Als der damalige Intendant Friedrich Schirmer 2005 eine neue Sparte am Deutschen Schauspielhaus etablierte, klang es zunächst nach Pilotprojekt. Doch seither schreibt das Junge Schauspielhaus eine 16-jährige Erfolgsgeschichte. Und das soll sich auch am neuen Standort in Barmbek nicht ändern
Text: Dagmar Ellen Fischer
Hinter der Eingangstür geht man zunächst auf Wolken: Der Fußboden im Foyer des Jungen Schauspielhauses überrascht mit weißen Flocken-Flächen auf himmelblauem Grund. Erst seit Anfang August wird die neue Spielstätte am Wiesendamm vom künstlerischen Leiter des Jungen Schauspielhauses, Klaus Schumacher, und seinem Team bewohnt und bearbeitet. Erstmals scheint dort eine nie zuvor erlebte Sesshaftigkeit möglich: Nachdem die junge Crew während der ersten Jahre den Malersaal bespielen konnte, musste sie in die Gaußstraße nach Altona umziehen, um von dort wieder zurück auf die große Probebühne des Haupthauses an der Kirchenallee zu wechseln.
Ein idealer Standort
Das stetig nachwachsende Publikum von Vorschulkindern bis zu jungen Erwachsenen folgte den großartigen Theaterstücken überall hin. Das wird auch in Zukunft so sein, hofft Klaus Schumacher: „Der neue Standort ist ideal, weil im direkten Umfeld eine große Schul- und Familiendichte zu finden ist, aber wir wollen natürlich weiterhin ein Theater für ganz Hamburg sein und hoffen, dass viele den sehr einfachen Weg nach Barmbek finden. Die nächsten U- und S-Bahn-Stationen sind nur drei Gehminuten entfernt.“
„Making of Sophie Scholl“
Zehn Premieren stehen in der aktuellen Spielzeit auf dem Programm. Am 2. Oktober 2021 geht es los mit der offiziellen Einweihung und der Uraufführung von „Making of Sophie Scholl“. Die 1921 geborene Widerstandskämpferin wurde von den Nazis ermordet; im Mittelpunkt des von der Dramaturgin Stanislava Jević und Schumacher entwickelten Stücks steht eine komplexe junge Frau, die auch, aber eben nicht nur Heldin war. Für diese Inszenierung erweitert sich das Ensemble mit den sechs festen Spielerinnen und Spielern um drei Gäste. „Wir tun so, als ob wir einen Film produzieren. Dabei wandern wir mit dem Publikum durch den Backstage-Bereich, das Lager, die kleine und große Probebühne, bis wir schließlich auf der großen Bühne landen.“
Durchs ganze Haus
Alles beginnt im Foyer mit einem für Filmpremieren typischen – hier von Schumacher inszenierten – Rummel. Danach ergibt sich ein schlüssiger Gang durchs Haus, bei dem das Publikum wie nebenbei die wichtigsten Räume des Jungen Schauspielhauses kennenlernt. „Hier haben wir 3.500 Quadratmeter zur Verfügung, und alles ist nach unseren Vorstellungen entstanden; ein Lager direkt hinter der Bühne zu haben, ist für jegliche Wechsel toll“, schwärmt Schumacher. Außerdem verfügt der große Theaterraum über eine Drehbühne, über die sich das Ensemble ganz besonders freut.
Auch für junge Theaterfans
Anders als bisher, ist das Junge Schauspielhaus nun Teil eines Theater-Zentrums, denn die Theaterakademie der Hochschule für Musik und Theater ist ein Nachbar, der sich für künftige Kooperationen anbietet; Absolventen werden die Chance bekommen, hier inszenierend neue Formate zu erproben. Doch die wichtigste Innovation ist das Angebot der Teilhabe: Zwei Jugendclubs arbeiten mit erfahrenen Theaterpädagogen auf einen Bühnenauftritt hin; für interessierte Amateure gibt es ein wöchentliches Theatertraining; der Choreograf Tomas Bünger spürt mit zwölf gecasteten Jugendlichen im Projekt „listen to my story“ unterschiedliche Herkunftsgeschichten auf; und in den Frühjahrsferien lockt „YOUtopia“ junge Theatergängerinnen und Theatergänger. Viel Platz für neue Ideen in großzügigen Räumen. „Jetzt fehlen nur noch junge Menschen, die hier schauen und spielen. Ohne dieses Leben wäre die Architektur sinnlos.“
Eröffnung der Spielstätte am Wiesendamm 28, 2.10., 18 Uhr; 19.30 Uhr: „Making of Sophie Scholl“
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Oktober 2021. Das Magazin ist seit dem 30. September 2021 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!