Wanda: „Ich werde nie wieder einen Nummer-Eins-Hit haben“

Die Wiener Rockband Wanda ist seit einer Dekade im Karriererausch. Ein Gespräch mit Frontmann Marco Wanda über das aktuelle, nach der Band benannte Album, das Erwachsenwerden und die Tücken des Erfolgs
„Ich werde nie wieder einen Nummer-Eins-Hit haben“: Marco Wanda (rechts) (©Chris Gonz)
„Ich werde nie wieder einen Nummer-Eins-Hit haben“: Marco Wanda (rechts) (©Chris Gonz)

SZENE HAMBURG: Marco, als die Promo-Tour zu eurem aktuellen Album „Wanda“ vergangenes Jahr begann, habt ihr einmal bei Instagram gepostet: „Auch noch wach seit 2014?“ Fühlt es sich für euch tatsächlich so an wie ein Non-Stop-Wanda-Wahnsinn?

Marco Wanda: Ich bin eigentlich gar nicht so sentimental, was solche Dinge betrifft. Aber dass es jetzt das zehnte Jahr der Band ist, beginnt mich schon mitzunehmen und zu berühren. Als wir zum Beispiel zuletzt bei „Inas Nacht“ waren, habe ich nach der Show zu Ina gesagt: „Hey, wir sind bei dir erwachsen geworden!“ Als wir 2015 erstmals bei ihr waren, da waren wir ja noch fucking Kinder. Wir hatten keine Ahnung von irgendetwas. Wir hatten das Gefühl: Alles, was wir erleben, erleben wir allein und zum ersten Mal. Dadurch sind wir aber auch sehr zusammengewachsen.

Ist viel von diesem Gefühl vom Karrierebeginn geblieben?

Schon. Zum Beispiel habe ich immer noch so eine Aufregung und positive Nervosität vor Auftritten. Manchmal denke ich mir, ich müsste als Künstler eigentlich schon viel weiter sein.

Single-Hits aus unserem Bereich wird es nicht mehr geben.

Marco Wanda

Im Song „Va Bene“ heißt es: „Es muss weitergehen.“ Es werden darin aber auch beobachtete Veränderungen beschrieben. Zum Beispiel singst du, man werde „einfacher“, „grausamer“, verletzlicher“. Aus deiner Sicht ein schleichender Prozess?

Ja. Alle Prozesse im Leben können schleichend sein, wenn man das so will. Genauso kann man das Tempo natürlich auch anziehen – zum Beispiel durch Therapie.

„Ich möchte machen, was ich mache“

Denkst du, die besungenen Veränderungen sind vor allem Begleiterscheinungen eures rasanten Bandlebens?

Schwer zu sagen. Bis vor Kurzem hätte ich diese Frage noch in zwei Fragen gespalten: eine an mich als Mensch, eine an mich als Berufsmusiker. Aber mittlerweile habe ich akzeptiert, dass ich irreversibel Marco Wanda bin, der in der Band Wanda spielt. Das kriege ich in Wien auch jeden Tag zu spüren. Weil ich jeden Tag zwanzig Selfies mache. Es ist einfach so: Ich bin das jetzt, Marco Wanda. Und ich kann das auch annehmen.

Könntest du das noch mal ins Private umdrehen und Marco Fitzthum sein?

Nein, ich glaube nicht. Und ich möchte es auch nicht umdrehen. Ich möchte machen, was ich mache. Weil ich liebe, was ich mache. Ich habe mich sehr lange gefragt, ob es wirklich Liebe ist. Ist es. Weil ich die Menschen liebe, mit denen ich es mache. Es gibt so wenige Dinge, die dauerhaft sind. Bei Wanda habe ich das Gefühl, dass es etwas in meinem Leben ist, auf das ich irgendwann zurückschauen und darüber sagen kann, dass es stringent war.

Wir als Band arbeiten nicht mehr an der Karriere, nicht mehr am Erfolg. Wir arbeiten an uns.

Marco Wanda

Macht es womöglich auch irgendwann süchtig, ständig vor den Massen zu stehen?

