Serie: Start-up! Gescheitert – der „ABC Magazin“-Laden

start-up
Foto: Philipp Jung

Finanziert und doch gescheitert. Unsere Autorin Sara Lisa Schäubli hat sich einen Traum verwirklicht. Und kennt die Freuden und Leiden während der Kampagne

Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich keinen blassen Schimmer, auf was ich mich da einlasse mit einer Crowdfunding-Kampagne. Ich hatte schon ab und zu ein Projekt unterstützt, war mir bewusst, dass dies eine Finanzierungsmöglichkeit ist, die gerade sehr im Trend ist. Abgesehen davon: nüscht.

Im Oktober und November 2016 habe ich in der Weidenallee einen Pop-up-Laden für unabhängige Printmagazine gemacht. Der „ABC Magazin“-Laden war gleichzeitig Lesezimmer und Eventlocation.

Ich wollte einerseits einen realen Ort für Indie-Magazine erschaffen, aber auch zum Verweilen und Austauschen einladen.
Für die Finanzierung via Crowdfunding habe ich mich entschieden, weil es mir wichtig war, nicht allein mit dem Projekt dazustehen. Nicht nur finanziell, sondern auch emotional habe ich das Projekt zusammen mit anderen gestemmt. Selbstverständlich hatte ich das Funding-Ziel von 9.000 Euro nicht einfach so auf dem Konto rumliegen.

Wie funktioniert Crowdfunding?

Die große Überraschung für mich war, dass eine Crowdfunding-Kampagne Unmengen an Zeit verschlingt und minutiös geplant sein will. Der Crowdfunding-Club von Nordstarter hat mir als erste Orientierung sehr geholfen. In den drei Stunden hatte ich einige Aha-Momente und das Beste: Ich konnte meine Projektidee vorstellen und Feedback einholen.
Die Kampagne selber gleicht einer einzigen Achterbahnfahrt aus Schweißausbrüchen, Hyperventilieren und Jauchzen. Höchster Punkt: Als ich eines Morgens den Computer anschmiss und über Nacht 1.000 Euro reingekommen waren. Der Unterstützer wollte anonym bleiben, aber: Ich kannte die Person nicht.

Dieses Gefühl, dass deine Idee einem wildfremden Menschen 1.000 Euro wert ist, ist unvergleichlich.

Die Höhe deines Funding-Ziels hängt also untrennbar von deiner Reichweite ab: Erreichst du viele Leute, kriegst du mehr Geld zusammen. Wichtig ist auch die Info, dass jeder Starter sein Projekt mit 30 Prozent Eigenkapital unterstützen darf, was ich auch gemacht habe. Selbstverständlich wollte ich das von mir gestartete Projekt auch unterstützen!

Fantasie vs. Realität

Crowdfunding und die Phase, in der ich mir in den schönsten Farben ausmalte, wie es sein wird, einen eigenen Laden zu haben, hatten dann aber nicht ansatzweise etwas mit der Realität zu tun. Bis zum Tag der Eröffnung hatte ich ein romantisches Bild davon, einen Laden zu haben. Am 4. Oktober, dem ersten regulären Tag, saß ich dann aber die meiste Zeit allein in der Leseecke. In acht Stunden verkaufte ich fünf Magazine. Es gab in den nächsten zwei Monaten viele Tage wie diesen. Es gab sogar Tage, an denen ich den Laden aufschloss, acht Stunden allein rumsaß und wieder zuschloss. Am Ende einer dieser Tage wurde mir klar:

Nur weil du es geschafft hast, einen Laden aus dem Boden zu stampfen, heißt das nicht, dass der Laden auch läuft.

Schlussendlich hat mich das Projekt „ABC Magazin“-Laden sechs Monate meines Lebens beschäftigt. Ich habe zusammen mit vielen lieben Menschen ein Pitchvideo gedreht, eine Kampagne gefahren, ein Logo entworfen, Flugblätter gedruckt und selbige mit dem Fahrrad verteilt, Pressemitteilungen verschickt und dabei ein paar graue Haare gekriegt.

Das Projekt sehe ich trotz erfolgreicher Finanzierung als gescheitert an

Unabhängige Printmagazine zu verkaufen ist sehr selbstreferenziell. Schlussendlich interessieren sich nämlich vor allem Journalisten, Fotografen und Illustratoren dafür – und die haben bekanntlich keine Kohle.
Ich habe zwar durch das Crowdfunding den Laden nicht allein finanziert, ihn danach aber de facto allein geführt. Für mich war das eine viel zu große Arbeitslast. Mir haben eine Geschäftspartnerin oder -partner gefehlt, mit der oder dem ich alles teilen kann. Die oder der auch mal sagt: „Sara Lisa, das ist Mist.“ Oder: „Genau so machen wir das!“
Die letzte Person, welche mein Projekt unterstützte, war ein Journalist von Freischreiber, dem Verband freier Journalisten. Das ist ein schönes Sinnbild für meinen weiteren Weg:

Ich habe gemerkt, dass ich nicht in einem Laden sitzen will, um gut produzierte Publikationen anzustarren, sondern ich will diese gut produzierten Publikationen schreiben und im besten Falle von jemand anderem angestarrt werden.

Protokoll: Sara Lisa Schäubli / Foto: Philipp Jung

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