SZENE HAMBURG: Fabian, was ist der Gedanke hinter Channel Aid?
Fabian Narkus: Ich wollte den guten Zweck mit modernen Medien verbinden. Statt klassischer Benefizveranstaltungen nutzen wir Social Media, weil man die Plattformen sehr gut monetarisieren kann. Ein Klick, und der Zuschauer hat eine Spende generiert, ohne selbst spenden zu müssen. Damals war es nur YouTube, heute auch TikTok, Amazon Music, Spotify und weitere. Wir bespielen sie alle. Wir wollen eine große Community aufbauen und gemeinsam möglichst viele Gelder für soziale Projekte sammeln. Bei YouTube zum Beispiel laufen Werbespots vor unseren Videos, die Geld generieren. Diese Einnahmen spenden wir zu 100 Prozent an soziale Projekte. Um viele Aufrufe zu bekommen, braucht man besonderen Content. Deshalb setzen wir einzigartige Konzertformate um. In exklusiven Locations mit Künstlern, die sonst in großen Arenen auftreten, oft in Verbindung mit einem Orchester. Für wirklich einmalige Momente, an die man sich gerne zurückerinnert. Diese Shows streamen wir live und stellen sie im Nachgang der Shows digital zur Verfügung. So bringen wir Musik auf Smartphones und in Wohnzimmer. Die Einnahmen daraus spenden wir. Zum Beispiel an die Help Alliance, die Kinder und Jugendliche weltweit unterstützt. Uns ist wichtig, Menschen zu erreichen, die vielleicht nicht viel Geld haben, aber mithelfen wollen.
Wie bist du auf die Idee gekommen?
Ich hatte durch meinen Vater immer eine große Nähe zum sozialen Engagement, wollte aber mein eigenes Business aufbauen. Channel Aid ist eine Mischung aus sozialem Engagement und Unternehmertum. Wir haben unsere eigene Agentur gegründet, sind unser eigener Veranstalter, Vermarkter und Booker. Wir machen fast alles intern mit einem kleinen Team. Ich hatte zuvor schon Bezug zu Social Media und früh erkannt, dass dort ein Markt entstehen würde. Gleichzeitig konnte ich mich nie mit dem klassischen Influencer-Ding identifizieren, bei dem es nur um Placements ging. Und daraus ist letztlich die Idee für Channel Aid entstanden.
Chance to Dance: Soziales Engagement via Vorlebefunktion
Dein Vater wurde mit dem Umwelt- und Sozialpreis der Stadt Hamburg ausgezeichnet.
Genau. Mein Papa hat in Hamburg-Wandsbek eine Tanzschule, „Mein Tanzstudio“. Er gibt dort seit über 20 Jahren Tanzkurse. Unter anderem für Menschen mit geistiger Behinderung. Er hatte durch seinen Zivildienst immer einen Bezug dazu und wollte nach erfolgreicher Gründung der Tanzschule etwas zurückgeben. Am Anfang mussten die Teilnehmer die Tanzkurse noch bezahlen. Ich habe damals schon gesagt: Wenn ich später die Möglichkeit habe, will ich das unterstützen. Als Channel Aid erfolgreicher wurde, war klar: Ab jetzt zahlt kein Teilnehmer mehr. Wir wollen daraus etwas Großes machen. Der Kurs heißt heute „Chance To Dance“ und wurde im Januar 2025 mit dem Umwelt- und Sozialpreis der Stadt Hamburg ausgezeichnet. Es nehmen fast ausschließlich Menschen mit geistiger Behinderung teil. Wir arbeiten realitätsnah: Unsere Kursteilnehmer können auf einer Hochzeit Braut oder Bräutigam auffordern, ohne sich ausgeschlossen zu fühlen.
Ich wollte den guten Zweck mit modernen Medien verbinden
Fabian Narkus
Was lief bei Channel Aid bis heute besser als erwartet? Was schlechter?
Wir haben ein Eventformat geschaffen, zu dem die Leute wirklich gerne hingehen. Viele sagen: „Ich freue mich jedes Jahr darauf, mir ist fast egal, wer auftritt. Es ist einfach ein besonderes Erlebnis.“ Das macht mich sehr glücklich, auch in sozialer Hinsicht. Dazu kommt, dass wir von großen Unternehmen unterstützt werden. Lufthansa, Mastercard und andere. Das ist nicht selbstverständlich. Ein Beispiel: Der CEO von Lufthansa war bei Channel Aid 2025 vor Ort, ist dafür extra zwischen Hamburg und Frankfurt hin- und hergeflogen. Das hat mir gezeigt: Channel Aid ist relevant. Verbesserungswürdig ist: Es ist ein langfristiges Investment. YouTube-Content generiert auch in zehn Jahren noch Spenden. Wenn wir jedes Jahr mehr Videos haben, steigt die Unterstützung über die Zeit. Wir müssen nur besser die Message transportieren, dass man schon etwas Gutes tut, wenn man unseren Kanal abonniert und die Videos schaut. Wir sind ein kleines Team, können nicht alles gleichzeitig schaffen. Genau daran arbeiten wir.