Ehrlich gesagt, ist das so anstrengend, dass es nicht süchtig machen kann. Es ist wunderschön, aber eben sehr anstrengend. Wir spielen mittlerweile so zwei Stunden und 20 Minuten. Danach ist auch wirklich gut. Wenn ich von der Bühne gehe, ist es nicht so, dass ich sage: „Ich will gleich wieder rauf!“

„Als ‚Columbo‘ auf Eins ging – das war kritisch“

Gibt es etwas anderes im Wanda-Kosmos, das süchtig macht?

Sucht impliziert für mich so etwas Toxisches. Wir als Band demontieren aber das Toxische. Wir wollen das alles aus freien Stücken machen. Ich glaube, das Einzige, was süchtig macht, ist Erfolg. Und das ist gefährlich.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Als „Columbo“ in Österreich auf Eins ging – das war kritisch. Das war eigentlich nicht gut. Von da an war ich drei Jahre lang beim Songschreiben blockiert. Jedes Mal dachte ich: „Wie hast du das gemacht? Wie hast du einen Nummer-Eins-Hit geschrieben?“ Und: „Warum hast du einen Nummer-Eins-Hit geschrieben, du kleiner, wertloser Punk?“

Und heute?

Heute ist es mir egal. Ich werde nie wieder einen Nummer-Eins-Hit haben.

Warum nicht?

Weil die Zeit anders ist. Es wird nicht mehr gehen. Single-Hits aus unserem Bereich wird es nicht mehr geben. Dass da noch mal eine E-Gitarre auf Eins geht, ist ausgeschlossen. Außer, ein Rapper hat ein E-Gitarren-Sample irgendwo versteckt.

„Nun räumen wir auf“

Mal weg vom Begriff Sucht und hin zum Begriff Rausch, der sich durchs Wanda-Werk zieht wie ein roter Faden. Auf „Wanda“ gibt es den Song „Wir sind verloren“. Sicherlich, ein Liebeslied, aber es geht um mehr, nämlich auch darum, dass man nicht „falsch“ ist, was man auch denkt, wen man auch liebt. Hattest du einen Antrieb beim Schreiben?

Sagen wir es so: In der Teenagerzeit programmiert sich schon vieles. Wenn man sich da als Außenseiter wahrnimmt, verliert man das nicht. Zumindest mir geht es so. Egal, wie angesehen ich in der Gesellschaft bin, ich habe immer noch das Gefühl, dass da ein Fleck ist. Dass da was falsch ist mit mir. Auch wir als Band: Es ist für uns weiterhin ein wenig abstrakt, dass man zum Beispiel mit uns reden möchte. Dass wir eine Relevanz haben. Ganz eigenartig. Vielleicht, weil wir es eben allein erleben.

Wir wischen die Kotze weg.

Marco Wanda

Sind da wirklich Zweifel an der eigenen Relevanz?

Gut, Zweifel sind es vielleicht nicht mehr. Eher ein blasses Staunen.

Kürzlich hast du gesagt, ihr würdet nach „mehr“ streben. Wenn du selbst weißt, dass der kommerzielle Erfolg ungesund ist, wie könnte dieses „mehr“ bestenfalls aussehen? Eventuell einfach wie der Ist-Zustand?

Unsere ersten Jahre fühlen sich heute an wie eine Party. Und nun räumen wir auf. Wir sammeln die Kippenstummel ein, wischen die Kotze weg. Und ich kann sagen: Ich möchte das mein Leben lang machen, und zwar mit allen Leuten, mit denen ich es gerade mache. Wir als Band arbeiten nicht mehr an der Karriere, nicht mehr am Erfolg. Wir arbeiten an uns. Also ja: Für mich ist das jetzt der schönste Zustand.

Das Album „Wanda“ ist am 30. September 2022 auf Vertigo Berlin/Universal erschienen Live gibt es die Wiener am 18. März 2023 um 20 Uhr in der edel-optics.de Arena zu sehen und es gibt noch Tickets.

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 03/2023 erschienen.

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