Dass Leben hier verschlungen werden, das macht der mexikanische Regisseur Alonso Ruizpalacios gleich am Anfang klar. Als er die blutjunge Migrantin Estela (Anna Diaz) an einem grauen New Yorker Morgen in ein Gedärm aus Gängen schickt, die mitten hinein in die Großküche des Restaurants The Grill führen. Dort ackern illegale Einwanderer wie sie im Akkord, damit den Touristen am Times Square überteuerte Gerichte serviert werden können. Und während Kellnerinnen wie die Amerikanerin Julia (Rooney Mara) in dem lichtdurchfluteten, pompösen Restaurantambiente herumeilen, um alle Wünsche zu erfüllen, brodelt es in der unterirdischen Küche.
Vom Tellerwäscher zum Millionär steigt hier niemand auf. Stattdessen hofft der mexikanische Hilfskoch Pedro (Raúl Briones) auf das Herz von Julia – und auf eine Arbeitserlaubnis; auch, um nicht in der unerbittlichen Hierarchie und in dem Überlebenskampf, der in der Küche herrscht, zerrieben zu werden. Dort wird gebrüllt und gedroht, in der Pause im Hinterhof erzählt man sich zwar schon mal aus seinem Leben, doch in den Stoßzeiten fahren alle die Ellenbogen aus, um den Job nicht zu verlieren.
„La Cocina“ ist die Adaption eines Theaterstücks
Und Regisseur Ruizpalacios, bekannt für „Narcos“ und den preisgekrönten Kunstraubkrimi „Museum“, weiß, wovon er spricht, denn als Schauspielstudent in London hat er selbst als Tellerwäscher geschuftet. Weil der Job so hart und monoton war, träumte er sich dabei immer wieder in Arnold Weskers Theaterstück „The Kitchen“ hinein, das in den Sechzigerjahren Furore machte – und das er für „La Cocina“ adaptierte. Und zwar in leuchtenden Schwarz-Weiß-Bildern und mit einer Kamera, die mal dokumentarisch ist, um dann in einer 14-minütigen Einstellung durch die Rushhour der Küche zu schweben; die herumwirbelt, über Schneidebretter und in Kochtöpfe führt, um dann wieder in dunklen Ecken zu verschwinden.
Von dem so populären Foodporn ist das alles weit entfernt. Stattdessen gibt die Cherry-Coke-Maschine den Geist auf und das toxisch-süße Gesöff flutet langsam den Boden der Cocina – ein Abbild der Welt des Spätkapitalismus und des Rassismus. Hochaktuell war das alles schon, als das Küchendrama letzten Februar im Wettbewerb der Berlinale lief. Und ist es seit der vergangenen US-Wahl umso mehr.
„La Cocina“, Regie: Alonso Ruizpalacios. Mit: Rooney Mara, Raúl Briones, Anna Diaz. 139 Min. Ab dem 16. Januar 2025 im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 01/2025 erschienen.