Ministry of Silly Walks

Reggae-Cowboys: Joscha und Oliver (links) in Aethiopien

1991 in Hamburg gegründet, gehört Silly Walks zu den bekanntesten Reggae/Dancehall-Soundsystems in Europa. Die Crew um Oliver Schrader und Joscha Hoffmann feiert am 10.9. ihren 25. Geburtstag im Gruenspan

SZENE HAMBURG: Zunächst der Blick zurück. Welche Highlights der letzten Jahre dürfen nicht unerwähnt bleiben?

Oliver Schrader: Da haben sich unzählige schöne Erinnerungen angesammelt und das ist jetzt natürlich etwas random. Auf Hamburg bezogen sind das unsere Strandpartys am Schröders Elbpark, die waren großartig. Die Dub-Abende mit Ire Hifi und Iration Steppas, einige Flora-Partys, der Mittwoch in der Astra-Stube, unser 20-jähriges Jubiläum im Uebel & Gefährlich und allgemein immer ganz besonders: Neue Musik zu veröffentlichen.

Wie seid ihr damals zu dieser Musik gekommen?

Ich habe hauptsächlich Punkrock, phasenweise auch Ska und Reggae gehört. Ende der Achtziger hat’s bei mir richtig gefunkt, seitdem ist Reggae meine große musikalische Liebe. Joscha, der etwas jünger ist, ist mit Ska aufgewachsen und ebenfalls von dort zum Reggae gekommen. Die Musik war aus den Bob-Marley-Zeiten noch sehr populär, es gab viele Konzerte mit vielen Besuchern. Aber hauptsächlich haben die großen Roots Acts wie Dennis Brown, Culture, Inner Circle die Hallen gefüllt. Dancehall wurde weitgehend übersehen. Macka B war da das Äußerste. Die Szene, die auf modernen jamaikanischen Dancehall Reggae stand, passte in ein Wohnzimmer.

Euer erstes „Wohnzimmer“ war besetzt. Wie wichtig war eine solche Umgebung für eure Anfänge?

Die „Ministry of Silly Walks“. Das war eine als Partylocation besetzte Etage in einem Bürohaus in der Großen Bäckerstraße, beim Rathausmarkt um die Ecke. Dort waren die ersten Partys und nach dem Haus haben wir uns benannt. Auch in der Roten Flora und in der Hafenstraße haben wir viel gemacht, einfach weil es Orte waren, wo das möglich war.

Was hat sich seitdem an der Hamburger Szene verändert?

Reggae und Dancehall sind seit Langem nicht mehr aus der Ausgehkultur wegzudenken. Das ist großartig. Was mich allgemein – nicht nur in Hamburg – aber ein bisschen nervt, ist, dass Reggae und Dancehall als Genres immer weiter auseinanderdriften. Das schlägt sich auch beim Publikum nieder. Ein Teil der Dancehall-Crowd hat gar keinen Bezug zum Reggae mehr und umgekehrt verweigern sich einige Reggae-Leute auch der aktuellen musikalischen Entwicklung auf Jamaika.

Die Spex schrieb vor Jahren, Silly Walks habe Hamburg zum wichtigsten Ort für Dancehall in Deutschland entwickelt. Ist das immer noch so?

Reggae ist fest in der Hamburger Clubkultur verankert. Die Stadt ist ein guter Standort und für uns persönlich natürlich zentral, aber für Kölner ist eben auch Köln wichtig, für Stuttgarter Stuttgart. Die Musik ist nach wie vor sehr präsent. Jedes Wochenende finden Partys statt und viele Reggae- und Dancehall-Artists, die in Europa unterwegs sind, stoppen in Hamburg.

Deutsche Stars wie Patrice und Gentleman waren früh mit Silly Walks verbunden. Wie ist der Kontakt heute?

Gentleman ist ein guter Freund und auch mit Patrice haben wir einen wirklich guten Draht. Beide sind bei vielen Jubiläumshows dabei und auf unserem aktuellen Album „Smile Jamaica“.

… welches ihr seit März europaweit präsentiert. Wofür steht Smile Jamaica?

Das Album ist nach dem Song von Chronixx benannt. Das Stück war ein weltweiter Reggae-Hit, es ist auf Jamaika so eine Art inoffizielle Nationalhymne und bisher unser größter Erfolg als Produzenten.

Letztes Jahr wart ihr mit Viva con Aqua unterwegs. Was hat diese Reise für euch bedeutet?

Viva con Agua ist ein sehr unterstützenswertes Projekt von unheimlich netten Leuten, die Einmaliges leisten. Wir hatten schon häufiger etwas mit ihnen gemacht, kennen uns schon länger, aber bis zur gemeinsamen Reise nach Äthiopien war uns nicht klar, wie elementar wichtig jeder einzelne Brunnen für so viele Menschen ist. Wir wollen bald wieder so eine Reise machen, hoffen, dass es im nächsten Jahr klappt.

Gibt es andere Hilfsprojekte oder politisches Engagement von Silly Walks?

Wir stehen einem Projekt namens HELP Jamaica nahe. Die betreiben eine Bibliothek in einem Kingstoner Ghetto. Schüler bekommen hier gratis Nachhilfeunterricht und Computerkurse, Erwachsene können lesen lernen. Und wir legen gelegentlich auf Antifa-, „Kein Mensch ist illegal“- oder „Recht auf Stadt“-Veranstaltungen auf.

Eure Jubiläumsparty ist im Gruenspan. Was ist für den Abend geplant?

Es wird eine Mischung aus Soundsystem-Entertainment und Livemusik geben. Als Backing Band ist Gentlemans Band „The Evolution“ am Start, die auch die meisten Tracks auf unserem neuen Album eingespielt hat. Die anderen Gäste sind Überraschungen. Wir werden auf jeden Fall einiges bieten.

Wie geht es danach mit Silly Walks weiter?

Als Nächstes erscheint ein neues Video mit der „Queen of Reggae“ Marcia Griffiths und zu einigen der Riddims auf dem „Smile Jamaica“-Album wird es Jugglings geben. Für den Winter planen wir Gigs in Brasilien und Costa Rica und wollen auf Jamaika neue Songs aufnehmen. In Hamburg bauen wir gerade eine neue Clubreihe namens „High Voltage“ im Volt auf. Wir haben sogar eigens eine Anlage dafür bauen lassen! Am 9. September ist dort die Warm-up-Party für die Jubiläumsfeier. Die weiteren Abende finden immer am 2. Freitag des Monats statt.

Interview: Ole Masch

Gruenspan
Große Freiheit 58 (St. Pauli)
10.9., 23 Uhr
Tickets online oder im im Selekta Reggae Record Shop

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