SZENE HAMBURG: Welche Voraussetzungen braucht es, um eine Oma gegen Rechts zu werden? Enkel? Ein Mindestalter?
Sabine Hirsch: Man braucht keine Enkel. Es gibt sehr junge Omas. Der wesentliche Punkt ist: Wir möchten mit anderen Frauen für den Erhalt unserer Demokratie kämpfen. Es ist ein sehr offenes Bündnis.
Hilde Vollmayr: Oma sein ist eine Haltung. Kern dieser Haltung ist die Verteidigung des Grundgesetzes und der Menschenrechte. Wir sind eine überparteiliche Gruppierung, zu vielen Fragen haben wir unterschiedliche Meinungen.
Ich finde es grundsätzlich wichtig, zuzuhören und meine Position zu erklären
Sabine Hirsch
Wie sind Sie zu den Omas gegen Rechts gekommen?
Hilde Vollmayr: Ich habe auf einer Demo die Omas gesehen und dachte, das passt zu mir. Jetzt bin ich seit fünf Jahren aktiv dabei.
Sabine Hirsch: Ich bin seit einem Jahr dabei. Anlässlich der Veröffentlichung von Campact über die Remigrationspläne der AfD habe ich an den großen Januardemonstrationen teilgenommen und mich danach den Omas angeschlossen.
Was tun, wenn der Enkel in rechtsextreme Kreise abdriftet?
Sabine Hirsch: Vielleicht ein Schritt davor. Ich möchte ein Vorbild für meine Enkel sein, gegen das Vorurteil: Die alte Frau sitzt auf dem Sofa und strickt. Ich finde es grundsätzlich wichtig, zuzuhören und meine Position zu erklären. Ich würde versuchen, zu überzeugen, aber ich kann auch akzeptieren, wenn wir nicht gleicher Meinung sind.
Hilde Vollmayr: Ich entscheide es situativ, ob ich in die Diskussion gehe. Sabine hat das Entscheidende gesagt: Zuhören. Und das gilt für alle Menschen. Einige AfD-Wähler:innen haben zum Teil früher SPD, CDU oder Grüne gewählt. Ich finde es falsch, mit diesen Menschen nicht mehr zu reden.
Wenn Leute fragen: „Warum Omas gegen Rechts und nicht gegen Rechtsextrem?“ ist man schon im Gespräch. Das ist doch wunderbar
Hilde Vollmayr
Konservative, die sich als rechts, aber nicht als rechtsextrem empfinden, stören sich an „gegen Rechts“.
Sabine Hirsch: Eine sehr häufige Frage an Infoständen: Bin ich als CDU-Wähler:in auch gemeint? Für mich ist der Name „Omas gegen Rechts“ gesetzt. Das ist ein griffiges Label und Quatsch, das zu ändern. Ich finde es nicht verkehrt, wenn man darüber in die Debatte kommt. Meine Position ist: CDU ist nicht gemeint. Aber es gibt Positionen in der CDU, mit denen wir nicht einverstanden sind.
Hilde Vollmayr: Der Name „Omas gegen Rechts“ entstand 2017 in Österreich in der Auseinandersetzung mit Sebastian Kurz und seiner Geflüchteten-Politik. Er ist einfach griffig. Wenn Leute fragen: „Warum Omas gegen Rechts und nicht gegen Rechtsextrem?“ ist man schon im Gespräch. Das ist doch wunderbar. (lacht)
Glänzende Stolpersteine und eine Menschenkette ums Rathaus: Die Omas gegen Rechts zeigen konstant Haltung
Was war die letzte Aktion der Omas gegen Rechts in Hamburg?
