Hausbesetzer sind die besseren Hausbesitzer, behauptet Markus Gölzer. Warum das seiner Meinung nach so ist verrät er in seiner Kolumne
„Offen gesagt“, eine Kolumne von Markus Gölzer
Baugeschichte ist zum Plattmachen da. Hamburg pflegt sein architektonisches Erbe mit der Abrissbirne und ersetzt es durch Zweckklötze, deren Ästhetik an irgendwas zwischen Parkhaus und Mehrzweckhalle erinnert.
Einwände von Denkmalschützern oder gar Bürgerwünsche interessieren nicht. Wenn schon nicht mehr die schönste Stadt der Welt, dann halt die drögste. Wer das Aufregende sucht, soll einen Blick in den Mietspiegel werfen. Und doch gibt es auch Erfolgsmeldungen aus der verglasten Stadt: Denkmalpflege auf links.
Die Rote Flora: Geld gewinnt nicht immer
Die Rote Flora demonstriert als prominentes Gesicht des Schulterblatts seit 30 Jahren, dass Geld nicht immer gewinnt. Und hält im Alleingang das lukrative Gerücht aufrecht, die Schanze wäre noch links-alternativ. Darauf einen Sekt auf Eis auf der Piazza. Und einen Euro für den Schanzenmusikanten, damit der Bésame-Mucho-Loop aufhört, bevor man aus den Ohren blutet.
Selbstverwaltete Wohnprojekte
Bei den historischen Fachwerkhäusern des Gängeviertels hieß 2009 die Rettungsmaßnahme vor kaputten Investorenträumen Besetzung. Heute ist das Quartier saniert, selbstverwaltet und Kulturzentrum mit Tausenden von Besuchern. Das absurd schöne Ensemble Schröderstift von 1892 wäre 1980 dem Erdboden gleichgemacht worden, hätte sich nicht die „Mieterinitiative Schröderstift“ zur Wehr gesetzt. Sie steht als „Mieterselbstverwaltung Schröderstift“ auch 2022 stabil für kleine Mieten und große Erhaltungsleistung. Und die Hafenstraße? Bleibt! Als selbstverwaltetes Wohnprojekt „Alternativen am Elbufer“. Noch ein Tempo, Miethai?
Fazit: Wohnraum in die eigene Hand nehmen
Ich sage: Hausbesetzer sind die besseren Hausbesitzer. Vielleicht ist es an der Zeit, das Thema Wohnraum in die eigene Hand zu nehmen. Ich fange noch heute an und besetze die Couch meines Nachbarn mit seinem neuen Monsterbildfernseher davor. Ohne Molli, aber mit einer Flasche Weißwein in der geballten Faust. Aus seinem Kühlschrank, versteht sich.