Die Partyreihe Heartphones feiert 2023 ihr Zehnjähriges. Für Gründer Christian Wagner ist nach Silvester jedoch Schluss. Ein Gespräch über Nachfolge, Highlights der vergangenen Jahre und warum die Tanzfläche überall ist
Interview: Ole Masch
SZENE HAMBURG: Christian, warum hörst du 2023 mit Heartphones auf?
Christian Wagner: Ich bin diesen Sommer 40 geworden und man muss irgendwann den Absprung finden. Während der Corona-Zwangspause bin ich Vater geworden und merke, um wie vieles die Wochenenden wichtiger werden. Außerdem altert das Publikum nicht wirklich mit. Viele der Freunde und Stammgäste sind mittlerweile keine Clubgänger mehr. Und es fällt mir immer schwerer, mich in aktuelle Musik reinzuhören und Gefallen daran zu finden. Natürlich gibt es immer noch Perlen, aber ich habe für mich gemerkt, dass es fürs Auflegen nicht mehr reicht und ich möchte nicht der alternde DJ sein, der nur noch über den Musikgeschmack der Jugend schimpft.
In welche Hände gibst du die Party?
Der Vorteil an Heartphones ist, dass ich dafür in den letzten Jahren eine kleine Gruppe an DJs aufgebaut habe, die auf die verschiedenen Kanäle aufgeteilt werden. Einige davon sind schon fast seit Anfang an dabei und um ehrlich zu sein, haben sie auch in den letzten Jahren die meiste Arbeit übernommen. Sei es die Werbung, das eigentliche Auflegen oder die Organisation eigener Partyreihen wie die Afterwork Party im Cascadas. Sie brennen noch und haben viele Ideen.
„Nach den zwei Jahren Corona-Pause müssen wir uns jetzt die Stammgäste wieder erarbeiten.“
Christian Wagner
Wie bist du damals auf die Idee gekommen?
Ich lege schon auf seit ich 18 bin und habe irgendwann mal für einen Club in meinem Heimatort nach Partykonzepten geschaut. Aus Zufall hatte ich einen Fernsehbericht über Kopfhörerpartys gesehen und es 2011 einfach ausprobiert. Die Gäste haben es auf Anhieb geliebt und auch als DJ war es eine ganz andere und erfrischende Art aufzulegen. 2012 bin ich zum Arbeiten nach Hamburg gezogen und ich hatte das Glück im Molotow regelmäßig auflegen zu dürfen. Da meine Partyreihe erfolgreich war, durfte ich die Kopfhörerparty auch mal ausprobieren. Lustigerweise wohnte der Vermieter der Kopfhörer direkt hinter dem Molotow. Bis dahin hatte er die Kopfhörer deutschlandweit versandt, für Hamburg gab es aber noch keine Interessenten. Auf dem Reeperbahn Festival 2013 durften wir dann die erste Kopfhörerparty testen. Damals hatte ich noch Anni von Lost in Music mit dabei.
Partys im Molotow, Knust und Bucerius Kunst Forum
Welche Highlights der letzten zehn Jahre fallen dir spontan ein?
Wir hatten im alten Molotow 2013 gerade drei Partys veranstaltet, als der Laden plötzlich schließen musste. Das war natürlich ein Schock. Zum Glück war das Knust so lieb, uns aufzunehmen. Und nachdem das Molotow eine neue Heimat gefunden hatte, konnten wir dann zwei Locations bespielen und sehr schnell auch noch Partys auf der MS Hedi machen. Zu sehen, wie aus einer kleinen Partyreihe irgendwann mal so etwas Großes wird, und wir zum Einlass im Knust unglaublich lange Schlangen hatten, hat uns schon ein wenig stolz gemacht. Seit ein paar Jahren haben wir auch die Ehre, ab und zu im Bucerius Kunst Forum Partys zu bestimmten Ausstellungen machen zu können. Das ist schon cool zu sehen, wenn Leute durch die Ausstellungsräume wandeln und dabei tanzen.
Hat sich das Publikum in den letzten Jahren verändert?
