Erster Lachflash, letzte Trennungsträne, Dauer-WG-Party bis zur Selbstauflösung – deine Lieblingsband war immer nur einen Beat weit entfernt. Solokünstler geben ihren Fans eine Stimme. Deine Lieblingsband gab dir drei. Und fette Punchlines obendrauf. Als ihr euch kennengelernt habt, warst du süße 16. Dann seid ihr zusammen alt geworden. Auch wenn du dir sonst nichts merken kannst, kennst du jeden ihrer Reime auswendig, und das sollen zu vorgerückter Stunde auch alle wissen. Dass deine Kinder ideenfreie Texte von nuschelnden Hustensaftopfern hören, siehst du ihnen milde nach. Du durftest Geburt und Aufstieg eines ganzen Musikstils erleben – sie seinen Niedergang. Zugegeben: Du hättest richtig Bock drauf, ihnen und ihren Freunden mal reinzupflegen, dass nur 90er HipHop echter HipHop ist. Und nur der! Du lässt es lieber sein.
Bis der Tag kommt, an dem du dich zum ersten Mal so alt fühlst wie du aussiehst: Deine Lieblingsband hat ihre Auflösung bekannt gegeben. Die Nachricht erwischt dich schutzlos wie der Tod deines ersten Haustiers. Nur, dass du am liebsten dich irgendwo eingraben würdest. Mit Vinyl als Grabbeigabe. Du legst noch mal die alten Platten auf, bringst wieder Knistern in dein Leben. Zu jeder Erinnerung gibt’s einen Song, zu jedem Filmriss erst recht. Deine Lieblingsband mag auf immer verstummt sein, ihre Musik ist es nicht. Du machst das nächste Bier auf, spielst ihre Hymnen rauf und runter. Volle Lautstärke die ganze Nacht. Deine Nachbarn trommeln an die Wand, stampfen auf den Boden und schütteln den Kopf. Im Takt.
Markus Gölzer ist textender Exil-Bayer und lebt seit über 20 Jahren auf St. Pauli. Seine Kolumne „Offen gesagt“ erscheint jeden Monat in der SZENE HAMBURG.