„Nostalgia“: Verlorene Vergangenheit

Mit „Nostalgia“ gelingt Regisseur Mario Martone („L’amore molesto“) ein elegisches Schuld-und-Sühne-Drama in der Camorra-Bastion von Neapel, Darsteller Pierfrancesco Favino überzeugt in der Rolle des von Nostalgie erfüllten Heimkehrers
Felice Lasco (Pierfrancesco Favino) kehrt nach knapp 40 Jahren in seine Heimatstadt Neapel zurück (©Picomedia / Mad Entertainment / Medusa Film / Rosebud Entertainment Pictures)
Felice Lasco (Pierfrancesco Favino) kehrt nach knapp 40 Jahren in seine Heimatstadt Neapel zurück (©Picomedia / Mad Entertainment / Medusa Film / Rosebud Entertainment Pictures)
„Nostalgia“ nach dem gleichnamigen Roman von Ermanno Rea, ab dem 8. Juni im Kino (©Picomedia / Mad Entertainment / Medusa Film / Rosebud Entertainment Pictures)
„Nostalgia“ nach dem gleichnamigen Roman von Ermanno Rea, ab dem 8. Juni im Kino (©Picomedia / Mad Entertainment / Medusa Film / Rosebud Entertainment Pictures)

Nach 40 Jahren kehrt der in Kairo lebende Felice Lasco (grandios: Pierfrancesco Favino) zum ersten Mal zurück in seine Heimatstadt Neapel. Er ist erfolgreicher Geschäftsmann, glücklich verheiratet und offensichtlich Muslim. Berührend das Wiedersehen mit der greisen, fast erblindeten Mutter, die wenig später stirbt. Schon bald kann Felice sich nicht mehr trennen von Rione Sanità, dem Viertel seiner Kindheit, mit den verwinkelten alten Gassen, den Barockkirchen und verfallenen Palazzi. Hier herrschen Armut und die Camorra, niemand wagt sich aufzulehnen außer Padre Luigi, dem sich Felice anvertraut.

Die wehmütigen Erinnerungen an die Zeit als Fünfzehnjähriger und seinen Freund Oreste entwickeln sich für den Protagonisten zum romantisch trügerischen Labyrinth, aus dem er sich nicht befreien kann oder will. Auf einem Motorroller folgt er den Spuren von einst, die Sehnsucht nach der Vergangenheit macht ihn blind für die Veränderungen der Stadt, jene bedrohlich wachsende Brutalität der organisierten Kriminalität. Sein ehemals bester Freund, Oreste Spasmano (Tommaso Ragno), ist heute ein gefürchteter skrupelloser Gangsterboss, sein Aufenthaltsort streng geheim. Doch Felice ist überzeugt davon, dass nichts ihre Freundschaft zerstören könne. Er will ihn treffen um jeden Preis, schlägt alle Warnungen in den Wind.

Nostalgia: subtil, atmosphärisch, stark

„Nostalgia“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ermanno Rea. Regisseur Mario Martone („L’amore molesto“) gelingt ein subtiler atmosphärisch starker Thriller über Schuld und Sühne, eindringlicher als manch glamourös aufwendiges Mafia-Epos. Überragend die Visualisierung der Erinnerungen und inneren Konflikte. Ähnlich einem Puzzle setzt sich die Vergangenheit Stück für Stück zusammen, wir begreifen, warum der damals 15-Jährige Neapel überstürzt verlassen musste und weshalb er in Gefahr schwebt, ohne es wahrhaben zu wollen. 

„Nostalgia“, Regie: Mario Martone. Mit Pierfrancesco Favino, Francesco Di Leva, Tommaso Ragno. 118 Min. Ab dem 8. Juni 2023 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 06/2023 erschienen.

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