SoleRebels – Fair-Trade-Schuhe mit Autoreifen-Sole

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Foto: SoleRebels

Auf St. Pauli ist das afrikanische Fair-Trade-Schuhlabel soleRebels angekommen. Der erste Flagstore Deutschlands hat in Hamburg eröffnet. Die Geschichte hinter den Sohlen aus Autoreifen.

Es ist nicht nur die Geschichte eines Fair-Trade-Unternehmens, es ist die Story der Äthiopier Bethlemen Tilahun Alemu und Elias Assefa. Gemeinsam haben sie soleRebels nach Hamburg geholt. Der Weg dahin war lang, die Bedingungen aber waren gut: Der Hamburger Elias Assefa emigriert mit 14 Jahren nach Deutschland, mit nichts in der Tasche außer dem Segen seiner Eltern. Verschiedene Stationen in Deutschland führen ihn schließlich mit 22 nach Hamburg. Er kennt seine heutige Geschäftspartnerin da noch nicht, zehn Jahre später aber wird er das Unternehmen soleRebels hierher holen.

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Elias Assefa kam mit 14 Jahren ohne seine Eltern nach Deutschland. Foto: SoleRebels

„Die Menschen in Hamburg leben wie in keiner anderen deutschen Stadt den Gedanken der Nachhaltigkeit“, erklärt Assefa seine Motivation. Seit seiner Flucht aus dem Heimatland besucht er einmal im Jahr seine Familie in Äthiopien. „Als ich kurz vor meinem Besuch durch die ProSieben-Sendung „Galileo“ von Bettys Firma erfahren haben, wollte ich mich ihr sofort vorstellen.“ Die Gründerin der nachhaltigen Schuhmarke aus Afrika suchte jemanden, der die Expansion nach Deutschland leitet. Eine Herausforderung, die den überzeugten Wendländer damals sofort reizt.

Vor allem geht es Alemu und Assefa darum, den gesellschaftlichen Blick zu schärfen für ein Äthiopien mit hohem Kreativitätspotential und einer enormen Entschlossenheit. Nicht ohne Grund wurde soleRebels als erster Schuhproduzent überhaupt das Fairtrade-Siegel verliehen. Was diese Auszeichnung für Bethlemen Tilahun Alemu bedeutet, und ob Konsum die Welt verbessern kann erzählt uns die Geschäftsfrau in einem Hamburger Hinterhof am Neuen Kamp auf St. Pauli.

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SZENE HAMBURG: Frau Alemu, Sie haben SoleRebels in Zenabwork gegründet, einem kleinen Vorort der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba – wie sah und sieht es dort aus?

Frau Alemu: Das ist ein kleines Dorf mit 5.000 Einwohnern. Ich wurde dort geboren, bin dort aufgewachsen und meine gesamte Familie lebte dort in einer sehr armen Nachbarschaft unter ähnlichen Verhältnissen. Als unsere Schule damals geschlossen wurde, haben ich und meine Brüder viel Zeit mit den Kindern dieser Nachbarschaft verbracht: Die Menschen dort sind sehr talentiert und warten auf die Möglichkeit, das der Welt zu zeigen. Meine Familie lebt heute noch in Zenabwork. Es hat sich wenig verändert.

Was für Einsichten haben Sie in der Zeit in Zenabwork gewonnen?

Mir ist aufgefallen, dass Menschen, selbst wenn sie nicht das Geld verdienen, das sie für ihre Arbeit bekommen sollten, trotzdem weitermachen. Wenn Menschen hart arbeiten, sollten sie aber doch am Ende wenigstens in der Lage sein, ihre Familie zu ernähren. Mit diesem Vorsatz habe ich 2004 mein Unternehmen gegründet.

Wie sah die erste Produktionsstätte, der erste Verkaufsraum aus?

Meine Oma hatte eine kleine Fläche für den Laden. Damals waren die Produktionsabläufe noch sehr schlicht, die benötigten Materialien Leder, Baumwolle und ausrangierte Autoreifen waren einfach und kamen alle aus der Region.

Gab es Hürden?

Um damit zu beginnen, brauchten wir ein Startkapital von 5.000 Dollar. Das Geld kam von meiner Familie. Es war wirklich sehr schwierig – die ersten zwei Jahre war das Geschäft alles andere als erfolgreich.

Trotzdem stand Ihre Familie weiter hinter ihnen. War es das Vertrauen in Sie oder die Hoffnung für die Familie?

Ich glaube, es hat viel mit beidem zu tun. Meine Eltern und auch mein Mann wollten sehen, wie weit ich mit meiner Geschäftsidee komme. Natürlich haben sie gehofft, dass ich es schaffe. Es hätte aber auch schiefgehen können – das ist das Risiko, das sie auf sich genommen haben. Dafür braucht es Vertrauen. Meine Mutter und mein Vater beide trotzdem oft genug gesagt haben, dass ich wieder zur Schule gehen solle. Aber ich habe mich nun mal für den anderen Weg entschieden.

Das Unternehmen ist auch ein Statement gegen das Entwicklungsland-Image und für Afrika auf dem Weltmarkt – mit welchem Ziel?

Nach meiner Erfahrung bedeutet die Gründung einer internationalen Marke wie soleRebels für die Menschen, die dort arbeiten, ein Ozean an neuen Möglichkeiten, die sie sonst nicht gehabt hätten. Vor allem sich und ihr Land weiterzuentwickeln, in einem Kontext, in dem sie bisher nur Abneigung erfahren haben. Ich wollte und will das ändern.

Wie?

