North West: „Wir sind größenwahnsinnig“

Das Indie-Pop-Quartett aus Leer zog 2019 nach Hamburg – um ganz groß rauszukommen. Sänger Dennis Gall über die Sound-Findungsphase, das Debütalbum „Hamburg“ und die Hoffnung auf eine internationale Karriere 
„Wir würden gerne mal in Amerika touren“: Dennis Gall (2. v. l.) und North West (©Ralf Kornmann)
„Wir würden gerne mal in Amerika touren“: Dennis Gall (2. v. l.) und North West (©Ralf Kornmann)

SZENE HAMBURG: Dennis, eure Heimat ist Leer, eure Wahlheimat ist Hamburg. Erfolgte der Umzug vornehmlich aus privaten oder aus künstlerischen Gründen?

Dennis Gall: Vor allem aus künstlerischen. 2019, relativ bald nach Bandgründung, sind wir nach Hamburg-Bahrenfeld gezogen und haben eine WG gegründet. Wir dachten, das wäre der nächste Schritt für uns. Unter anderem haben wir uns durch den Hamburg-Umzug neue Kontakte erhofft, um im Musikgeschäft mehr anzukommen. Tatsächlich haben wir auch schnell welche knüpfen können.

Wie muss man sich eure Band-Wohnung so vorstellen? Ganz klischeehaft: Instrumente überall, Mini-Proberaum mit Eierkartons und ein Küchentisch, an dem mehr geschrieben wird als gegessen?

Schon so in der Art. Das mit den Eierkartons zwar nicht, aber bei uns stehen überall Tour Cases und Instrumente herum. Wir haben alle Jobs (Dennis ist Veranstaltungsmanager, Schlagzeuger Sven de Vries ist Elektriker und Hausverwalter, Keyboarder Jonas Vehndel ist Banker, Bassist Patrick Zersen ist Buchhalter; Anm. d. Red.), aber sobald wir nach Hause kommen, geht es nur noch um Musik. Zurzeit fließt unser jeweiliger Lohn komplett in Miete, Musikproduktion – wir haben ein kleines Studio in der Wohnung, wo wir unsere Demos aufnehmen – und Marketing. Es bleibt kein Cent übrig, wir machen sogar minus.

North West: Freunde und Kollegen

Hat sie nur Vorteile, die Band-Bude – oder ist das auch mal nervig, die Freunde, aber eben auch berufliche Kollegen ständig um sich zu haben?

Bei uns funktioniert es ausgesprochen gut, wir gehen uns nie auf die Nerven. Es gab eine Zeit, als unser Drummer sein Schlagzeug oben auf dem Dachboden hatte, um dort zu üben. Das war schon nervig, aber irgendwann haben wir andere Möglichkeiten gefunden und seitdem ist alles bestens.

Als North West habt ihr bereits vor Hamburg, also noch in Ostfriesland, Musik veröffentlicht. Eine EP war das – die ihr, wie es heißt, heute gar nicht mehr so gerne hört …

Na ja, wenn wir sie hören, ist es schon ein schöner Rückblick auf eine sehr experimentelle Zeit. Wir haben damals, im Spätsommer 2018, versucht herauszufinden, wie North West klingen könnte. Als wir kurz darauf nach Hamburg zogen, haben wir uns aber schnell weiterentwickelt und gemerkt, wie viel besser das alles geht – auch, was meine Texte betrifft. Wenn man unsere jetzigen Songs hört, sind die schon sehr anders als das, was auf der EP zu hören ist. Es ist alles etwas aufgeräumter. Ich würde auch sagen: erwachsener.

Inspiration aus den britischen 2000ern

Der „Hamburg“-Sound ist typisch amerikanisch-indie-poppig und stark geprägt von deinem Gesang. Schon mal Brian-Molko-Vergleiche gehört?

(lacht) Bis jetzt noch nicht. Eine Band, die mich eher und schon sehr früh inspiriert hat, war Oasis. Gesanglich würde ich auch sagen, dass ich in den britischen 2000ern zu verorten bin.

Wir kämpfen dafür, mit guten Songs möglichst weit zu kommen

Dennis Gall

Apropos Rockstars: Ist da auch ein Höher-schneller-weiter-Gedanke innerhalb der Band?

Ja, auf jeden Fall. Unser Ziel ist es, Musik zu machen, die qualitativ sehr gut ist und von vielen gehört wird. Wir kämpfen dafür, mit guten Songs möglichst weit zu kommen. Wir sagen ja auch in einem unserer Songtexte, in dem vom Titelsong „Hamburg“, dass wir größenwahnsinnig sind (lacht).

Worin drückt sich das Band-Attitüden-technisch aus?

Zum Beispiel darin, dass wir sagen: Wir würden gerne mal in Amerika touren – am liebsten so schnell wie möglich. Wir planen, unsere nächsten Alben nach den Städten zu benennen, in die wir zuletzt gezogen sind. Vielleicht ist ja das nächste Album schon nach einer Stadt in Amerika benannt. Und irgendwann, wenn wir nach Leer zurückziehen sollten, wird natürlich auch die Stadt Titel.

Hamburg“ ist am 14.4. erschienen (DanCan Management/Indigo/The Orchard)

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 05/2023 erschienen.

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