Die Stadt ist voll – vor allem mit Autos. Wer sich bessere Luft und mehr Freiraum wünscht, muss umdenken. Die Bürgerinitiative „Ottenser Gestalten“ sucht Alternativen
Interview: Natalia Möbius und Sophia Herzog
Foto: Ottenser Gestalten
Unter dem Namen „Ottensen macht Platz“ hat das Bezirksamt für sechs Monate aus einigen Straßen im Viertel die Autos verbannt. Ist das die richtige Strategie? So sieht Uta Lohmann von der Initiative „Ottenser Gestalten“ die Aktion.
SZENE HAMBURG: Frau Lohmann, Ihre Initiative möchte Ottensen ebenfalls so autofrei wie möglich machen. Ist die aktuelle Testphase die Erfüllung Ihrer Vision für den Stadtteil?
Uta Lohmann: Tatsächlich haben wir ein anderes Konzept erarbeitet und auf unserer Website sowie im Verkehrsausschuss des Bezirks vorgestellt. Wir wollen in erster Linie Ottensen vom Durchgangsverkehr befreien. Davon setzt „Ottensen macht Platz“ nichts um. Dennoch sind wir froh, dass überhaupt ein Schritt getan wird, den Verkehr in Teilen Ottensens neu zu regeln.
Viele Gewerbetreibende haben trotz des möglichen Lieferverkehrs zwischen 23 Uhr und 11 Uhr Angst um ihre Existenz – zu Recht?
Diese Ängste sind vor jeder Einführung neuer Verkehrskonzepte in aller Welt vorhanden und wie die Erfahrungen zeigen, sind sie unbegründet. London, Paris, Groningen – überall sind verkehrsberuhigte Zonen ein Gewinn für Geschäftsleute. Trotzdem müssen die Ängste ernst genommen werden. Hier muss die Verwaltung Lösungen finden.
Ist das Konzept „Autofrei“ vielleicht zu radikal gedacht?
Richtig „autofrei“ wird es ja nicht. Wir reden hier von der testweisen Einführung einer Fußgängerzone, mehr nicht. Es ist ein mutiger Beschluss, zu radikal ist er aber nicht. Leider wurde er im Eiltempo gefasst, die Bedürfnisse der Betroffenen wurden nicht richtig bedacht. Wir hatten im Vorfeld eine Bürgerbeteiligung gefordert. Jetzt muss nachgearbeitet werden.
„Platz, Ruhe und ein Beitrag zum Klimaschutz“
Warum sollten Anwohner parken dürfen, aber andere Hamburger nicht? Viele Ottenser fahren ja auch mit dem Auto in andere Stadtteile …
In den meisten Stadtteilen ist kein Platz mehr für die vielen Autos: Der Park-Suchverkehr nervt überall. Wir müssen also umdenken. Ein sofortiges, generelles Parkverbot ist für viele ein zu großer Einschnitt. Erst einmal muss es für die Hamburger attraktiver werden, sich alternativ mit Bahn, Bus und Fahrrad zwischen den Stadtteilen zu bewegen. Wenn alle Stadtteile ermutigt werden und nachziehen, lässt sich so der Autoverkehr innerhalb Hamburgs reduzieren.
Wie realistisch ist es, dass sich ein autofreies Konzept in Zukunft durchsetzt?
Ich wette, dass viele nach der sechsmonatigen Testphase gar nicht mehr zurück möchten: endlich Platz, Ruhe, gute Luft und ein Beitrag zum Klimaschutz. Wer will das wieder eintauschen?
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, September 2019. Titelthema: Mobilität – Das bewegt die Stadt. Das Magazin ist seit dem 29. August 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!