HSV-Fußballfrauen: Zurück ins Profilager

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Foto: Karsten Schulz

Im Sommer 2012 zog der HSV sein Frauenfußball- Team aus der Bundesliga zurück. Nun will der Verein an die Spitze zurück.

Text: Mirko Schneider
Foto: Karsten Schulz

HSV-Abwehrspielerin Heike Freese war außer sich. „Bei den Herren bekommt ein nicht topfitter Torwart Rene Adler 2,7 Millionen Euro Gehalt. Bei uns wird wegen 100.000 Euro die Frauenmannschaft abgemeldet“, klagte Freese am 22. Mai 2012. Der Vorstand des bei den männlichen Bundesligaprofis verschwenderisch wirtschaftenden Hamburger Sportvereins ließ wegen einer vergleichsweise lächerlich niedrigen Lücke im Saisonetat erbarmungslos den Sparhammer auf seine Damen-Fußballerinnen niedersausen – und zog das Team aus der Bundesliga zurück.

Sechs Jahre später hat sich an der Ulzburger Straße in Norderstedt, der Trainingsstätte der HSV-Frauen, vieles verändert. Neue Verantwortliche sind seit einiger Zeit am Werk. Und so hörte man am 20. Februar dieses Jahres ungewohnte Töne. „Mittelfristig ist es unser Ziel, wieder die Nummer eins im Hamburger Frauen- und Mädchenfußball zu werden“, sagte Kumar Tschana, Leiter Amateursport des HSV e. V., bei der Vorstellung eines Konzeptes mit dem Titel „Der HSV stärkt den Frauen- und Mädchenfußball“. Größte Ziele sind eine intensive Nachwuchsförderung und die Rückkehr der HSV-Frauen in den Profibereich (mindestens zweite Bundesliga) in zehn Jahren.

„Ich will Meister werden und aufsteigen“

„Wenn man auf die Tabelle schaut, liegen wir vor dem Plan“, sagt Manuel Alpers (41) fröhlich. Gemeinsam mit Christian Kroll (32) trainiert der im Sommer verpflichtete Alpers die in der viertklassigen Oberliga Hamburg spielenden HSV-Damen. Bereits den Bramfelder SV führte Alpers mit geringen Mitteln in die zweite Bundesliga. Nun ist eine perfekte Saison möglich. 13 Siege mit 87:5 Toren aus 13 Spielen holte die Mannschaft vor der Winterpause. Die Meisterschaft dürfte ihr kaum zu nehmen sein. Setzt sich die Mannschaft danach in der Ausscheidungsrunde mit den Oberligameistern aus Bremen und Schleswig-Holstein als Erster durch, ist der Aufstieg perfekt. „Ich will Meister werden und in die Regionalliga aufsteigen“, hatte Alpers sofort zu Beginn seines Engagements verkündet.

Mit ihm haben sich die Verantwortlichen beim HSV einen besonderen Charakter ins Boot geholt. Alpers’ Ambitionen auf eine Karriere als Profi-Fußballer zerstörte ein Kreuzbandriss mit 23 Jahren. Mit 29 sprang er interimsweise als Trainer bei den Bramfelder Fußball-Frauen ein. Dabei hielt er nichts von Frauenfußball, es war ein Freundschaftsdienst. Doch Alpers änderte seine Meinung, als er sah, mit welcher Leidenschaft seine auf dem Feld kämpfenden Spielerinnen bei der Sache waren. Er ist ein ehrgeiziger Tüftler, kann stundenlang über Fußball reden, jedes kleine Detail auf dem Feld ist ihm wichtig. „Unser Spiel hat offensiv und defensiv eine gute Struktur bekommen“, sagt er über den bisherigen Saisonverlauf. Aus seinem Mund ein Riesenlob.

