Im chinesischen Teehaus in Rotherbaum, das heute am 17. Januar wiedereröffnet, entsteht Entspannung durch Kulturaustausch
Text: Erik Brandt-Höge
Rund 23 Millionen Menschen, 6.300 Quadratmeter Fläche, XXL-Glitzer-Skyline, größter Containerhafen der Welt: Das ist Shanghai. Die chinesische Metropole ist an Gigantismus kaum zu überbieten, als Wirtschaftsstandort eine globale Macht. Schwer-, Textil- und Elektroindustrie bestimmen die zweitgrößte Stadt des Landes. 13.000 Kilometer entfernt von Hamburg erscheint sie als hochmoderner Riese, wirkt westlicher als manch mitteleuropäisches Zentrum.
Hinter der blitzblanken Hightech-Fassade bietet Shanghai aber auch chinesische Tradition. Fest im Stadtbild verankert und echte architektonische Hingucker sind zum Beispiel Teehäuser. Zwischen den grauen Hochhausarrangements sind kunterbunte Areale dafür angelegt, mit üppig gestalteten Pavillons auf Stelzen, künstlichen Wassergärten und verschnörkelten Holztreppen. Es sind städtische Täler der Entspannung, in denen sich Shanghaier und Touristen vermengen, um bei einer Tasse Tee vom allgegenwärtigen Trubel abzuschalten. Wer teilhaben will an den typisch chinesischen Genussmomenten, muss jedoch keinen Langstreckenflug in Kauf nehmen, sondern nur eine Fahrt nach Rotherbaum.
Prestigeobjekt einer Fernbeziehung
Hamburg und Shanghai sind Partnerstädte, und das schon seit 1986. Gepflegt wird die Fernbeziehung durch Austauschprogramme für Schüler, Studenten und Praktikanten, durch gemeinsam organisierte Veranstaltungen und natürlich durch wirtschaftliches Hand-in-Hand-Gehen. Ein dauerhaftes Symbol der Liaison wurde 2006 in Hamburg errichtet: der Yu Garden in der Feldbrunnenstraße, direkt hinter dem Museum am Rothenbaum, einst Museum für Völkerkunde Hamburg.
Auf einer Fläche von rund 3.400 Quadratmetern wurde ein Teehausensemble nach südchinesischer Bauart hochgezogen. Vorbild: das gleichnamige Teehaus aus der Ming-Dynastie. Hamburg stellte das Grundstück, Shanghai schickte Ingenieure und Bauerarbeiter. Zwei Jahre lang wurde aus Kiefernholz und Taihu-Steinen eine Anlage geschaffen, die einerseits zur Vermittlung chinesischer Kultur an das Hamburger Publikum dienen, andererseits einfach nur schöne, in Rotherbaum durchaus exotische Wohlfühloase sein sollte. Ab September 2008 war der Yu Garden für alle zugänglich. Und Nutzungsmöglichkeiten gab es viele.
Tee & Tagungen
Der mehrteilige Gebäudekomplex hatte einiges zu bieten, etwa im Teepavillon. Bei Schwarz-, Grün-, Reis-, Jasmin- und Chrysanthementee konnte der Hamburger Alltagsstress vergessen werden. Geradezu meditative Wirkung hatten die Aufgusszeremonien unterm Licht der überall aufgehängten Laternen. Ebenso gemütlich, aber deutlich deftiger ging es im anliegenden Restaurant des Yu Gardens zu. Hier wurden Ente, Schwein, Fisch, Frühlingsrollen und Suppen aufgetischt. Ziel des kulinarischen Genusses: eine Kultur durch ihre Küche kennenlernen.
Wem das zu schlicht erschien, der konnte am Kulturprogramm des Hauses teilnehmen, das von zuletzt zwei Hauptmietern auf die Beine gestellt wurde: der Uni Hamburg Marketing GmbH, die vor allem Tagungen und Events durchführte, und dem Konfuzius-Institut der Uni, das sich auch auf Vergnügliches konzentrierte wie Konzerte, Lesungen und Laternenfeste. Auch einen Konfuzius-Chor gab es, dem jeder, der Lust auf chinesisches Liedgut hatte, beitreten konnte.
Es passierte viel im Yu Garden, der Betrieb lief rund. Aber er hinterließ auch Spuren. 2017 erfolgte eine Bestandsaufnahme. Ergebnis: umfangreiche Renovierungsarbeiten waren dringend notwendig. Und selbst die waren ein chinesisch-deutsches Gemeinschaftsprojekt. Die Shanghaier Seite bot erneut Spezialisten auf, die zusammen mit der Baufirma CZICC Mannheim vom Marmorboden bis zur goldfarbenen Decke, von den rotbraunen, fein verzierten Fensterrahmen bis zu den winzigen Ziegeln der geschwungenen Dächer allerhand runderneuerten.
Auf zur Wiedereröffnung
Sprung in die Gegenwart. Beim Ortsbesuch Anfang Dezember, zu dem der neue Hauptansprechpartner für das Ensemble, Wolfgang Wen, Präsident verschiedener chinesischer Vereine in Hamburg, einlädt, ist noch nicht alles fertig für die geplante Wiedereröffnung am 17. Januar. Das Wasser im Garten: trüb-grün. Die Pflanzen: farblos und schlaff. Im Inneren bedeckt Baustaub die Fliesen. Tische, Stühle und Bänke stehen nicht am gewohnten Platz. Einzig ein riesiger Aufsteller mit Bild von der Shanghaier Skyline bei Nacht funkelt schon im Eingangsbereich.
Dennoch: Wen wirkt sorglos, was den anvisierten Wiedereröffnungstermin angeht, freut sich gar euphorisch, wenn er davon erzählt. Ganz sicher sei er, dass der gewohnte Schulterschluss zwischen Stadt, Nachbarschaft und Gästen aus China einmal mehr bereichernd sein wird. Schließlich hätte das Yu Garden-Geflecht aus Gastronomie, Wirtschaft und Kultur bereits bewiesen, wie gut es für viele verschiedene Menschen in der Stadt funktionieren kann.
Zum erneuten Erfolg werde dann auch das Konfuzius-Institut seinen Teil beitragen, so Wen, weil es von Sprachkursen bis zum Singkreis wie zuvor zig Programmpunkte habe. Und das Restaurant, jetzt gemietet von Qiuyi Chen, Präsident der Hamburger China-Gesellschaft, werde die Tradition Shanghais in Hamburg einmal mehr abrunden.
Yu Garden: Feldbrunnenstraße 67 (Rotherbaum)
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Dezember 2019. Das Magazin ist seit dem 20. Dezember 2019 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!