Ole Lehmann, wie kam Stand-up-Comedy nach Deutschland?
Ole Lehmann: Das geht alles auf den Quatsch-Comedy-Club-Gründer Thomas Hermanns zurück. Er hat Ende der 1980er-Jahre in New York Modeschauen inszeniert und von dort Stand-up-Comedy und Karaoke nach Deutschland gebracht.
Du hast 1993 bei der deutschsprachigen Erstaufführung des Musicals „Grease“ in Hamburg mitgespielt und wurdest dort von Thomas Hermanns angesprochen. Wie war die erste Stand-up-Zeit in Hamburg?
Das stimmt (lacht). Der Quatsch Comedy Club hatte 1992 seine Premiere in der Kantine vom Deutschen Schauspielhaus. Und Thomas hat parallel auch „Grease“ inszeniert und uns zur Premiere des Quatsch Comedy Club eingeladen. Im Mai desselben Jahres fiel dann jemand beim Quatsch Comedy Club aus, Thomas rief mich an und dann habe ich von der B-Seite der Maxi-Single von Jürgen von der Lippes „Guten Morgen Liebe sorgen“ eine Livenummer nachgespielt (lacht).
Ist die Zeit damals mit heute vergleichbar?
Nein, die Zeit ist mit heute kaum vergleichbar. Wir hatten damals nur eine einzige Show im Monat, es gab nur Stammpublikum und es war auch nie klar, wer kommt. Man wusste immer nur: Thomas Hermanns moderiert. Bei uns haben sich alle ausprobiert, denn es gab nichts Vergleichbares. Darunter waren Künstler wie Wigald Boning und Olli Dittrich, der seine Figur Dittsche erstmals auf der Bühne spielte. Später kam auch Michael Mittermeier dazu.
Aber wir waren erfolgreich damit. Die ersten Shows, auch später im Imperial Theater, waren immer voll.
„Die Zeit ist gerade sehr, sehr spannend“
In den 90ern war Stand-up-Comedy komplett neu in Deutschland, das ist heute ganz anders. Wie hat sich die Szene verändert?
Das Erste, was sich verändert hat, ist die Wahrnehmung des Publikums. Heute fühlen sich mehr Menschen von Witzen angegriffen. Aber ich sage immer: Ein Witz ist nun mal auch nur ein Witz. Zu Leuten, die das nicht wollen, sagen wir: Dann kommt halt auch nicht zu uns in die Show.
Aber auch die Comedyszene selbst hat sich verändert. Es gab damals keine Konkurrenz zum Quatsch Comedy Club – doch wir hätten sie uns gewünscht. Seit fünf oder sechs Jahren schießen aber in den Großstädten die Comedy-Clubs wie Pilze aus dem Boden. In Berlin haben wir mittlerweile 60 bis 70 unterschiedliche Shows. Das ist eine Reaktion, auf die wir schon vor 30 Jahren gewartet haben. Die Zeit ist gerade sehr, sehr spannend.
Thomas Hermanns, Michael Mittermeier und ich werden seit 30 Jahren gefragt: Ist der Comedy-Boom vorbei? Und nein, das ist der nicht! Stand-up-Comedy hat sich mittlerweile integriert und wird bleiben.
Junge Comedians sind oft sehr ehrfürchtig, wenn sie das erste Mal bei uns auf der Bühne stehen
Ole Lehmann
Wenn wir heute so eine breite Comedyszene mit vielen Bühnen haben, braucht es den Quatsch Comedy Club denn noch?
Der Quatsch Comedy Club ist einfach eine feste Institution, die es neben Hamburg auch in Berlin, München und Stuttgart gibt. Ich merke das auch bei den jungen Kolleginnen und Kollegen, die oft sehr ehrfürchtig sind, wenn sie das erste Mal bei uns auf der Bühne stehen.
Viele davon haben mich oder die Kolleginnen und Kollegen schon als Kind gesehen, als wir noch bei Pro7 im Fernsehen gezeigt wurden. Jede Bühne, zu der die Menschen kommen und Eintritt bezahlen, hat ihre Berechtigung.
Comedian, der schwerste Job der Welt?
Was macht einen guten Comedian heute im Gegensatz zu damals aus?
Das ist gleich: Um auf die Bühne zu gehen und Comedian zu werden, musst du erstmal eine Rampensau sein. Es ist der schwerste Job der Welt. Du stehst ganz allein auf der Bühne. Im Theater hast du immer ein Ensemble um dich herum – als Comedian nicht. Wobei das Schwierige oft nicht das Performen ist, sondern das Schreiben der Gags. Dafür musst du viel beobachten. Diese Erlebnisse nimmst du und baust darum fiktive Geschichten und entwickelst daraus deine Gags.
Berlin hat viele kleine Bühnen, Köln den Karneval und das Köln Comedy Festival. Wo steht Hamburg in Deutschlands Comedy-Landschaft?
Ich weiß nicht, ob wir da einen Unterschied machen sollten. Neben Berlin gibt es in Hamburg, Köln und auch in München einen Boom an kleinen Comedy-Shows, bei denen auch Größen wie Michael Mittermeier regelmäßig auftreten und ihr Material testen. Ich will da gar nicht vergleichen, da der Trend überall ähnlich ist, auch wenn Berlin vielleicht ein bisschen schneller war.
Das Publikum ist jeden Abend anders
Du moderierst ab dem 20. Juli für drei Tage den Quatsch Comedy Club in Hamburg. Worauf freust du dich?
Auf die Location. Die haben extra für uns dieses Schiff im Hafen umgebaut und der Saal ist fast wie ein kleiner New Yorker Club. Natürlich freue ich mich auch auf die Hamburgerinnen und Hamburger. Viele sagen zwar, die seien so reserviert. Aber wir haben in der Stadt angefangen und es kommen immer noch Stammgäste von damals. Ich bin immer gerne in meiner alten Heimat.
Theater-, Club- oder Kneipenatmosphäre ist durch nichts zu ersetzen
Ole Lehmann
Sind Hamburgerinnen und Hamburger denn reservierter?
Nein. Für mich gibt es nicht so große regionale Unterschiede im Publikum. Es ist von Abend zu Abend unterschiedlich. Auch wenn die Menschen mal weniger ausrasten, können sie trotzdem einen schönen Abend gehabt haben. Dann spielt auch der Laden immer eine Rolle. Wenn ich in irgendwelchen Mehrzweckräumen spiele, ist es doch klar, dass da die Stimmung nicht so aufkommen kann wie in einem etwas ranzigeren Club. Deswegen finde ich auch Stadien nicht so schön für Stand-up-Comedy. Theater-, Club- oder Kneipenatmosphäre ist durch nichts zu ersetzen. Deswegen ist die neue Location des Quatsch Comedy Clubs in Hamburg auch so geil.