Theaterkritik: Spatz und Engel

„Spatz und Engel“ im Ernst Deutsch Theater ist ein Liederabend mit Handlungsfragmenten
Zwei Diven im Andrang der Gefühle: Marlene Dietrich (Anika Mauer) und Edith Piaf (Vasiliki Roussi) (©Barbara Braun/drama-berlin.de)
Zwei Diven im Andrang der Gefühle: Marlene Dietrich (Anika Mauer) und Edith Piaf (Vasiliki Roussi) (©Barbara Braun/drama-berlin.de)

Edith Piaf (Vasiliki Roussi) steht auf der Bühne und singt inbrünstig. Gerade ist der Spatz von Paris dabei, mit „Padam, Padam“ Amerika im Sturm zu erobern. Marlene Dietrich (Anika Mauer) hat den Auftritt in New York für sie arrangiert und bleibt diskret im Hintergrund, während der Rauch ihrer Zigarette die Piaf wie ein Schutzschild umgibt und im Scheinwerferlicht leuchtet wie eine Gloriole. Das Stück „Spatz und Engel“ von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry erzählt am Ernst Deutsch Theater (EDT) in der Regie von Torsten Fischer die teils wahre, teils aus Legenden gestrickte Freundschafts- und Liebesgeschichte der französischen Chansonette und der deutschen Diva.

Brillante Hauptdarstellerinnen

Die vom Renaissance-Theater Berlin in Kooperation mit dem EDT produzierte Inszenierung entpuppt sich als Liederabend mit Handlungsfragmenten und lebt von den brillanten Hauptdarstellerinnen. Während Roussis Piaf durch die mit Verve intonierten Chansons von „Milord“ bis „Non, je ne regrette rien“ aufersteht, gelingt es Mauer bravourös, die Wesensmerkmale der Dietrich zu vereinen: ihre Verführungskunst, der auch Edith nicht widersteht. Ihre Haltung und Güte. Ihre Schnoddrigkeit. Und die Mütterlichkeit, mit der sie die Liebeskummer-kranke, morphiumsüchtige Freundin ebenso einhüllt, wie mit dem bühnenwirksamen Zigarettenrauch.

Auch Marlene singt, im Zylinder, im Glitzerkleid, mal französisch („La vie en rose“), mal englisch oder deutsch: Ein Höhepunkt des Abends ist ihr schnelles „Sag mir, wo die Blumen sind“. Derweil bricht das Leben der Piaf, das auf der Theaterbühne vor einem großen, von Neonröhren gerahmten Spiegel spielt, auseinander. Die rasant wechselnden Männer (in allen Nebenrollen: Ralph Morgenstern und Guntbert Warns) sind kein Trost und der Körper versagt. Im Epilog existiert sie nur noch als Geist, in einer Vision der gealterten Dietrich.

„Spatz und Engel“ läuft seit dem 20. April 2023 im Ernst Deutsch Theater, Dernière ist am 27. Mai 2023.

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 05/2023 erschienen.

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