SZENE HAMBURG: Herr Altenburg, Sie bestreiten in Paris Ihre ersten Olympischen Spiele als Nationaltrainer der Deutschen Damen Hockey-Nationalmannschaft (Danas). Ihre Frau Lisa Altenburg war beim letzten Olympia-Erfolg der Danas, der Bronzemedaille 2016 in Rio, mit dabei. Hat sie Ihnen schon Tipps gegeben?
Valentin Altenburg: (lacht) Noch nicht, aber vielleicht sollte ich das mal in Erwägung ziehen. Tatsächlich war ich 2016 als Nationaltrainer der Herren quasi Tür an Tür mit den Danas, da habe ich schon sehr viel von der Stimmung mitbekommen.
Was ist das für eine Stimmung?
Als Mannschaft sind wir bei den Olympischen Spielen Teil von etwas ganz Großem, einem riesigen Sportfest. Worauf ich mich dabei extrem freue, ist die Energie im olympischen Dorf. Da wohnen 20.000 Leute auf kleinem Raum und alle sind in ihren bunten Landesfarben unterwegs, dass sorgt für eine fröhliche, bunte und inspirierende Atmosphäre. Dazu verfolgen all diese Menschen ein ganz krasses Lebensziel. Die wissen ganz genau, warum sie da sind, warum sie morgens aufstehen und was sie vorhaben. Das in einer Stadt, wo das jeden Tag zu jeder Zeit für alle gilt. Da kann man sich schon einigermaßen vorstellen, wie das kribbelt.
Olympische Spiele als Lebensziel
Am 28. Juli um 10.30 Uhr wird das erste Spiel bei Olympia gegen Japan angepfiffen. Wie steht’s jetzt, Mitte Juni, mit der Vorfreude?
Wir haben vor einer Woche das Team für die Spiele in Paris nominiert. Diesen Moment der Nominierung begehen wir als Mannschaft immer zusammen. Für mich als Bundestrainer ist das immer ein krasser Mix aus Emotionen. Ich freue mich mit denen, die ihren Traum zum Ziel machen dürfen und leide ganz mit denen, die das nicht können. Das muss ich auch erst einmal verarbeiten.
Für die Aktiven stellen die Olympischen Spiele dazu etwas so viel Außergewöhnlicheres dar. Die Spiele sind die treibende Kraft und ihr ganzes Leben richtet sich danach aus. Diese Bedeutung wird ihnen im Moment der Nominierung noch mal deutlich bewusster. Deswegen lasse ich die Spielerinnen so kurz nach der Nominierung auch erst einmal für ein paar Tage in Ruhe, damit sie das sacken lassen können. Wir werden bei den nächsten Länderspielen Ende Juni in Holland anfangen, uns mit diesen Dingen auseinanderzusetzen und dann steigt auch die Vorfreude.
Da kann man sich schon einigermaßen vorstellen, wie das kribbelt
Valentin Altenburg
Sie haben die Olympischen Spiele 2016 schon mal erlebt. Haben Sie Routine?
Olympischen Spiele sind etwas ganz Eigenes, das ist ganz weit weg von Routine. Es gibt immer sehr viel mehr, was zu beachten ist und auch einiges, was unklar bleibt. Diese Unsicherheit hat mich 2016 in Rio viel Kraft gekostet. Jetzt haben wir uns in Paris das Stadion und den Platz schon angeschaut, was damals in Rio gar nicht möglich war. Rückblickend macht mich die Erfahrung, das alles schon mal erlebt zu haben, entspannter.
Hockey bei Olympia 2024 in Paris: Eine große Kulisse und Dankbarkeit
Sie sprechen das Stadion an. In Paris spielt ihr Team im Stade Yves-du-Manoir vor 15.000 Menschen, eine für das Hockey große Kulisse.
Tatsächlich sind alle Hockey-Spiele des Turniers schon lange ausverkauft, das sind über 300.000 Tickets. Die Kulisse spielt für uns schon eine Rolle, weil der Kontrast vom Bundesliga-Alltag zu Länderspielen riesig ist, sportlich wie auch beim Umfeld. Die Spielerinnen kennen diesen Unterscheid von der Pro League und von anderen Turnieren auf internationaler Ebene. Mein Eindruck war bisher immer, dass die Mädels die Atmosphäre auch für sich nutzen, denn desto mehr Zuschauer es waren, desto besser haben wir gespielt. Das habe ich zuletzt im Januar beim Olympia-Qualifikationsturnier in Indien gemerkt: Was da 15.000 Menschen für eine Lautstärke erzeugt haben, das habe ich noch nie bei einem Sportevent erlebt und am Ende haben wir uns für Paris qualifiziert.
Sie haben 2005 als Trainer beim HTC Stuttgarter Kickers angefangen. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie 19 Jahre später zum zweiten Mal ein Team zu Olympia führen?
