SZENE HAMBURG: Dennis, zum zweiten Mal hast du kürzlich an der offiziellen Tomorrowland Academy teilgenommen, dem Talentförderprogramm des größten elektronischen Musikfestivals der Welt. Wie schafft man es dort hin?
Akademie-Tickets kann man im freien Verkauf ergattern, allerdings gibt es jährlich nur 90 Stück. Eine Akademie-Woche ist für Kinder, zwei für Erwachsene, davon wiederum eine für Anfänger und eine für Fortgeschrittene. Ich war zweimal bei der Anfängerwoche, obwohl ich keiner bin. Die Tickets für die Fortgeschrittenenwoche sind nur immer sofort ausverkauft.
Und was genau passiert in der Akademie?
Das Programm geht von Montag bis Donnerstag, jeweils 9 bis 18 Uhr. Jeden Tag erhalten wir Musikproduktions- und DJ-Training und einen Vortrag aus dem Musikmanagement, zum Beispiel über Social Media. Manchmal wird auch eine echte DJ-Lebens-Story von einem unserer Lehrer erzählt. Zudem gibt es jeden Tag einen Special Guest für ein Interview. Oftmals sind das Artists, die teilweise auch Mainstage spielen wie Agents of Time, Pegassi, Used und R3hab. Man kommt diesen Leuten mal ganz nah, kann Fragen stellen oder einfach kurz mit ihnen quatschen. Einmal waren auch die Booker vom Tomorrowland da, haben uns wertvolle Einblicke in ihre Arbeit gegeben und erklärt, was man tun kann, um auf ihren Radar zu kommen. Der letzte Tag, der Donnerstag, ist dafür gedacht, dass jeder ein fünfminütiges Showcase auf der Rise Stage absolvieren kann. Da in diesem Jahr die Mainstage abgebrannt ist, konnte meine Gruppe nicht auf die Rise Stage. Wir haben unsere Showcases im Brüsseler Club Carré gespielt. Dafür durften einige von uns unser Debüt auf dem eigentlichen Festival geben, und zwar auf der wohl kleinsten Stage, dem Cargo Bike.
Mein Branding muss klar werden
Dennis Stepien alias Dennio
Vermarktung: Als DJ gesehen zu werden, erfordert Eigeninitiative
Du hast die Booker angesprochen, deren Aufmerksamkeit es zu bekommen gilt. Dafür ist viel Arbeit notwendig, zu der nicht zuletzt Selbstvermarktung zählt. Welche Strategie verfolgst du in dieser Sache?
Das ist eine sehr gute Frage und für jeden DJ heutzutage eine Herausforderung. Momentan verdiene ich mein Geld als Open-Format-DJ, spiele also viel kommerzielle Musik, um meine Rechnungen zu bezahlen. Deshalb habe ich in den vergangenen Monaten auch hauptsächlich Reels von meinen Gigs auf der Reeperbahn gepostet. Allerdings habe ich mir einige Hausaufgaben von der Tomorrowland-Akademie mitgenommen und möchte meine Strategie verändern, um in Zukunft mehr als Artist wahrgenommen zu werden.
Was möchtest du konkret verändern?
Zum einen muss mein Branding klar werden: Was kann man erwarten, wenn man Dennio bucht? Nicht nur vom Musikstil her, sondern auch vom Auftreten. Es gibt Eigenschaften, die mich repräsentieren, zum Beispiel die Leidenschaft für Anime und Manga, ein Plant Based Lifestyle sowie den Tanz Melbourne Shuffle. Diese Elemente probiere ich mehr einzubeziehen. Außerdem möchte ich meine Musik noch mehr in den Vordergrund stellen, eigene Produktionen ebenso wie Mashups und Remixes, um einen Mehrwert sowohl für mich als Artist als auch für die Zuschauer zu kreieren. Auf der anderen Seite bin ich bei einer Sache noch „old school“ unterwegs. Beim Tomorrowland habe ich immer USB-Sticks dabei, die ich meinen Lieblings-Artists beziehungsweise den Artists, mit denen mein Musikstil am ehesten übereinstimmt, in die Hand drücken möchte und hoffe, dass daraus vielleicht etwas entstehen kann. Da bin ich definitiv Träumer und glaube an das Gute in Menschen.
Netzwerk: Musikalische Verbindungen, die bleiben
Was logischerweise auch nie schadet: ein gutes Netzwerk. Bist du in Hamburg Teil einer bestimmten Szene, in der sich gegenseitig unterstützt wird?
Ich habe immer das Gefühl, dass das Netzwerk in diesem Sinne einer meiner Schwachpunkte ist, obwohl ich das Potenzial habe, gut mit Leuten zu connecten. Ich möchte nur nicht den Eindruck erwecken, dass ich jemandes Bekanntheit ausnutzen will, um daran hochzuklettern, sondern, dass die Leute sagen: „Dennio ist ein super Typ, ich habe Lust, ihn zu unterstützen und was mit ihm zu machen!“ Ich denke, da hemme ich mich selber etwas. In Hamburg bin ich nicht Teil einer bestimmten Szene. Aber man kann vielleicht die Tomorrowland-Akademie als eine Art Szene ansehen, da dort viele Menschen sind, die die Leidenschaft für Musik teilen. Auch, wenn man nicht mit jedem in Kontakt bleibt, tut es gut, den einen oder anderen Gleichgesinnten kennenzulernen, um sich gegenseitig zu pushen oder mal musikalisch zusammenzuarbeiten. In diesem Jahr hat es sich auch wie ein kleines Familientreffen angefühlt, da einige bekannte Gesichter aus dem Vorjahr dabei waren und die Wiedersehensfreude groß war.
Ich möchte mit meiner Musik eine Verbindung zu Menschen aufbauen
Dennis Stepien alias Dennio
Kleiner Ausblick noch: Was kann und soll karrieretechnisch bestenfalls für dich passieren in naher und ferner Zukunft?
Mein kurzfristiges Ziel ist es, als gebuchter Artist auf Festivals aufzulegen. Dieses Feeling, dass man einfach die Musik spielt, die man liebt und die Leute dazu abgehen, ist großartig. Außerdem möchte ich viel Musik machen, sowohl produzieren als auch Mashups kreieren, sodass meine Sets immer persönlicher und einzigartiger werden. In diesem Jahr sind schon vier Songs rausgekommen, weitere sollen folgen. Mein langfristiges Karriereziel ist es, auf eine der großen Tomorrowland-Stages wie Freedom Stage oder Mainstage zu stehen, den Volume Fader runterzuziehen und zu hören, wie die Menschen die Lyrics meiner Lieder weitersingen. Diese Vision dieses Gänsehautmoments treibt mich an. Ich möchte meine persönlichen Geschichten erzählen, mit meiner Musik eine Verbindung zu Menschen aufbauen. Und ich möchte mit einem meiner Lieder mal zum Eurovision Song Contest fahren, da bewerbe ich mich auch jedes Jahr.

