SZENE Hamburg inside – Ehemalige erzählen

Hamburgs ältestes Stadtmagazin hat viele Autoren und Autorinnen kommen und gehen sehen. Zwei Ehemalige wurden gebeten, von ihren Erfahrungen bei SZENE HAMBURG zu berichten 
Silke Burmester als Volontärin in den Redaktionsräumen der SZENE HAMBURG (©privat)

Silke Burmester

Silke Burmester als Volontärin in den Redaktionsräumen der SZENE HAMBURG (©privat)

Ich habe der SZENE nicht nur eine tolle Zeit, sondern auch mein Kind zu verdanken. Beziehungsweise Kirstin Ruge, die damals Chefredakteurin war. Sie hatte mich als Praktikantin geholt und meinte, ich müsse unbedingt mal ihren Vorgänger Helmut Ziegler kennenlernen. Wir würden uns bestimmt total gut verstehen, sie hätte da so ein Gefühl.

Nachdem die damalige Geschäftsführerin Marion Schneider-Nägeli beharrlich mit ihrer goldenen Feile an Kirstins Nerven gesägt hatte und eins zum anderen gekommen war, verließ Kirstin von einer Minute auf die andere den Laden. Kurzerhand wurde der Volontär Klaus Vogt auf ihren Stuhl gesetzt und ich wurde Volontärin. Es war die Zeit in der Villa an der Alster. Als das Blatt in einer wunderbaren Zusammenstellung von Kunst-, Musik- und Literaturverrückten plus verstrahlten Partygänger*innen mit angefangenem Studium, hingebungsvoll erstellt wurde. Es war die Zeit, als zur Hauptproduktion eine Köchin kam und man mit einem Ohr an der Zimmerdecke hing, um zu hören, wenn es rumpelt. Tat es das, ging jemand in die obere Etage, um den Verleger wieder aufzustellen, oder den Krankenwagen zu rufen. Es war – mit wenigen Einschränkungen – großartig.

Als sich im Rahmen meines Volontärskurses eine passende Gelegenheit bot, Helmut Ziegler zu kontaktieren, tat ich das. Am Ende meiner Ausbildung war ich hochschwanger. Vor Kurzem ist unser Sohn 27 geworden.

Silke Burmester war von 1994 bis 1996 bei SZENE HAMBURG. Nachdem sie rund 25 Jahre als Journalistin und Kolumnistin u. a. für „Der Spiegel“, „Die Woche“, „taz“, „Die Zeit“ und „Amica“ tätig war, hat sie 2020 „Palais F*luxx, Onlineportal für Rausch, Revolte, Wechseljahre“ gegründet. Außerdem lehrt sie u. a. an der Akademie für Publizistik und der Henri-Nannen-Schule kreatives Schreiben. 

Jochen Siemens

„Stern“-Redakteur Jochen Siemens ist für die Zeit bei der SZENE HAMBURG bis heute dankbar (©Paul Schirnhofer)

Info

Beide Autoren haben sich dafür entschieden, ihr Honorar an HILF MAHL! zu spenden. HILF MAHL! ist eine gemeinnützige GmbH, die vorwiegend in den Wintermonaten Spenden für Obdachlose in Hamburg sammelt.

Es war Anfang und Mitte der 80er-Jahre, SZENE HAMBURG war gerade zehn Jahre alt geworden und es gab eine Party im „Voilá“, auf der sicher viel Hamburger Prominenz herumlief, unvergesslich blieb aber Rex Gildo, der da spätnachts auftauchte, was uns damals etwas peinlich war, denn wir hatten auf Blixa Bargeld oder Udo Lindenberg gehofft. Udo kannten wir ein wenig, weil er manchmal in der Redaktion in dieser unvergessen riesigen, schönen Altbauwohnung im ersten Stock in der Hallerstraße 72 vorbeikam, „Hallöle Getöse“, Udo eben. Dort saßen wir mit Schreibmaschinen, IBM-Satzmaschinen und Layouts auf Pappen und machten dieses Heft und vor allem saß dort Klaus Heidorn, Gründer, Verleger und Chefredakteur der SZENE, ein Mann, dem ich und etliche andere bis heute viel zu verdanken haben. Denn Klaus gab uns jungen Reportern, Fotografen und Grafikern etwas, was das Wesen guten Blattmachens ist: Freiheit.  

Wir, viele noch Studenten oder andere Lebensanfänger, konnten im Kleinen das ausprobieren, was wir bei den Großen, bei „Spiegel“, „Stern“, der Zeitschrift „Life“ oder Andy Warhols „Interview“ bewunderten oder auch nicht. Denn selbstverständlich glaubten wir, das besser zu können. Weil wir nicht vorher überlegten, wie eine Geschichte werden könnte und ob sie denn und so weiter. Wir waren so „mal sehen, was passiert“. Freitag überlegt am Samstag in der Mönckebergstrasse als „haste mal ne Mark“-Bettler zu spazieren, Samstag zum Frühstück zwei Bier getrunken und los, Fotograf versteckte sich.  

Oder einmal: zwei Burschenschafts-Studenten am Kleinanzeigen-Tresen gesehen, solche, die sich damals noch mit Säbeln schlugen. „Klaus, ich trete da mal unter falschen Namen ein, mal sehen, was passiert.“ „Mach das!“ Zwei Wochen später große Reportage und Hausverbot in allen Hamburger Burschenschaften.  

Und dann fallen mir noch die Sonnenaufgänge ein. Einmal im Monat, Schlusstag des Heftes, ging immer die Nacht durch, dann bei Morgengrauen die fertigen Layouts in großen Mappen in die Litho gebracht und dann in die „Schlachterbörse“ am Schlachthof. Und da saßen wir dann zwischen all den Metzgern und einer sagte „Mach doch mal eine Frühschicht bei uns mit. Mal sehen, was passiert“. Die Geschichte im nächsten Heft hieß „Der Bauch von Hamburg“.

Jochen Siemens war von 1980 bis 1986 bei der SZENE HAMBURG; seit 1991 ist er Redakteur beim „Stern“ und schreibt u. a. über die Themen Film, Musik, Mode, Fotografie. Zudem veröffentlichte er die Bücher „Closeup“ und „Besuch von oben“.

Dieser Text ist zuerst im Jubiläumsmagazin von SZENE HAMURG erschienen, jetzt zusammen mit der aktuellen Monatsausgabe am Kiosk oder online bei uns im Shop.

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