Neu im Kino: Gewaltige Gefühle in „Ammonite“

Aus schroffer Ablehnung entsteht starke Zuneigung zwischen Mary (Kate Winslet) und Charlotte (Saoirse Ronan) (Foto: TOBIS Film)
Aus schroffer Ablehnung entsteht starke Zuneigung zwischen Mary (Kate Winslet) und Charlotte (Saoirse Ronan) (Foto: TOBIS Film)

In seinem Film „Ammonite“ erzählt Regisseur Francis Lee eine fiktionale Liebesgeschichte zwischen der real existierenden Paläontologin Mary Anning (Kate Winslet), und der jungen Frau Charlotte (Saoirse Ronan). Ein schöner, ruhiger Film, bei dem die Emotionen so kraftvoll daherkommen wie die Wellen an der rauen Küste

Text: Anna Grillet

Enttäuschungen haben ihre Spuren im Gesicht von Mary Anning (grandios: Kate Winslet) hinterlassen. Der 1799 geborenen Paläontologin und Fossiliensammlerin bleibt als Frau aus der Unterschicht das patriarchalische Wissenschaftsestablishment verschlossen. Schon mit elf Jahren macht sie am Strand von Lyme Regis den spektakulären Fund einer versteinerten Meerechse. Der Ichthyosaurus wird im Britischen Museum ausgestellt, doch nicht unter ihrem Namen, sondern dem eines Mannes.

Feindseligkeit weicht Fürsorge

Kate Winslet und Saoirse Ronan in „Ammonite“ (Foto: TOBIS Film)
Kate Winslet und Saoirse Ronan in „Ammonite“ (Foto: TOBIS Film)

Den kärglichen Lebensunterhalt für sich und die kränkliche Mutter verdient die Mittvierzigerin durch den Verkauf von Fossilien, Souvenirs für Touristen. Ein freudloses Dasein voller Entbehrungen. Überraschend taucht bei Mary ein reicher schottischer Geologe namens Roderick Murchsion auf, mit der Bitte, sich um seine schwermütige Gattin Charlotte (wundervoll: Saoirse Ronan) zu kümmern, sie einzuführen in die Kunst des Aufspürens und Präparierens von Fossilien, während er zu einer vierwöchigen Europareise aufbricht. Die elegante, verwöhnte Charlotte verspürt nur Widerwillen gegenüber dem rauen, stürmischen Meer, der felsigen Küstenlandschaft. Die wortkarge Paläontologin wiederum empfindet den Schützling als unliebsame Störung, zeigt offen ihre Abneigung. Die Kluft zwischen den beiden Frauen scheint unüberwindbar. Doch als Charlotte schwer erkrankt, muss Mary sie daheim pflegen, ihre Feindseligkeit weicht Fürsorge. In dem armseligen engen Häuschen fern jedem Luxus verwandelt sich Charlotte. Ungelenk, fast kokett wirbt sie um Marys Zuneigung. Aus einem zaghaftem Gutenachtkuss entsteht unerwartet Leidenschaft.

Absolute Authentizität

Als „eine innige, aber zugleich schroffe Liebesgeschichte” bezeichnete Regisseur und Autor Francis Lee seinen ersten Film, „God’s Own Country“ (2017). „Ammonite“ ist ähnlich: große gewaltige Gefühle in Nahaufnahme, die Kamera weicht den beiden Protagonistinnen nicht von der Seite. Lees Regiekonzept verlangt absolute Authentizität. Jene Explosion verborgener Emotionen ist atemberaubend und schauspielerisch meisterhaft. In der Umarmung verschwinden die Unterschiede, ob Herkunft oder Alter – ein Akt von fast archaischer Befreiung. Leider war der echten Mary Anning eine solche Beziehung nie vergönnt.

„Ammonite“, Regie: Francis Lee. Mit Kate Winslet, Saoirse Ronan, Gemma Jones. 118 Min. Ab 4. November 2021 im Kino

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