Wir sind in Indieclubs großgeworden, insofern war unser Publikum anfangs doch eher rocklastig. Durch die Aufteilung auf mehrere Kanäle und Musikgenres wurde es heterogener. Was schon immer auffällig war, ist der höhere Frauenanteil. Wir führen natürlich kein Buch darüber, aber laut Facebook sind unsere Follower zu 72 Prozent weiblich. Wahrscheinlich wurden die meisten Gäste irgendwann von ihren Freunden überzeugt mitzukommen und so sind wir durch Mundpropaganda groß geworden. Gerade Studentengruppen wie die Erasmus-Studenten sind damals immer zu uns geschleppt worden und viele waren für ihre Zeit in Hamburg Stammgäste. Nach den zwei Jahren Corona-Pause müssen wir uns jetzt die Stammgäste wieder erarbeiten. Natürlich kommen noch viele von früher, wir merken aber, dass viele Gäste zum ersten Mal auf unseren Partys sind.
„Der Aufwand ist relativ gering“
Was braucht man konkret, um eine Kopfhörerparty zu starten?
Man braucht passende Funkkopfhörer und Sender, die man an die DJ-Pulte anschließt. Ansonsten ist der Aufwand relativ gering und das Gute ist, man kann die Party überall machen. Auf den Kopfhörern können die Gäste dann jeder für sich je nach Party zwischen zwei und drei Musikkanälen wählen. Auf der Bühne legen dann DJs nebeneinander auf.
„Das ist sicherlich der schönste Aha-Moment für neue Gäste.“
Christian Wagner
Es hören also nicht alle das Gleiche?
Die Gäste hören immer die Musik des Kanals, den sie gerade ausgewählt haben. Von außen kann man auch farblich sehen, ob jemand blau, rot oder grün hört. Wer keinen Bock auf einen Song hat, wählt einen anderen Kanal aus und kann dabei für sich die passende Lautstärke wählen. Wir haben mit Indie und Rock angefangen und irgendwann noch Pop und HipHop dazu genommen. Mittlerweile ist unsere Standardaufteilung auf einem Kanal Indie und Rock, auf dem zweiten Kanal Pop, HipHop und Gemischtes und auf dem dritten 80er und 90er.
„Das Heartphones-Team hat sich für 2023 einiges vorgenommen“
Gibt es Songs, die über Kopfhörer besonders gut funktionieren?
Letztendlich sind Kopfhörerpartys wie jede andere Partyreihe auch. Man braucht die passenden DJs und Musik für das richtige Publikum und die richtige Location. Ich glaube, auf allen Aida-Schiffen findet mittlerweile einmal pro Fahrt eine Kopfhörerparty statt. Da gibt es dann einen reinen Schlagerkanal. Passt sicherlich für die Location und das Publikum, für uns wäre das aber nicht denkbar. Auf einer normalen Party verlassen vielleicht einige Gäste mal die Tanzfläche, wenn ihnen ein Song nicht gefällt, bei uns können sie einfach den Kanal wechseln. Das führt dazu, dass bekanntere Songs besser funktionieren als unbekannte. Gleichzeitig können wir uns als DJs aber auch rausnehmen, ein paar verkannte oder neue Songs zu spielen, ohne Angst haben zu müssen, damit automatisch den Dancefloor zu leeren.
Zu welchen Situationen führt das?
Bei uns kommen die Gäste zum Glück immer sehr früh auf die Partys und fangen sofort zu tanzen an. Wir müssen nicht warten, bis der Club sich füllt und sich die ersten Mutigen auf die Tanzfläche trauen. Da man mit den Kopfhörern überall Empfang hat, verteilt sich die Tanzfläche sowieso und schnell tanzen die Gäste im ganzen Laden. Ansonsten gibt es keine Hintergrundmusik, was bei vielen die Vorstellung erweckt, dass es eine sehr leise Party sein müsste. Die Gäste fangen aber irgendwann an mitzusingen und jeder kennt den Effekt, wenn man mitsingt und sich selbst dabei nicht hören kann. Das ist sicherlich der schönste Aha-Moment für neue Gäste. Wenn auf einmal zwei oder drei Songs parallel mitgesungen werden und alle Gäste ein Lächeln auf den Lippen haben.
Was plant ihr für den Januar?
Seit 2016 machen wir im Knust traditionell die Kopfhörerparty an Silvester. Die letzten zwei Jahre mussten ja ausfallen. Danach geht es am 28. Januar geht es weiter im Knust mit einem mit aus Indie/Alternative mit DJane Sparkles, Pop/HipHop/Oldies/Alles mit AliceCoopacabana und LaRina und 80s/90s/Trash mit dj dirque. Generell hat sich das Heartphones-Team einiges für 2023 vorgenommen, mit einer coolen neuen Location in Hamburg, mehreren kleinen Partys auf der MS Hedi und neuen DJs.