SZENE HAMBURG: jule, gibt es ein Wort, das deine verschiedenen Gefühlszustände im Entstehungsprozess von „es ist nie zu spät für frühstück“ ganz gut beschreibt?
jule: Ich glaube, das Wort wäre rastlos. Das zieht sich irgendwie durch alles, was ich schreibe. Beim Album war ich oft irgendwo zwischen Zweifeln und Antrieb, zwischen „Ich will, dass sich was bewegt“ und „Ich weiß gar nicht, wohin eigentlich“. Dieses Gefühl, innerlich ständig in Bewegung zu sein, obwohl man eigentlich nur mal kurz stillstehen will.
Was sich unangenehm anfühlt, ist meistens das, was echt ist
jule
Eine Frage, die du passenderweise gleich im ersten Stück des Albums stellst, lautet: „Wie verletzlich darf ich mich denn zeigen?“ Hast du dir darüber auch bezüglich des Songwritings Gedanken gemacht, also wie ehrlich und direkt dein Beschreiben von Erfahrungen und Gefühlen wohl sein sollte?
Ich habe viel drüber nachgedacht, wie viel ich zeigen darf, ohne dass es unangenehm wird. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass das genau der Punkt ist. Das, was sich unangenehm anfühlt, ist meistens das, was echt ist. Also habe ich aufgehört, so viel zu zensieren, und einfach geschrieben, wie es sich angefühlt hat.
jule: Texte, Ängste und Arrangements
In den Songs erzählst du von Ängsten, Narben auf dem Unterarm, einem Kaputt-sein – aber du singst auch: „Ich will etwas ändern, damit sich in mir was ändert.“ Hat das Aufschreiben von all dem – ganz klischeehaft Kunst als therapeutisches Werkzeug gedacht – vielleicht mit der Zeit etwas mit dir gemacht?
Anfangs war’s eher ein Ventil, später mehr wie ein Spiegel. Ich sehe in den Songs, was ich eigentlich die ganze Zeit gefühlt habe, aber nicht sagen konnte. Es hat mir geholfen, klarer zu werden, auch wenn’s wehgetan hat.
Verpackt sind deine Geschichten mal in ganz intim arrangierten Klavierballaden, mal in knalligen Gitarrenstücken. Haben dir bestimmte Arrangements besonders viel Spaß gemacht, sodass auf Album Nummer zwei womöglich noch mehr davon zu hören sein werden?
Am meisten Spaß gemacht hat mir, das Album bei einem Freund im Studio aufzunehmen. Er ist nicht nur ein toller Produzent, sondern auch jemand, dem ich vertraue. Es hat sich gut angefühlt, ihn mit in meinen Kopf nehmen zu können, ohne Angst davor zu haben. Und dass es jetzt unter anderem ein Schlagzeug gibt, ist super toll. Das hat den Songs irgendwie total gutgetan. Ich hatte diesmal das Gefühl, dass einfach alles da sein darf: ruhige, intime Momente, aber auch laute, druckvolle. Für ein nächstes Album wünsche ich mir, das noch weiter auszubauen. Ich mag den Kontrast zwischen diesen beiden Welten, wenn’s textlich weh tut, aber musikalisch nach vorne geht.

