Es ist immer so eine Sache gewesen mit dem Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart. Stieg man dorthin hinab, spürte man vor allem die Last des Ungers-Gebäudes über sich, fühlte sich ausgeschlossen aus der Welt – und aus dem Jetzt. Doch mit „Isa Mona Lisa“ ist das jetzt Geschichte. Schon der Titel der Schau verströmt die Leichtigkeit, die seither durch die fensterlosen Säle weht, illustriert den Anspielungsreichtum, mit dem die einzelnen Werke sich aufeinander beziehen und das Augenzwinkernde, das die Schau versprüht.
„Isa Mona Lisa“ ist schönste Selbstermächtigung
„Isa Mona Lisa“ hat Wolfgang Tillmans, der einst im Café Gnosa seine erste Ausstellung hatte und 2022 mit einer Retrospektive im MoMA New York geehrt wurde, das Porträt seiner Freundin Isa Genzken genannt. Auf der Lehne eines Sofas sitzt die Künstlerin da, lässig, mit einer Zigarette in der Hand und den sphinxhaften Blick direkt in die Kamera gerichtet. Gleichzeitig sind ein paar Räume weiter einige ihrer großartig ungezügelten Skulpturen zu sehen. Und dann spielt der Titel mit seinen drei Frauennamen auch auf die Erfolgsschau „Caspar David Friedrich“ mit ihren drei Männernamen an. Schönste Selbstermächtigung ist das. Genau wie das mitreißende und beziehungsreiche Geflecht der mehr als 150 Arbeiten. Dazu gehören Gemälde, Zeichnungen, Fotografie, Skulpturen und Rauminstallationen, alle zeitgenössisch – und spannend. Sie stammen aus der Sammlung der Kunsthalle, sind Neuankäufe, Leihgaben aus Privatsammlungen oder Schenkungen, die erstmals zu sehen sind.
So wie der „Salon Livresque“, den der Hamburger Künstler Thorsten Brinkmann 2014 in der Villa eines hanseatischen Sammlerpaars installiert hat. Zehn Jahre später wurde er jetzt in akribischer Kleinarbeit in der Kunsthalle originalgetreu wieder aufgebaut. Selbst die mit Tee und mit Kaffee getränkten Tapeten wurden abgenommen und neu angebracht. Tritt man hinein, kann man sich in Skurrilitäten verlieren, die den Salon durchziehen, in den Oskar-Schlemmer-haften Fotografien Brinkmanns, in Fußbällen, die gleichzeitig Globus sind, geheimnisvollen Objekten, Fundstücken und man kann sich auf die Suche nach einer kleinen, versteckten Bar machen oder es sich mit einem der Bücher, die aus dem Nachlass von Harald Falckenberg stammen, an den kleinen antiken Tischen bequem machen.
Hinreißender Parcours neuer Arrangements
Zwei Jahre lang hat die Kuratorin Brigitte Kölle an der Neuausrichtung des Sockelgeschosses gearbeitet und führt einen dabei mit Arbeiten von 1970 bis heute einen mitreißenden Parcours entlang, der immer wieder neue Beziehungen knüpft und dabei in Bewegung sein wird, neu arrangiert und erweitert.
Weil sie Jannis Kounellis’ Arte Povera aus der Sammlung der Kunsthalle sofort angesprochen hat, baumelt jetzt der lederne „Demolition Ball/Cassius Clay“ der Berlinerin Alexandra Bircken vor dessen Fußspuren und Leinensack-Arrangements und steht ihr aufgeschnittenes Motorrad, das sein Innenleben wie menschliche Eingeweide zeigt, mittendrin. Die somnambule Wasserfarb-Malerei von Silke Otto-Knapp hingegen trifft auf die wolkigen grauen Farbspuren von Thu-Van Tran, die von den verheerenden Entlaubungsmitteln erzählen, die von er US-Armee während des Vietnamkriegs eingesetzt wurden. Und während Nina Carell mit den Signalen eines Ultraschallgenerators Wasser in Bewegung versetzt und so Zement erhärtet, erklingen in unmittelbarer Nähe nach und nach 50 Plattenspieler, auf deren Tellern sich in Melanie Manchots Installation „Alpine Diskomiks“ Schallplatten drehen, auf deren Covern Berge zu sehen sind – von Heavy Metal über Volksmusik zu Pop und Bergsteiger-Chören.
Lautlos hingegen schwebt der menschengroße Ballon „Major Tom“ von Edith Dekyndt durch einen der Eingangsbereiche und geht, durch Körperwärme angezogen, auf Tuchfühlung mit den Besuchenden. Und spitzt man dabei die Ohren, hört man im Hintergrund vielleicht die „Dirty Parrots“ von Gerrit Drohne-Brinkmann, die in einer kleinen Kammer vor sich hinschimpfen.
Bei „Isa Mona Lisa“ Altbekanntes neu sehen
Es ist ein Erlebnis, all das zu entdecken – und Altbekanntes neu zu sehen. Selbst Richard Serras monumentale Bodenarbeit „Measurements of Time, Seeing Is Believing“ für die er zur Eröffnung der Galerie der Gegenwart 1997 mehr als 13 Tonnen Bleischrott einschmelzen ließ, um ihn schließlich glühend heiß an die Kante zwischen Wand und Boden zu schleudern. Ausgerechnet dieser Wucht stellt Brigitte Kölle die Gemälde der Koreanerin Hyun-Sook Song gegenüber, die als Krankenschwester nach Hamburg kam. In hochkonzentrierten, meditativen Bewegungen bringt sie Pinselstriche auf die Leinwand, die in radikaler Reduktion ganze Welten umspannen.
Isa Mona Lisa, Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart, bis 18. Oktober 2026
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 01/2025 erschienen.