen Transformation begleiten.
Stadt der Zukunft
Doch wie jeder Aufbruch war auch dieser phasenweise holprig: Die Initiatoren – Wirtschaftswissenschaftler Henning Vöpel, Werbeagenturchef Mathias Müller-Using und Digitalexperte Björn Bloching – hatten sich in Fragen um Gesellschaftsstrukturen und Zuständigkeiten überworfen.
Als das Projekt schon fast Geschichte war, fanden sie über ein Stiftungsmodell wieder zusammen: „Hammerbrooklyn – Stadt der Zukunft“ ist gemeinnützig und bindet neben den Initiatoren die Stadt Hamburg, den Immobilienentwickler Art-Invest und das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut mit ein.
Bis der Pavillon 2020 stehen wird, arbeitet die Hammerbrooklyn.Box bereits als temporäres Labor. Im grünen Containeraufbau geht es experimentell provisorisch zu, der obligatorische Tischkicker steht noch eher für Gegenwart als Zukunft zum Anfassen.
Wie man die digitale Transformation tatsächlich gestalten wird, erklärt Prof. Dr. Henning Vöpel, Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und Ideengeber des Projekts.
SZENE HAMBURG: Herr Vöpel, gibt es für Hammerbrooklyn.DigitalCampus weltweite Vorbilder? Außer der ersten Assoziation Silicon Valley?
Henning Vöpel: Das ist immer das Erste, was einem einfällt, wenn man über solche Innovationsräume, den „Hubs“ spricht. Tatsächlich erleben wir weltweit das Phänomen einer räumlichen Verdichtung von Innovationsaktivitäten.
Überall in größeren Städten und Regionen entstehen „Hubs“. Hamburg, denke ich, braucht so etwas, um der etablierten Wirtschaft, die ja sehr erfolgreich war, aber vor großen Veränderungen steht, einen Ort zu geben, an dem sie der Entwicklung nicht hinterherläuft, sondern selbst gestaltet.
Die Hamburger Hochbahn und die Deutsche Bahn planen hier Innovationslabore, es fallen auch Namen wie Siemens oder Volkswagen. Alles klassische Großkonzerne. Soll der Campus helfen, sich gegen kleine, flinke Start-ups behaupten zu können?
Es geht nicht darum, den Angriff der Start-ups abzuwehren. Es geht darum, dass sich nicht nur große Konzerne, sondern auch kleinere, mittelständische Unternehmen verändern müssen. Wenn sie das nicht tun, dann kann es sein, dass ein Standort wie Hamburg in fünf Jahren bis zwanzig Prozent der Einkommen, die hier erzielt werden, verliert.
Deshalb müssen wir etwas dafür tun, dass sie sich digitalisieren, dass wir das nicht nur den Start-ups überlassen. Deshalb braucht es einen neu gedachten Raum für Austausch und Forschung, in der auch kleinere Unternehmen ihre eigene Transformation vollziehen können.
Ein Ort für Diskurs
Unternehmen können Know-how für die digitale Zukunft bei Ihnen einkaufen. Was bietet der Campus, was eine klassische Unternehmensberatung nicht liefert? Die könnten ja auch weltweit interdisziplinäre Teams zusammenstellen.
Wir gehen viel weiter, in dem wir eine Community erzeugen und ein Umfeld mit eigener Innovationskultur schaffen. Das können Berater natürlich nicht: einen Raum zu entwickeln, in dem Menschen aus unterschiedlichen Branchen und Unternehmen die Möglichkeit haben, zusammenzuarbeiten. Das gibt es in der klassischen Wirtschaft nicht, ist aber erforderlich, um interdisziplinär und kollaborativ an Innovationen zu arbeiten.
Wie stellen Sie Ihre Unabhängigkeit von der Wirtschaft sicher?
Der Campus wird betrieben als Stiftung „Hammerbrooklyn – Stadt der Zukunft“. Die Stadt ist mit drin, der Immobilienentwickler Art-Invest ist dabei und die drei Initiatoren. Wir wollten eine Stiftung gründen, um die Gemeinnützigkeit von Digitalisierung in den Mittelpunkt zu rücken. Und es ist die beste Form, um Akzeptanz und Relevanz zu erzeugen.
Der Immobilienentwickler Art-Invest ist nicht unumstritten. Im Netz wird spekuliert, dass er in erster Linie an der Immobilienfläche hinter dem Pavillon interessiert sei.
Art-Invest ist wichtiger Teil der Stiftung und wir arbeiten an diesem Projekt gemeinschaftlich. Die Stiftung funktioniert unabhängig von Investoren. Wir sind völlig autonom in dem, was wir da tun. Ein so großes Projekt braucht am Ende immer einen Investor, der selbst an die Idee glaubt.
Wie profitiert der einzelne Hamburger vom Campus?
Es wird die Möglichkeit für jeden einzelnen Hamburger geben, Teil von Hammerbrooklyn, also sogenannter „Citizen“ zu werden. Jeder kann partizipieren, Ideen einbringen und an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Es soll ein Ort aller Hamburger für den Diskurs über die zukünftige Stadt sein.
Auf der Internetseite von Hammerbrooklyn können Fragen zu Hamburgs Zukunft gestellt werden. Gibt es eine Tendenz, welche Themen besonders relevant sind?
Verkehr und Mobilität spielen eine große Rolle. Wohnraum und wie gehen wir mit städtischen Flächen um? Wie können wir hier noch besser leben und zusammenleben? Wie kann eine aktive Bevölkerung die Stadt für mehr Bewegung und Gesundheit nutzen? Hamburg hat vielfältige Möglichkeiten, es gibt so viele interessante Orte und Menschen, und wir laufen oft unachtsam dran vorbei. Mehr aus der Stadt herauszuholen – das scheint vielen Bürgern auf der Seele zu brennen.
„Globalisierung“ war ein Heilsversprechen, heute schreckt sie viele ab. Der „Digitalisierung“ scheint es ähnlich zu gehen: Immer mehr Menschen bekommen bei dem Begriff Angst vor Jobverlust und anderen Unwägbarkeiten. Welche Branchen in Hamburg sind besonders gefordert, zu reagieren?
Der Hafen natürlich, das Hamburger Schwergewicht schlechthin. Es passieren dort schon sehr gute Dinge: Der Hafen ist zum Beispiel 5G-Modellregion, in der autonome Mobilitätskonzepte getestet werden. Virtual Reality und Augmented Reality kommen zum Einsatz, um Planungen zu unterstützen. Aber es könnte noch schneller gehen. Auch im Verkehr, der Mobilität, in der Bildung, in der Stadtentwicklung ist viel zu tun. Die gesamte Arbeitswelt wird sich verändern.
Wir alle reden von künstlicher Intelligenz, die viele unserer Jobs sehr stark verändern wird. Es geht insgesamt darum, auch einen kulturellen Wandel in der Stadt zu vollziehen. Eben nicht die Ängste vor der Digitalisierung, die ja in jedem Fall kommen wird, in den Vordergrund zu rücken, sondern zu sagen: Es bleibt uns nur übrig, positiv, kreativ und konstruktiv daran zu arbeiten. Hamburg soll ein positiver Ort des Wandels und Fortschritts sein.
Hammerbrooklyn.DigitalCampus: Stadtdeich 2 (Hammerbrook)
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, August 2019. Titelthema: Wie sozial ist Hamburg? Das Magazin ist seit dem 27. Juli 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!