Serie: Hamburger Hafen. Der alte Elbtunnel

Alter Elbtunnel
Waschull im Alten Elbtunnel. Foto: Philipp Jung

Im Mai schauen wir auf und über die Elbe. Und darunter. Wir starten unsere Serie über den Hamburger Hafen mit einem Blick in den Alten Elbtunnel. Zu Besuch bei Tunnelaufseher Jan Waschull

8 Uhr früh. Die ersten Autos werden mit den eisernen Aufzugskörben in den Alten Elbtunnel hinuntergehievt, 24 Meter unter die Erde. Ein leichtes Ruckeln beim Aufprall, das große Holztor öffnet sich und die Auto- und Radfahrer sowie einige Passanten starten in den schummrig beleuchteten Tunnel. Um diese Uhrzeit steckt den meisten Hamburgern noch die Müdigkeit in den Knochen, und – angesichts des anstehenden Arbeitstages – der innere Schweinehund in den Köpfen.

Serie: Hamburger Hafen. Alter Elbtunnel

Nicht so bei Jan Waschull

Ein langgezogenes „Mooooin Mooin!“, ein kurzer Schnack und ein Grinsen, das die Vorbeifahrenden unmittelbar ansteckt. Der 38-Jährige in der schnieken Uniform ist seit acht Jahren Aufseher im Alten Elbtunnel und er versichert: Ja, er ist wirklich immer mit dieser überschäumenden Begeisterungsfähigkeit bei der Arbeit. Als Tunnelaufseher zu arbeiten, bedeutet für ihn nicht nur Knöpfe zu drücken, Auto- und Radfahrer zu koordinieren und Stundenzettel zu schreiben. Mit der Arbeit in dem denkmalgeschützten Bauwerk ist für den gebürtigen Bergedorfer mit seiner Faszination für altehrwürdige Konstruktionen tatsächlich ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. „Mein Vater hatte früher ein altes Horex-Motorrad von 1952, mit dem sind wir oft durch den Alten Elbtunnel gefahren. Ich saß schon als kleiner Junge im Seitenwagen und habe über dieses Bauwerk gestaunt“, erinnert sich Waschull. „Es beeindruckt mich immer noch. Das ist alles noch wie vor 100 Jahren und einzigartig auf der Welt. Ich bin stolz, dass ich hier arbeiten darf“, schwärmt er.

Alt aber nicht aus der Mode

106 Jahre sind es sogar, um genau zu sein. 1911 ging der Alte Elbtunnel nach vierjähriger Bauzeit in Betrieb. Aufgrund der Expansion im Hafen und der vielen Hafenarbeiter war es damals nötig, eine Möglichkeit zur Elbüberquerung zu finden. Man entschied sich nach Vorbild des Clyde-Tunnels in Glasgow für einen Unterwassertunnel, zu dieser Zeit der erste auf dem europäischen Kontinent. Das aufwendige Bauwerk mit den zwei 426,5 Meter langen Tunnelröhren, die St. Pauli mit der Werftinsel Steinwerder verbinden, galt bei der Eröffnung als technische und architektonische Sensation.

Heute hat der berühmte Unterwassertunnel seine infrastrukturelle Relevanz freilich weitgehend an den Neuen Elbtunnel verloren. Zählte der Alte Elbtunnel in seinen Anfangstagen noch 45.000 Menschen – größtenteils Hafenarbeiter –, die täglich die Flussunterführung passierten, sind es mittlerweile bloß noch 2.000 bis 2.500. Viele von ihnen sind Touristen, die das immer noch beeindruckende Bauwerk einmal erleben wollen – das Eingangsgebäude mit der Kuppel und den antik wirkenden Säulen, die über 130 Stufen hinunter ins Tunnelniveau, von wo aus sich der Blick in die Kuppel öffnet, und die gekachelten Wände in den schmalen Tunnelröhren, die mit maritimen Motiven wie Fischen, Seemuscheln und Aalen verziert sind.

Magnet für Touristen und Hamburger

„Die Touristenzahl ist in den letzten Jahren richtig in die Höhe gegangen“, sagt Jan Waschull. Für den Tunnelaufseher kein Problem, im Gegenteil: „Die Touristen sind immer neugierig, da freut man sich, wenn man mal ein paar Hintergrundinfos geben kann und die Leute dankbar sind. Man lernt viele verschiedene Menschen kennen, es wird eigentlich nie langweilig.“ Zudem ist der Alte Elbtunnel nicht bloß ein touristisches Stück Erinnerungskultur mit verquastem Nostalgiefaktor, sondern weiterhin von Nutzen. „Es ist immer noch die schnellste Möglichkeit, ins Hafengebiet zu kommen. Und wenn der Neue Elbtunnel voll ist, nutzen die Leute den Alten als Alternativroute“, so Waschull.

Alter Elbtunnel

Waschulls Traum? Hier zu arbeiten!

Lange hat sich der gelernte Maler um den Posten als Tunnelaufseher beworben, auch während seiner Zeit als Lkw-Fahrer – immer ohne Erfolg. „Es war nicht einfach, weil es viele Bewerbungen gab. Irgendwann hatte ich aber Glück. Ich habe mich vorher ordentlich eingelesen und konnte im Bewerbungsgespräch mit Geschichtswissen punkten“, erklärt er. Dabei ist der Beruf alles andere als entspannt. Um 2 Uhr morgens steht Waschull auf, um 4 Uhr bespricht er mit seinen Kollegen beim gemeinsamen Frühstück den Tagesablauf. Um 5.30 Uhr müssen die Aufseher am Tunnel stehen, wenn dieser für die Radfahrer und die Fußgänger geöffnet wird. Bis 13 Uhr stehen sie abwechselnd in 30-Minuten-Schichten mal oben am Eingang bei den Landungsbrücken, mal unten im Tunnelbereich, kontrollieren Tickets, koordinieren die Passanten und evakuieren im Extremfall auch mal den gesamten Tunnel. „Letzte Woche hat jemand Reizgas versprüht. In so einem Fall muss man innerhalb von Minuten alles evakuieren, das ist schon eine Hausleistung“, berichtet der Tunnelaufseher, der seit sechs Jahren auch in leitender Funktion tätig ist.

Bitte bis zur Rente…

Nach 13 Uhr ist für Autofahrer Richtung Steinwerder Schluss. Eine der zwei Röhren ist infolge umfassender Sanierungsmaßnahmen langfristig gesperrt. Dabei wurden marode Stellen entdeckt, die die Bauarbeiten in die Länge und die Kosten in die Höhe treiben. Derzeit ist der Alte Elbtunnel eine Einbahnstraße. Montags bis freitags von 8 bis 13 Uhr dürfen die Fahrzeuge von St. Pauli in Richtung Steinwerder fahren, von 13 bis 18 Uhr geht es in die entgegengesetzte Richtung. Trotz mancher Strapazen steht für Jan Waschull fest: „Ich will bis zur Rente hier bleiben. Der Alte Elbtunnel hat Charme, Charakter und gehört zu Hamburg. Man kennt hier viele Passanten und die Atmosphäre ist freundschaftlich.“

Mehr über den Alten Elbtunnel unter www.hamburg.de/alter-elbtunnel

Text: Ulrich Thiele / Fotos: Philipp Jung

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