Die „Sparks Brothers“ Ron und Russell über die Entstehung des Films „Annette“, das Gefühl, nicht mehr die Kontrolle zu haben und die stimmliche Eignung der Darsteller Adam Driver und Marion Cotillard
Interview: Patrick Heidmann
SZENE HAMBURG: Ron, Russell, Sie haben nicht nur die Songs für „Annette“ geschrieben, sondern der ganze Film war Ihre Idee, richtig?
Russell Mael: Die Sache nahm ihren Anfang vor etwa neun Jahren. Damals hatten wir die erste Idee zu einer Geschichte, die wir uns zwar schon als narratives Projekt vorstellten, aber dafür eigentlich ein neues SparksAlbum im Sinn hatten. Auch eine Bühnenversion des Ganzen, irgendwo zwischen Konzert und PerformanceTheater schwebte uns vor. Aber dann lernten wir ein Jahr später hier in Cannes den Regisseur Leos Carax kennen, der einen unserer Songs in seinem Film „Holy Motors“ verwendet hatte. So kamen wir auf den Gedanken, ihm mal unser Projekt namens „Annette“ zu schicken. Er war begeistert – und nach ein bisschen Überlegen schlug er vor, daraus seinen nächsten Film zu machen.
Kein ordinärer Auftragsregisseur
Fiel es Ihnen leicht, die künstlerische Kontrolle abzugeben?
Ron Mael: Wir hatten vollstes Vertrauen in Leos und spürten aufgrund seiner früheren Filme eine Art Verbundenheit mit ihm. Dass es einige Jahre dauerte, bis unsere Vision Wirklichkeit wurde, lag nicht daran, dass wir uns nicht über die Stoßrichtung einig geworden wären, sondern war nur äußeren Umständen geschuldet. Im Gegenteil hat sich Leos die ganze Zeit mit Haut und Haar diesem Film verschrieben und arbeitete nicht – wie es seine Kollegen in Hollywood meist tun – an zehn Projekten gleichzeitig.
Aber haben Sie bis zum Schluss ein Wörtchen mitgeredet?
Ron Mael: Anfangs haben wir noch gemeinsam am Film gearbeitet. Leos kam immer wieder nach Los Angeles oder wir flogen zu ihm nach Paris. Die meisten Songs hatten wir schon geschrieben, bevor er mit an Bord kam, nur ein paar kamen später dazu, wenn Leos noch neue Ideen hatte. Und natürlich haben wir gemeinsam am Drumherum der Geschichte gefeilt, denn er ist schließlich kein ordinärer Auftragsregisseur, sondern jemand, der sich in jede seiner Arbeiten auch ganz persönlich einbringt. Als es dann irgendwann losging mit dem Dreh und wir unser fantastisches Ensemble zusammengestellt hatten, zogen wir uns natürlich ein wenig zurück und überließen ihm die Umsetzung. Aber wir hatten so viel Freude an der Filmarbeit, dass wir so oft wie möglich am Set zu Gast waren und zusahen.
„Wir mögen die Künstlichkeit, die jedem Musical irgendwie innewohnt“
Haben Sie an den Liedern eigentlich noch Veränderungen vorgenommen, als Sie sich auf Adam Driver und Marion Cotillard als Stars für die Hauptrollen festlegten?
Russell Mael: Nein, die Lieder standen. Selbst die paar, die nicht schon seit acht Jahren und vor mir eingesungen in der Schublade lagen, sondern neu geschrieben wurden, entstanden vor der Besetzung der Rollen. Aber umso begeisterter waren wir natürlich, wie gut sie dann mit Adams und Marions Stimmen funktionierten. Die beiden haben ja richtig tolle Gesangsstimmen.
Würden Sie eigentlich alles in allem „Annette“ als klassisches Musical beschreiben?
Ron Mael: Wir mögen die Künstlichkeit, die jedem Musical irgendwie innewohnt. Aber das ist nicht gleichbedeutend mit dem Bombast, mit dem viele Hollywoodfilme Gesang und Choreografien inszenieren. Den wollten wir unbedingt umgehen und die Geschichte, zumindest was das Spiel und Singen angeht, so naturalistisch und real wie möglich umsetzen.
„Annette“, Regie: Leos Carax. Mit Adam Driver, Marion Cotillard, Simon Helberg. 140 Min. Ab dem 16. Dezember 2021 im Kino
Hier gibt‘s der Trailer zu „Annette“:
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