SZENE HAMBURG: Rocko Schamoni, dein bisher bekanntestes Buch „Dorfpunks“ feiert dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum. Was bedeutet dir dieser Umstand?
Rocko Schamoni: Dass es zwanzig Jahre her ist, dass „Dorfpunks“ erschienen ist.
Welchen Einfluss hatte die Veröffentlichung von „Dorfpunks“ und der daraus resultierende Erfolg und die Anerkennung für dich damals als Autor?
Es war ein großer Erfolg und alle Menschen haben mich gegrüßt, einige haben mich angelächelt, andere haben mir Geschenke gegeben. Ich wurde auch in Restaurants besser bedient. Das hat mir gut gefallen.
Mit „Pudels Kern“ veröffentlichst du jetzt dein achtes Buch. So ganz generell: Wie kommst du auf die Ideen für deine Bücher?
Ich sammle die Themen am Wegesrand meines Lebens auf. Manchmal gibt ein einzelner Satz bereits genug Schwung, um einen Buchimpuls zu starten, wie bei „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“. Häufig sind es aber eher Menschen, die mich so sehr interessieren, dass ich erst forsche und dann anfange, über sie zu schreiben.
Die Fortsetzung von „Dorfpunks“
„Pudels Kern“ ist als Fortsetzung von „Dorfpunks“ angekündigt. Wie hat man sich diese Fortsetzung, falls jemand das Buch noch nicht gelesen haben sollte, genau vorzustellen?
Du weißt selber, dass ich das Buch dafür geschrieben habe, um diese Frage zu beantworten. Nur so viel: Die Story beginnt genau da, wo „Dorfpunks“ endet, der 19-jährige Protagonist zieht in die große wilde Stadt und gerät sofort ins Straucheln. Er muss sich entscheiden zwischen Freiheit und Sicherheit, zwischen Kunst und Ruhm.
Warum überhaupt eine Fortsetzung?
Verschiedene Berater haben lange auf mich eingeredet und mir Ruhm und Geld versprochen.
Wenn man einen Nachfolgeroman zu einem erfolgreichen Buch schreibt, geht damit immer ein Vergleichen einher – auch was die Verkaufszahlen angeht. Inwiefern empfindest du einen gewissen Druck?
Ja, es entsteht Druck. Und es wäre für mich unangenehm, wenn das Buch ein Misserfolg würde. Deshalb bitte ich alle Menschen darum, das zu verhindern. Gemeinsam können wir es schaffen.
„Ich bin immer noch völlig der Punk“
Du machst ja unglaublich viele verschiedene Dinge: Du schreibst, machst Musik, bist Schauspieler, designst … Wie sieht ein typischer Tag im Leben des Rocko Schamoni aus?
Ich lebe das typische Leben eines Künstlers: Spät aufstehen, Himbeereis zum Frühstück, Rock ’n’ Roll im Fahrstuhl und abends flippe ich häufig völlig aus, gehe Kaffee trinken oder auch mal ins Kino. Es ist der pure Wahnsinn.
Wenn jemand, der noch nie von dir gehört hat, dich fragt, was du beruflich machst, was antwortest du darauf?
Furzkissenhersteller.
Verschiedene Berater haben lange auf mich eingeredet und mir Ruhm und Geld versprochen
Rocko Schamoni
Der Begriff des „Punk“ taucht immer wieder bei dir auf. Was bedeutet der Begriff für dich konkret? Wie definierst du den?
Ich bin immer noch völlig der Punk, trage Jeans und T-Shirt und solche Sachen. Das ist für mich völlig normal. Man muss bis ins hohe Alter irre und unangepasst bleiben, wenn man Punk ist.
Du wirst am 8. Mai 58 Jahre alt. Wie viel von dem Dorfpunk von damals steckt heute noch in dir?
Einhundert Prozent. Ein Leben in Gummistiefeln mit Iro.
Machst du dir im Alltag viele Notizen? Was schreibst du dann vor allem auf?
Alles, was mir einfällt. Wirklich. Worte, Sätze, Titel, Ideen, Gedichte, Zitate. Meine letzte Eingebung lautet: „Wir müssen das Erregungspotenzial der Öffentlichkeit ökonomisch verwalten.“ Damit will ich sagen, dass wir uns nicht ständig über jeden kleinsten Blödsinn aufregen sollten, denn es gibt wichtige Dinge, für die wir unsere Erregungs-Power brauchen. Zum Beispiel, um die AfD zu bekämpfen.
Rocko Schamoni: „Schreiben ist immer Selbstentdeckung und Selbsterkenntnis“
Du kommst ursprünglich aus Lütjenburg, lebst aber nun schon eine ganze Weile in Hamburg. Welchen Einfluss hat die Stadt auf dich und insbesondere auf deinen literarischen Output?
Viel Einfluss. Ich schreibe über mich und die Welt, die mich umgibt. Also meistens über die Stadt und deren Menschen.
Kommt es manchmal vor, wenn du beispielsweise Rezensionen über deine Bücher liest oder mit anderen Menschen darüber sprichst, dass du neue Dinge an und in deinen Romanen entdeckst, die dir nicht bewusst waren?
Ich lese keine Rezensionen. Weil ich die Kritik für einen notwendigen Beruf halte und Angst vor ihr habe. Weil Kritiker:innen haben immer recht. Sie wollen mich zerstören – und ich möchte sie schützen.
Passiert es, dass du dich beim Schreiben selbst neu entdeckst, weil du dich vielleicht mit Themen auseinandersetzt, mit denen du dich vorher noch nie beschäftigt hast?
Schreiben ist immer Selbstentdeckung und Selbsterkenntnis. Das ist das Schöne daran, dass man sich besser zu verstehen lernt. Beispiele möchte ich aber nicht nennen, um geheimnisvoll zu bleiben.
Die Bühne war für dich immer schon ein wesentlicher Bestandteil deiner Kunst. Nun bist du ab April mehr oder weniger das ganze Jahr über auf Lesereise. Genießt du Lesungen dann besonders oder empfindest du das eher als notwendiges Übel?
Es ist normale Arbeit. Ich empfinde keine besondere Freude dabei.
An welchen Projekten arbeitest du derzeit? Kannst du dazu schon ein bisschen was verraten?
Eine TV-Show auf ARD Kultur, die „Rocko Schamoni Supershow“, erscheint am 15. März – und eine Vampirserie von Regisseur Peter Meister auf Joyn, zusammen mit Fahri Yardim, sie heißt „Der Upir“, erscheint im Herbst.
Rocko Schamoni: Pudels Kern, hanserblau, 304 Seiten, 26 Euro
Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 05/2024 erschienen.