Menschen wünschen sich eine faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Überall. Ich sehe meine Aufgabe darin, den Menschen eine Zukunft in ihrem eigenen Land zu ermöglichen. Deshalb möchte ich möglichst viele Leute anstellen, die dann ihre Familien ernähren können. Ich sehe darin einen wichtigen Schritt im Kampf gegen Armut, Hunger, Elend und vielleicht müssten dann auf lange Sicht auch weniger Menschen fliehen.

Glauben Sie, dass Ihre Idee ein Startschuss für die gesamte Branche sein kann?

Absolut, ja. Wir haben in Äthiopien bereits die Tür für junge Unternehmer geöffnet, damit sie ihre Erfahrungen mit den Menschen teilen und ihre Produkte an verantwortungsvolle Konsumenten verkaufen können. Ich bin nicht mehr die Einzige, die dort eine Marke gegründet hat.

Was unterscheidet vor diesem Hintergrund einen lokalen Shop von einem Online-Store?

Die Überlegung ist folgende: Es ist zwar möglich, seine Produkte ausschließlich online zu vermarkten und zu verkaufen. Aber wenn das erst mal läuft, ist es genauso möglich, einen lokalen Shop zu eröffnen – und dort die Produkte für die Menschen dann spürbar zu machen und seine Erfahrungen zu teilen. In einem reinen Onlinebusiness kannst du deine Story nicht weitergeben. Aber die Geschichte ist wichtig. Wer sind die Menschen dahinter? Welche Motivation hatten sie, so eine Anstrengung auf sich zu nehmen? Mit wem arbeitet das Unternehmen zusammen und warum? Es gibt tausend Dinge zu erzählen, die Mensch und Produkt in eine völlig neue Beziehung treten lassen.

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Und welche Materialien sehen und fühlen die Kunden heute in den Stores?

Wir verwenden noch immer hauptsächlich Baumwolle, Leder und recycelte Autoreifen, haben uns aber natürlich optimiert, was die Beschaffenheit der einzelnen Elemente betrifft. Wir verarbeiten die Materialien nun so, dass wirklich unglaublich bequeme Schuhe herauskommen, die man einfach überall gerne trägt. Deshalb erzeugen wir auch eine große Bandbreite von Designs und Farben. Wir folgen dabei den Trends und dem, was die Menschen gerne tragen und versuchen, sowohl fair als auch stylish zu sein.

Stichwort Fairtrade: Was bedeutet das Siegel für Sie?

Die Leute reden viel über Fairtrade. Für mich hat diese Auszeichnung vor allem mit den Arbeitsbedingungen zu tun und mit den Rohstoffen, die wir verwenden. Wir kümmern uns darum, dass das Basismaterial gut und sauber ist und gleichzeitig darum, unsere Angestellten vernünftig zu bezahlen. Das ist die Grundlage. Wenn die Produktion beginnt, verzichten wir auf Chemikalien und im Versand auf Plastiktüten und Ähnliches. Jeder profitiert im Produktionsprozess. Das ist für mich Fairtrade.

Advocatus Diaboli: Was ist mit dem Erdöl in den Autoreifen, wenn ich die Schuhe wegschmeißen muss? Ist das ein Dilemma für Sie?

Ja, das ist es. Absolut. Es ist immer Raum da, um besser zu werden. Mit allem was wir tun. Aber bis dahin kann man die Schuhe auch recht einfach selbst reparieren.

„Die Art wie wir konsumieren wird immer ausufernder. Das macht mir Angst“

Würden Sie sagen, dass man über den Konsum tatsächlich Einfluss nehmen kann auf die Verbesserung der Welt?

Ja, total. Schau dir an, wie die Welt vor zehn Jahren mit dem Essen umgegangen ist und was es heute bedeutet zu essen. Die Menschen fragen, wo die Lebensmittel herkommen oder wie die Produkte hergestellt werden. Es gibt ein neues Denken. Einerseits. Andererseits: Die Art wie wir konsumieren wird immer ausufernder, das macht mir Angst. Dafür gibt es nicht nur ein Beispiel, sondern tausende. Aber ich glaube – ironisch gesagt – dass die bereits entwickelten Ländern uns beibringen können, wie man seinen biologischen Fußabdruck verdeckt.

Hamburg ist der 17. Standort außerhalb Äthiopiens und der erste deutsche – werden Sie nun öfter hier sein?

Ich glaube nicht. Ich bin das erste Mal hier und auch nur für die Eröffnung, um mich um den erfolgreichen Start des Geschäfts zu kümmern. Danach habe ich zu Hause in Äthiopien wieder genug zu tun, weil ich dort ja alles selber manage.

Zum Abschluss eine obligatorische Frage im Hinblick auf die Verbesserung der Welt: private Angelegenheit oder Aufgabe der kritischen Masse?

Jeder hat eine Wahl. Egal ob Schuhe oder Apfel: Es ist unsere Wahl, was wir essen oder tragen. Es beginnt bei uns, bei jedem einzelnen Individuum. Von dort aus erreicht es die Familie, die trägt die Ideale in das Milieu und von dort gelangt die Idee schließlich ins ganze Land. Das hört sich einfach an, wie ein Selbstläufer, nach meiner Auffassung erwächst dadurch aber für jeden auch eine eigene Verantwortung. Also: Es ist Privatsache.

Text & Interview: Jenny V. Wirschky
Fotos: SoleRebels

Die ungekürzte Version dieses Textes ist zu finden in der Printausgabe SZENE HAMBURG, Oktober 2018.

SoleRebels, Neuer Kamp 3 (St. Pauli), Solerebels-Deutschland.de



 Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Oktober 2018. Das Magazin ist seit dem 29. September 2018 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich! 

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