Miria Lottmann: „Mit Offenheit, Engagement und Überzeugung“

Miria Lottmann ist LSBTI*-Ansprechperson der Polizei Hamburg. Ein Gespräch über ihre Arbeit, Einsatzgebiete und die Wege, die Anzahl queerfeindlicher Straftaten zu mindern
„Prävention und Aufklärung sind entscheidend“: Miria Lottmann
„Prävention und Aufklärung sind entscheidend“: Miria Lottmann (©Polizei Hamburg)

SZENE HAMBURG: Miria Lottmann, seit 2016 gibt es hauptamtliche LSBTI*-Ansprechpartner und -Ansprechpartnerinnen bei der Hamburger Polizei. Was waren in den vergangenen fast zehn Jahren deren Hauptaufgaben?

Miria Lottmann: Seit der Einführung im Jahr 2016 übernehmen die hauptamtlichen LSBTI*-Ansprechpersonen der Polizei Hamburg eine zentrale Rolle als Bindeglied zwischen der Polizei und der LSBTI*-Community. Ihr Auftrag ist es, Vertrauen aufzubauen, Diskriminierung entgegenzuwirken und die Belange von LSBTI*-Menschen in der polizeilichen Arbeit zu vertreten. Als erfahrene Polizeibeamtinnen und -beamte mit langjähriger Ermittlungspraxis setzen sie sich gemeinsam mit der Community gegen Hass und Gewalt ein. Sie beraten zu queerbezogenen Themen mit Polizeibezug, leisten Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit und pflegen enge Netzwerke mit queeren Verbänden, Vereinen, Institutionen und Beratungsstellen. Ein besonderer Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Sensibilisierung innerhalb der Polizei durch Schulungen und Vorträge, um eine diskriminierungssensible Polizeiarbeit zu fördern. Darüber hinaus nehmen sie auch Anzeigen zu queerfeindlichen Straftaten entgegen – insbesondere für betroffene Personen, die sich aus Angst oder Scham nicht trauen, eine Polizeiwache aufzusuchen oder Polizeibeamte auf der Straße direkt anzusprechen. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, LSBTI*-Menschen in Hamburg wirksam zu schützen, das Vertrauen in die Polizei zu stärken und die Zivilgesellschaft im Kampf gegen Hass, Gewalt und Ausgrenzung zu unterstützen.

Die Arbeit der LSBTI*-Beauftragten gewinnt spürbar an Bedeutung

Hat sich der Arbeitsalltag der LSBTI*-Beauftragten mit der Zeit verändert, weil auch die Gesellschaft sich verändert hat, positiv wie negativ?

Der Arbeitsalltag der Ansprechpersonen für LSBTI* hat sich in den vergangenen Jahren spürbar gewandelt – im positiven wie im herausfordernden Sinne. Mit unserer seit Oktober 2024 laufenden Kampagne „Wir l(i)eben bunt! Gemeinsam gegen Hass!“ erleben wir eine erfreulich starke Unterstützung und aktive Kooperation aus der queeren Community. Durch den regelmäßigen und vertrauensvollen Kontakt wenden sich zunehmend mehr queere Menschen – insbesondere Trans*-Personen –, direkt an uns, die Cops4Q. Häufig suchen sie über unser Büro im Polizeikommissariat 14 Hilfe – sei es für die Vermittlung in das soziale Beratungsnetzwerk oder für die Anzeigenaufnahme und erste Vernehmung in geschütztem Rahmen. Dieses gestärkte Vertrauen und die höhere Anzeigenbereitschaft sind ein wichtiger und positiver Schritt hin zu mehr Sichtbarkeit und Sicherheit. Gleichzeitig zeigen die aktuellen Zahlen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK), dass queerfeindliche Straftaten zugenommen haben. Hierbei ist jedoch nicht erkennbar, ob die Zunahme auf eine vermehrte Anzahl von Angriffen oder eine höhere Anzeigenbereitschaft von Betroffenen zurückzuführen ist. Bei öffentlichen Veranstaltungen wie dem CSD oder dem Straßenfest St. Georg, aber auch in sozialen Medien werden die Ansprechpersonen teils mit Kritik und Ablehnung konfrontiert, etwa in der Flaggen- und Neutralitätsdebatte. Mit Offenheit, Engagement und Überzeugung setzen sich die Cops4Q auch weiterhin für Sensibilisierung, Sichtbarkeit und den Schutz vor queerfeindlicher Hasskriminalität ein – für eine vielfältige und demokratische Gesellschaft.