Hilde Vollmayr: Wir sind in Hamburg sieben Gruppen, und neue Gruppen entstehen. Es gibt überregionale Aktionen, gemeinsame Aktionen aller Hamburger Gruppen und Aktionen der Hamburg-West-Gruppe, zu der wir gehören. Die größte gemeinsame Aktion in Hamburg war die Menschenkette ums Rathaus. Die Gruppe Hamburg-West beteiligt sich gerade am „Monat des Gedenkens in Eimsbüttel“. Zum Beispiel haben wir gemeinsam mit sehr vielen Eimsbütteler*innen die Stolpersteine zum Glänzen gebracht. Gemeinsam mit der türkischen Gemeinde machen wir eine Diskussionsveranstaltung „Der NSU war nicht zu dritt“.
Sabine Hirsch: Wir beteiligen uns an der Marathon-Lesung zur Erinnerung an die Bücherverbrennung in Hamburg. Und wir informieren am 8. Mai in einem Zelt am Fanny-Mendelssohn-Platz, warum wir möchten, dass der 8. Mai nicht nur ein Gedenktag, sondern ein Feiertag ist.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am Tag nach der gewonnenen Bundestagswahl eine kleine Anfrage gestartet: „Politische Neutralität staatlicher geförderter Organisationen“. Von 551 Fragen 24 zu den Omas als „besonders umstrittenes Beispiel“. Sind Omas gegen Rechts eine staatlich geförderte Organisation?
Hilde Vollmayr: Wir beantragen Mittel zu einzelnen Veranstaltungen, die der politischen Bildung dienen, beim Programm „Demokratie leben“. Diese Anfrage war grottenschlecht recherchiert. Es ging wohl nur um Einschüchterung.
Sabine Hirsch: Die Voraussetzung dieser Fragestellung war überhaupt nicht gegeben, weil wir nicht gemeinnützig sind! Wir sind auch kein Verein. Es gibt Oma-Gruppen, die einen Verein haben, aber auch die sind nicht gemeinnützig.
Einschüchterung fehlgeschlagen: „Die Anfrage der CDU/CSU wirkte sich aus wie eine Werbekampagne“
In Fragen verpackte Falschaussagen sind ein altbekanntes Einschüchterungsmanöver der rechtsextremen Szene. Gern eingesetzt von Trump. Waren CDU/CSU erfolgreich – sind die Omas jetzt eingeschüchtert?
Sabine Hirsch: Wir haben einen enormen Zulauf, über den wir uns sehr freuen. (lacht) Für uns war das eine richtige Werbekampagne. Also, wir sind eher das Gegenteil von eingeschüchtert.
Dass die AfD gesichert rechtsextrem ist, weiß man nicht erst seit der Einstufung durch den Verfassungsschutz. Warum schreckt das fast ein Viertel der Wähler nicht ab?
Sabine Hirsch: Es gibt viele Analysen, warum Menschen AfD wählen. Kann man jetzt hier im Grunde gar nicht ausführen.
Hilde Vollmayr: Wir müssen sicher noch mehr die inhaltliche Auseinandersetzung suchen, mehr über das Parteiprogramm der AfD informieren. Auf der Straße und auf Social-Media-Kanälen von Facebook bis Tiktok. Ich hoffe, dass es uns allen gelingt, noch mehr in die Jahre 1929 bis 1933 zu schauen und aus der Geschichte zu lernen.
Haben Sie noch einen Abschlusssatz, den Sie gern im Text sehen würden?
Hilde Vollmayr: Wovon wir wenig gesprochen haben, ist, wie viel Spaß es macht, bei den Omas zu sein. Das ist eine Mischung aus so unterschiedlichen Frauen. Die haben Lebensgeschichten, die ich am liebsten mit dem Mikrofon aufnehmen würde.
Sabine Hirsch: Ich gehe mit unserem Button durchs Viertel und hab noch keine einzige negative Reaktion bekommen. Einmal kam mir einer entgegen und hat ein bisschen abfällig geguckt. Ansonsten kommt immer mal wieder: „Find ich stark.“ Man kann sich über die Omas und ihre Arbeit auf unserer Website informieren.