Das war auf jeden Fall gar nicht mein Plan (lacht). Auch wenn ich damals sehr viel Spaß hatte, hätte ich es mir nie vorstellen können, dass mich das Trainer-Dasein dauerhaft begleitet. Im Gegensatz zu vielen meiner internationalen Kollegen habe ich keine erfolgreiche Spieler-Vita und musste mir meine Autorität und die Überzeugung immer hart erarbeiten. Das ich vor dem Hintergrund überhaupt die Chance bekomme, das zu tun, was ich mache und was ich liebe … (lächelt)
Für die Aktiven stellen die Olympischen Spiele dazu etwas so viel Außergewöhnlicheres dar
Valentin Altenburg
Große Persönlichkeiten als Vorteil
Sie kommen aus der selbst ernannten Hockey-Hauptstadt Hamburg. Wie hat es bei Ihnen mit dem Sport angefangen?
Ich komme aus einer Hockey-Familie. Meine Mutter und meine Großmutter haben schon Hockey gespielt. Als Kind habe ich leistungsorientiert Tennis gespielt und bin so zu meinem Heimatverein, dem UHC (Uhlenhorster Hockey-Club, Anm. d. Red.) gekommen. Auf dem Weg zum Tennis bin ich immer an den Hockey-Plätzen vorbei gegangen. Als ich irgendwann gesagt habe, dass ich das auch mal ausprobieren wollen würde, wurde mir sofort der neueste Schläger gekauft. Da war dann seitens meiner Mutter auch schon ein bisschen Druck dahinter. (lacht)
Wie ist der Stellenwert der Stadt Hamburg als „Hockey-Hauptstadt“?
Die Stadt ist auf jeden Fall eine Hockey-Hochburg. Das liegt vor allem an starken, traditionsreichen und innovativen Clubs. Auf ihnen basiert unser Erfolg auf internationaler Ebene. Denn in gewissen Bereichen, finanziell und auch strukturell, können wir schon seit Jahren nicht mehr mit der Konkurrenz zum Beispiel aus den Niederlanden mithalten. Den Vorteil, den wir haben, sind Persönlichkeiten wie Tobias Hauke und Janne Müller-Wieland, die in diesen Clubs heranwachsen und dann in entscheidenden Spielen den Unterschied machen können. In Hamburg ist dabei die Wettbewerbslandschaft groß und Konkurrenz belebt das Geschäft. Mit dem Bundesstützpunkt und dem Bau des neuen Leistungszentrums in Groß Flottbek sind die Bedingungen auch in Zukunft ideal.
Für die Olympia in Paris kommen neun von 19 Spielerinnen aus Hamburger Clubs. Ist das den guten Bedingungen hier vor Ort geschuldet?
Wir haben in Hamburg ein Drittel der Bundesligavereine, daher ist die große Anzahl an Spielerinnen wenig verwunderlich. Insgesamt haben wir Spielerinnen aus zehn verschiedenen Clubs aus Deutschland und Holland mit dabei, das ist schon ein guter Mix.
Ob das so kommen wird, das werden wir sehen
Valentin Altenburg
Hockey bei Olympia: Große Rivalinnen
In Paris geht es in der Gruppenphase gegen die Niederlande, die amtierenden Olympiasiegerinnen, Welt- und Europameisterinnen. Sind das auch die klaren Favoritinnen auf Gold?
Auf jeden Fall. Die holländischen Damen sind in der gesamten Sportwelt eine der erfolgreichsten Mannschaften, die es jemals gegeben hat. Die haben über Jahrzehnte nahezu alles gewonnen. Normalerweise gibt es Wellenbewegungen, man ist mal gut, dann wieder eine Zeit weniger gut. Bei den Holländerinnen spielen Damen mit mehr als 100 Länderspielen, die so gut wie noch nie verloren haben. Die haben die Goldmedaille für sich schon so ein bisschen eingepreist. Ob das so kommen wird, das werden wir sehen – ich bin da eher ein bisschen skeptisch. (lächelt)
2016 haben die Danas überraschend Bronze in Rio geholt. Was ist das Ziel für Paris 2024? Und was ist möglich?
Es ist alles möglich. Damenhockey ist die Weltspitze hinter Holland sehr breit. Und auch das Team aus den Niederlanden können wir schlagen, wenn alles perfekt zusammenpasst. Das Ziel, das wir uns für Paris vornehmen, kommt immer aus der Mitte der Mannschaft. Dem kann und will ich nicht vorgreifen.
Hockeyspielerinnen und -spielern wird nachgesagt, ziemlich gut feiern zu können. Gibt es schon Pläne für den 9. August?
Ist das der Finaltag?
Ja.
Damit habe ich mich noch gar nicht beschäftigt. Das ist auch erst mal völlig egal, denn eine Turniermannschaft beschäftigt sich im Laufe des Turniers mit dem, was gerade ansteht. Und wenn wir am 9. August um Medaillen mitspielen, muss man sich keine Sorgen machen, dass die Feier scheiße wird. (lacht)
Olympische Spiele in Paris, 26. Juli bis 16. August 2024
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 07/2024 erschienen.