Gibt es bei der Hamburger Polizei derzeit flächendeckend Schulungen zu LSBTI*-Themen – und wie sehen die in etwa aus?

Bei der Polizei Hamburg finden flächendeckend Schulungen zu LSBTI*-Themen statt. Diese sind fester Bestandteil sowohl der Aus- als auch der Fortbildung. Die Ansprechpersonen der Polizei Hamburg für LSBTI* (AP LSBTI*) sind aktiv in die Ausbildung an der Akademie der Polizei Hamburg eingebunden. Sowohl in der Ausbildung als auch im Studium bei der Polizei Hamburg sind Themen wie Gleichstellung, Antidiskriminierung und LSBTI*-Belange in verschiedenen Modulen verankert. Ziel ist es, frühzeitig ein diskriminierungsfreies, respektvolles und professionelles Verhalten im Umgang mit LSBTI*-Personen zu vermitteln. Speziell geschulte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bringen zudem das Thema „Hasskriminalität und LSBTI*“ in Dienstgruppen und Sachgebiete ein, um die Sensibilisierung in der gesamten Organisation nachhaltig zu fördern. So stärkt die Polizei Hamburg ihre Kompetenz und Offenheit im Umgang mit der LSBTI*-Community.

Mehr queerfreindliche Straftaten im Bereich St. Pauli als in anderen Stadtteilen Hamburgs

Eines der Haupteinsatzgebiete wegen homo- und transfeindlicher Delikte in Hamburg bleibt der Kiez. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation dort?

Die Zahlen der für Hasskriminalität zuständigen Abteilung des LKA bilden ab, dass es im Bereich St. Pauli in höherem Maße als in anderen Hamburger Stadtteilen zu queerfeindlichen Straftaten und entsprechenden Anzeigen kommt. Vermutlich hat dies damit zu tun, dass sich in diesem Stadtteil die queere Community regelmäßig trifft, feiert und dort offen queer sichtbar ist. Die höhere Zahl der Vorfälle spiegelt jedoch nicht eine besonders queerfeindliche Haltung der Bevölkerung wider, sondern resultiert aus der Vielfalt und dem Zusammentreffen unterschiedlicher Personengruppen, welches zu mehr Konflikten führen kann.

Die Polizei Hamburg beobachtet die Entwicklung anti-queerer Straftaten aufmerksam

Miria Lottmann

Kurzer Ausblick: Wie schätzen Sie, wird sich die Anzahl von anti-queeren Taten in den kommenden zehn Jahren entwickeln? 

Die Polizei Hamburg beobachtet die Entwicklung anti-queerer Straftaten aufmerksam, da viele Vorfälle im Dunkelfeld bleiben und aufgrund dessen nicht polizeilich erfasst werden. Prävention und Aufklärung sind daher entscheidend, um das Bewusstsein der Gesellschaft für queere Themen zu stärken. Die Polizei betont ihre klare Haltung: Alle Menschen sind, wie im Grundgesetz verankert, vor dem Gesetz gleich. Eine konsequente Strafverfolgung schützt Betroffene und stärkt die demokratische Gesellschaft. Darüber hinaus ist es notwendig, deutlich zu machen, dass eine offene und vielfältige Gemeinschaft, in der Menschen ihre sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität frei leben können, zugleich eine sicherere und gerechtere Gesellschaft für alle Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Nur durch eine enge Zusammenarbeit von Polizei, weiteren staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft sowie durch umfassende Bildungsmaßnahmen, kann die Zahl queerfeindlicher Straftaten langfristig gesenkt werden.

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