Was ihn ebenfalls freut: „Viele Spielerinnen sind torgefährlich. Es reicht nicht, eine aus dem Spiel zu nehmen.“ Die beste Torjägerin der Liga Kimberly Zietz (19 Tore) sowie Emma Sick (18) und Victoria Schulz (15) sind drei gute Beispiele dafür. Alpers’ Spielanalysen verwundern manchmal. Er kann nach einem hohen Sieg total unzufrieden, nach einem knappen Erfolg voll des Lobes sein. Fußball ist für ihn mehr als nur Torchancen und Treffer.

„Es ist manchmal frustrierend, Manuel auch mit einem 8:0 nicht zufrieden stellen zu können“, sagt Außenverteidigerin und Co-Kapitänin Franka Dreyer (27) lachend. „Er ist eben ein kleiner Perfektionist.“ Sie findet das gut. Und weitet ihr Lob über Alpers auf den ganzen HSV aus. „Das Trainerteam ergänzt sich perfekt. Manuel ist mehr der Taktiker, Christian Kroll geht stärker auf die Emotionen der Spielerinnen ein. Und so ein professionelles Umfeld wie hier im Verein habe ich nur in Gütersloh in der zweiten Bundesliga erlebt.“ Diese Worte Dreyers, die Profi-Erfahrung besitzt, haben ein ähnlich hohes Gewicht wie Alpers’ Lob für das strukturell starke Spiel. Athletikcoach, physiotherapeutische Betreuung, Mannschaftsarzt, ein Kunstrasenplatz für Training und Spiel, ein neues Umkleidehaus und bald sogar eine neue Beachsoccer-Anlage – der HSV tut wieder etwas für seine Fußballerinnen, auch wenn er ihnen keine Gehälter zahlen kann.

Mit nur 21 Jahren ein Urgestein und „einfach stolz, mit der Raute auf dem Trikot aufzulaufen“ ist Spielführerin und Offensiv-Allrounderin Victoria Schulz. Als gerade ausgebildete Immobilienkauffrau ist sie mit kurzen Unterbrechungen seit der C-Jugend im Club. „Ich finde es schön, dass sich der Verein nun so zu uns bekennt.“ Die Mischung aus erfahrenen Spielerinnen als Stützen und jungen Talenten sei sehr gut, wenngleich das geringe Durchschnittsalter der Mannschaft sie manchmal verblüffe: „Wie jung wir sind, zeigt sich für mich immer, wenn ich beim Abschlussspiel im ,Team alt‘ lande.“

Kameradschaft ist mehr als nur eine Floskel

Ihre Art, das Team zu führen, beruht auf innerer Überzeugung. „Ich bin niemand, der auf dem Platz groß rumtönt, führe lieber auf dem Feld und außerhalb viele kleine Gespräche“, erklärt Schulz. Das kommt gut an in einem Team, das Kameradschaft nicht als hohle Floskel versteht. Sondern gemeinsam Fußballspiele besucht, Geburtstage feiert, viel unternimmt.

Doch ist der Boom nachhaltig? Vieles spricht dafür. Die Finanzierung wurde durch das Spitzensportkonzept des Vereins auf breitere Füße gestellt. Der Nachwuchs ist das Faustpfand für die Zukunft. Die zweite Mannschaft ist Zweiter in der Landesliga, die U17 mischt in der Bundesliga Nord/Nordost in der Spitzengruppe mit, ebenso wie die U16 in der Oberliga. „Wir wollen unsere Fußballerinnen sehr gut ausbilden, uns aus dem eigenen Nachwuchs bedienen können. Das stärkt die Spielerinnen, schafft Identifikation und Nachhaltigkeit. Das ist die beste Basis, damit wir Leistungssport betreiben können“, sagt Alpers. Bittere Klagen wie im Mai 2012 von Heike Freese sollen für immer der Vergangenheit angehören.

HSVFrauen.de


Dieser Beitrag stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Januar 2019. Das Magazin ist seit dem 21. Dezember 2018 im Handel und zeitlos im Online Shop und als ePaper erhältlich! 

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