Ein neues Zuhause für das erfolgreiche Format: 2025 Channel Aid zum ersten Mal im Schauspielhaus
Im Oktober hattet ihr die Shows im Schauspielhaus. Unter anderem mit Rea Garvey. Eine ungewöhnliche Location. Wie kam das zustande?
Unsere erste Show war 2018 in der Elbphilharmonie mit Rita Ora und später Cro. Danach kam Bastille, da haben wir erstmals ein Orchester eingesetzt, was große Aufmerksamkeit brachte. Unter anderem durch eine Amazon-Prime-Doku in 144 Ländern. Seitdem ist das Orchester fest dabei. Es folgten Wincent Weiss und James Arthur. Nach der James-Arthur Show war uns bewusst, dass es einer Veränderung bedarf, um langfristig erfolgreich arbeiten zu können. Channel Aid holt große Künstler in eine kleine Location – das ist nur mit starken Partnern möglich, die dafür Sichtbarkeit brauchen. Die Elbphilharmonie wollte uns diese kaum geben. Deshalb mussten wir uns nach einer neuen Location umsehen. Wir wollten in Hamburg bleiben. Hamburg ist Zuhause. Da kam das Deutsche Schauspielhaus ins Spiel: 125 Jahre Geschichte, mitten in der Stadt, dort findet kaum Musik statt. Genau das hat es interessant gemacht, etwas Einmaliges in einem Ort zu schaffen, den man sonst als Musikformat nicht bekommt. Also haben wir direkt drei Abende gemacht: Rea Garvey, Samy Deluxe und Montez – alle mit Orchester. Plus Kool Savas und Afrob als Überraschungsgäste. Da ist der Saal explodiert. Insgesamt fühlt sich das Schauspielhaus wie ein neues Zuhause an. Das Team dort war unglaublich unterstützend. Im Schauspielhaus arbeiten über 400 Menschen, Kulissenbau und Werkstätten inklusive. Wir haben uns getragen gefühlt. Das war etwas Besonderes und wir sind sehr dankbar für dieses Vertrauen und die Partnerschaft.
Gab es besondere Herausforderungen, weil es kein klassischer Ort für Konzerte ist?
Ja, absolut. Das Schauspielhaus bringt mit seiner 125-jährigen Tradition einen unheimlichen Charme mit sich, die Logistik wiederum ist dadurch sehr anspruchsvoll. Die Bühne selbst ist hochmodern und bietet fantastische Möglichkeiten. Aber wir machen ja bei Channel Aid mehr als nur die Bühne. Roter Teppich, VIP-Bereiche, Bars. Wir haben das komplette Barkonzept umgebaut und die Bars an andere Stellen gesetzt. Das zog sich durch das ganze Haus, bis in den Malersaal, der unser VIP-Bereich war. Das alles in der Kürze der Zeit umzusetzen, war eine großartige Leistung des gesamten Teams. Wir hatten den Aufbau- und Probentag am Montag. Am Dienstag sollte die erste Show mit Rea Garvey sein. Einlass 18 Uhr. Ich bin am Dienstagmorgen durchs Haus gelaufen und hätte nicht gedacht, dass wir das schaffen. Klar, am Ende wird es immer eng, das kennt man. Aber das war ein Level, wo ich wirklich dachte: Okay, das könnte eine sehr knappe Nummer werden. Aber wie es dann am Ende so ist: Um 16 Uhr war alles fertig und sah super aus.
Wer ist deine persönliche Traumkünstlerin oder Traumkünstler für Channel Aid?
Darüber spricht man natürlich nicht so offen, solange es den Künstler selbst nicht erreicht und er sagt: Ich mache das für den guten Zweck. Weil: Die Gage fällt ja weg. Aber klar, die großen Namen kennt man. Ob Taylor Swift, ob Coldplay, beide würden vermutlich musikalisch mit einem Orchester fantastisch funktionieren. Ich glaube, das wird nie passieren, aber das wäre natürlich ein Traum. Als Hamburger würde uns Nina Chuba reizen. Grönemeyer geht gerade auf Akustik-Tour, das mit großem Orchester wäre ein toller Moment. Das Gleiche gilt, als eine der größten deutschsprachigen Künstlerinnen aller Zeiten, selbstverständlich auch für Helene Fischer. Es gibt viele Optionen und viele Träume. (lacht)

