Es sind Momente großer Intimität in einer denkbar ungewöhnlichen Situation: Pierre (Melvil Poupaud), ein junger Arzt, sitzt mit der attraktiven, älteren Shauna (Fanny Ardant) in der Dunkelheit einer nächtlichen Klinik-Cafeteria. Der Snack- und Getränkeautomat erleuchtet die Szene. Shauna trauert um ihre sterbende Freundin, Pierre tröstet sie. Dann wird er zu einem anderen Patienten gerufen. Es vergehen 15 Jahre, bis sich der inzwischen etwa 45-jährige Pierre und die knapp 70-jährige Shauna wiedertreffen. Und Pierre? Er scheint wie vom Blitz getroffen, von einer Faszination von und Liebe zu dieser älteren Frau überwältigt. Die beiden beginnen eine Affäre, die schnell trotz vieler Widerstände zu einer Beziehung wird. Pierre verlässt seine Frau (Cécile de France), die er liebt und schätzt, samt Kindern. Er will mit Shauna den Rest seines Lebens oder vielmehr ihres Lebens verbringen. Denn Shauna leidet an Parkinson und ist sich ihrer zunehmenden Gebrechlichkeit mehr als bewusst.
Eine zerstörerische und ehrlichen Liebe und eine schmerzhafte Realität
Regisseurin Carine Tardieu („Eine bretonische Liebe“) erzählt voller Empathie von dieser Liebe zwischen einem jüngeren Mann und einer sehr viel älteren Frau, einer Konstellation, die selbst in Frankreich noch immer, wenn nicht für Entsetzen so doch für Irritation sorgt. Ihr gelingt es, diese Liebe nicht zu skandalisieren, sie ist vielmehr alternativlos – vor allem für Pierre, der Shaunas fortschreitende Krankheit erkennt, ihr mit Liebe und praktischer Unterstützung begegnet. Doch Shauna will ihm keine Last sein. All ihren Figuren begegnet Tardieu mit liebevoller Unvoreingenommenheit: Pierres Frau, die schnell begreift, auch als sie vom Alter ihrer Nebenbuhlerin erfährt, dass es sich nicht um eine kurze Liebschaft handelt, den leidenden Pierre, die zweifelnde Shauna. Sie alle sind in ihrem Handeln, ihren Gefühlen absolut nachvollziehbar. Tardieu erzählt von einer zerstörerischen und einer ehrlichen Liebe und der schmerzhaften Realität des Alterns. Der Originaltitel dieser mutigen und sehr berührenden Geschichte lautet „Les jeunes amants“, die jungen Liebenden, ein sehr viel schönerer und auch ehrlicherer Titel als der deutsche.
„Im Herzen jung“, Regie: Carine Tardieu. Mit Fanny Ardant, Melvil Poupaud, Cécile de France. 115 Min. Ab dem 3. August 2023 im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 08/2023 erschienen.