Wie aus einer verkommenen Hinterhofwerkstatt ein Goldstück für die Hamburger Kulturlandschaft wurde.
Am Anfang war der Schutt. Die Autowerkstatt, die Max Reckleben (Frontmann der Band Brett) und Kai Schulz vor drei Jahren in einem Ottensener Hinterhof entdeckt und für ihr gemeinsames Projekt ausgewählt hatten, war dermaßen heruntergekommen, dass an einer Kernsanierung kein Weg vorbeiführte.
Also schufteten die beiden, karrten Dreck weg, Container für Container, und runderneuerten die Bude. Die Backsteinwände ließen sie nackt, quasi industriell-schick, verlegten allerhand Perserteppiche und schleppten gebrauchte Möbel an, tiefe Sessel, Sofas, Tische und ein Klavier wie aus einem Uralt-Western-Film. Sie zimmerten Barbereiche aus Paletten, bauten im Erdgeschoss eine professionelle Auftrittsbühne und im ersten Stock einen Coworking-Space sowie zahlreiche Proberäume.
Mit dem Vermieten von Proberäumen kannte sich Kai aus. Er betrieb damit schon ein Geschäft in Stellingen, wo er auch Max kennengelernt hatte, der dort mit seiner Band Brett spielte. Am Ende der anderthalbjährigen Arbeiten stand die Hebebühne: ein Ort, an dem Konzerte, Fotoshootings, Partys, Ausstellungen und noch viel mehr stattfinden können. Ein Interview mit den Machern verdeutlicht, wie wichtig das alles für Hamburg ist.
SZENE HAMBURG: Max und Kai, wie habt ihr die Räumlichkeiten für euer Projekt namens Hebebühne gefunden?
Kai Schulz: Wir haben auf den üblichen Immobilien-Portalen gesucht und irgendwann diese ehemalige Kfz-Werkstatt entdeckt. Dann haben wir beim Makler angerufen, haben uns alles angeschaut und verhandelt. Es gab nur einen weiteren Interessenten.
Und warum ging das Gebäude letztlich an euch?
Kai: Wir haben dem Eigentümer erzählt, dass wir uns einen Präsentationsraum für Künstler vorstellen, und er fand, dass das ganz gut zu Ottensen passen würde. Auch fand er unsere Geschichte ansprechend, zum Beispiel, dass Max schon länger in dieser Musikszene aktiv ist und ich zuvor bereits Proberäume vermietet hatte.
Was hatte denn der Mitbewerber mit dem Haus vor?
Kai: Hätten wir die Räumlichkeiten nicht bekommen, wären sie abgerissen und Eigentumswohnungen gebaut worden. Allerdings hätte das Fundament kein zweites Oberschoss getragen. Auch ein Grund, warum wir gute Karten hatten.
„Naivität kann ein super Antrieb sein“
Als die Entscheidung gefallen war, wurde losgearbeitet. Wie lange habt ihr gebraucht, bis die Hebebühne stand?
Kai: Anderthalb Jahre. Wir haben wirklich alles kernsaniert. Am Anfang standen wir buchstäblich im Dreck. Es hatten sich sogar schon Ratten eingenistet. Zusammen mit Freunden haben wir den Schutt dann hier rausgetragen. Am Ende waren es fünf volle Container, jeweils zu zehn Fuß.
Habt ihr zwischendurch mal gedacht, dass das Projekt eine Fehlentscheidung war?
Max Reckleben: In unserem jugendlichen Leichtsinn war uns die ganze Arbeit relativ egal. Naivität kann ein super Antrieb sein. Wir hatten wirklich immer nur das Ziel vor Augen.
Was genau war denn das Ziel?
Max: Einen Ort so aufzubauen, dass dort eine Community Platz hat und wachsen kann.
Kai: In dem Kulturbereich, in dem Max und ich arbeiten, musste sich auch etwas tun. Es kann nicht immer nur konsumiert werden, es geht auch darum Schnittstellen zu schaffen, und zwar menschliche.
Aber ein Geschäftsmodell war und ist die Hebebühne ja auch. Wird es von der Stadt gefördert?
Max: Nein. Wir hatten immer eine ganz klare Vorstellung davon, wie wir diesen Ort gestalten und die Kommunikation zwischen den Menschen ermöglichen wollen. Wir wollten niemanden, der uns sagt, wann wir bestimmte Gelder in bestimmte Dinge investieren müssen. Wir wollten alles selbst entschieden.
Kai: Wir wollten etwas Autonomes auf die Beine stellen und nicht mit einem Scheck zu Ikea fahren und dann sagen: So, fertig! Wir wollten organisches Wachstum und dass dieser Ort an Persönlichkeit gewinnt.
Max: Ein Beispiel: Derjenige, der die vordere Bar gebaut hat, probt heute mit seiner Band oben im ersten Stock und hat kürzlich das Release-Konzert zu seinem neuen Album hier gespielt. Für uns steht das Netzwerk und die Möglichkeiten, die daraus entstehen, immer vorne an.
Neben dem Coworking-Space werden im ersten Stockwerk sieben Proberäume vermietet …
Kai: … und zwar fest. Wir brauchen ja auch eine gewisse Struktur, eine Konstante. Die haben wir uns geschaffen.
Bedeutet: Die Hebebühne bietet Künstlern die Möglichkeit, zu üben, zu produzieren und zu präsentieren.
Kai: Genau. Das „Hebe“ in Hebebühne steht dafür, Künstler hochzuheben. Dafür investieren wir auch regelmäßig in Neuerungen, unter anderem in ein Top-Soundsystem und eine ebenso hochwertige Lichtanlage.
Ist die Hebebühne heute so, wie ihr sie immer haben wolltet, vielleicht sogar fertig?
Max: Wenn man fertig ist, kann man keine Impulse von außen mehr aufgreifen. Die prallen dann einfach ab. Wir wollen ja aber Ideen aufnehmen und sie unterstützen.
Was ist denn aktuell noch in Planung?
Kai: Oben ist noch eine Fläche frei. Um daraus zum Beispiel einen Aufnahmeraum zu machen, müsste man noch mal Geld in die Hand nehmen. Auf mittelfristige Sicht ist das auch denkbar.
Zum Schluss natürlich noch wichtig zu wissen: Läuft der Laden?
Kai: Es gibt einen Business-Plan, und der funktioniert.
Max: Wir sind da, und wir kriegen das auch in Zukunft hin. Die Leute haben Lust auf die Hebebühne, das wissen wir schon länger.
Interview: Erik Brandt-Höge
Fotos: Jérome Gerull
Die Hebebühne: Barnerstraße 30 (Ottensen); Nächste HVV-Station: Bf. Altona, S+U
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, November 2018. Das Magazin ist seit dem 27. Oktober 2018 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!