SZENE HAMBURG: Christian Griebel, drei Quadratkilometer ist die Insel Neuwerk groß. Würden Sie sagen, Sie kennen jeden Quadratmeter in- und auswendig? Oder werden Sie von der Insel auch noch überrascht?
Christian Griebel: Im Grunde kenne ich jeden Quadratmeter. Ganz große Überraschungen erlebe ich nicht. Aber ich bemerke Veränderungen, wenn ich an manchen Orten länger nicht war.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel im Watt. Das ist auch etwas, worüber wir uns auf der Insel oft unterhalten: Wie ist die Verbindung zur Insel? Was machen die Priele?
Haben Sie einen Lieblingsort auf Neuwerk, an den es Sie regelmäßig zieht?
Es gibt eine Strecke im Vorland, wo ich sehr gerne Joggen gehe. Gerade im Winter, wenn keine Gäste da sind, ist es dort sehr entspannend. Und es gibt in der Nähe unseres Hauses eine Bank auf dem Deich. Wenn man dort sitzt, schaut man direkt auf die Elbe. Dieses Bild, vor allem bei Sonnenuntergang, ist schon sehr schön.
Zählt zu Ihren Inselhighlights auch die Ruhe, die man auf Neuwerk hat, wenn gerade keine Hochsaison ist?
Sie sprechen die Hochsaison an. Im Sommer ist es so, dass wir viele Tagesgäste haben. Die fahren zum Beispiel vormittags mit dem Wattwagen los oder gehen zu Fuß zur Insel. Wenn dann die Flut kommt, sind sie in der Regel noch da, laufen etwas herum oder sitzen im Restaurant und warten auf ein Schiff zum Festland. Wenn sie beispielsweise gegen 17 Uhr die Insel verlassen, bleiben aber noch Hotelgäste. Von daher arbeiten wir eigentlich durch und haben nie wirklich Ruhe. Die Ruhe kommt im Winter, und dann sind wir auch sehr froh darüber. Dann atmet die Insel ein bisschen durch.
Wir sind derzeit so wenige wie noch nie
Christian Griebel
Neuer Wohnraum für Neuwerk?
Jährlich waren es mal 120.000 Neuwerk-Besucher, durch Corona wurden und sind es nach wie vor etwas weniger …
… weil unter anderem die vielen Busreisen mit Tagesgästen und die Firmenausflüge zahlenmäßig noch nicht wieder auf dem alten Stand sind. Es dürfen zukünftig gerne wieder mehr werden.
Das gilt sicher auch für die Bewohnerzahl von Neuwerk: Aktuell leben 21 Menschen auf der Insel, Tendenz zuletzt abnehmend.
Das ist ein großes Thema bei uns. Wir sind derzeit so wenige wie noch nie. Das liegt auch daran, dass uns vor drei Jahren eine große Familie verlassen hat. Die Kinder mussten auf dem Festland in die Schule. Wir haben also stark abgebaut, und eine Gegenbewegung ist schwierig, weil es eigentlich gar keinen freien Wohnraum gibt. Deshalb sind wir auch in Verhandlungen mit der Hamburger Politik. Es gibt einen Bereich auf der Insel, wo früher ein großer Bauernhof war. Dort würden wir gerne ein Bauprojekt verwirklichen, durch das für zehn bis 20 neue Insulanerinnen und Insulaner Wohnraum geschaffen werden würde.
Neuwerk: Natur und Meer
Fühlen Sie sich bei dem Vorhaben von Politik-Seite ausreichend unterstützt?
Ja, die Stadt Hamburg macht schon viel. Zum Beispiel ist durch einen Sturm unser Anleger futsch gegangen. Für einen neuen sind wir mit der Stadt – ebenso wie für andere Projekte – in einem guten Austausch.
Sind für diesen Austausch vor allem Sie als Inselobmann zuständig?
Genau, das ist mein Auftrag. Mein Vorgänger hatte noch eine halbe Stelle beim Bezirk Hamburg-Mitte, mit meinem Amtsantritt fiel die weg. Aber ich bin so oder so für die Stadt Hamburg tätig, bündele die Meinungen der Neuwerker und gebe sie an die Hamburger Politik weiter – und umgekehrt.
Hamburgs Erster Bürgermeister Tschentscher, der Neuwerk kürzlich besuchte, prophezeit der Insel „eine große Zukunft“. Was halten Sie von dieser Aussage?
Ich bin mit ihm einer Meinung, dass die Insel großes Potenzial hat. Ich merke das auch an Gästen, die noch nie auf Neuwerk waren, und dann hier sagen: „So schön hatten wir uns das gar nicht vorgestellt, wir kommen auf jeden Fall wieder!“ Das Potenzial auszuschöpfen, hängt aber natürlich auch von Manpower ab, und die fehlt uns gerade ein bisschen. Wir können unsere Betriebe oftmals nicht voll ausfahren, weil es nicht genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Klar, die Natur und der Naturschutz sind unser Kernangebot, aber wir können uns nicht nur darauf konzentrieren. Man kann noch viel mehr erleben auf der Insel. Im Hamburger Rathaus gibt es dieses Jahr noch eine große Ausstellung zu Neuwerk. Insofern hoffe ich, dass wir mit allem, was wir haben, bei noch mehr Menschen auf den Plan treten werden.
Infos zur Anreise mit dem Schiff, dem Wattwagen oder zu Fuß: mein-neuwerk.de/anreise
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 03/2024 erschienen.