Hillel: „Ein Kreis hat sich geschlossen“

Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Für SZENEzeigen fischen wir sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Diesmal sind wir Hillel begegnet
„Ob ich geglaubt hätte, dass ich jemals nach Deutschland auswandern werde? Nein, wirklich nicht“, sagt Hillel (©Paula Budnik)

„Ich bin Hillel Lowinsky und vor zehn Jahren bin ich von New York nach Deutschland ausgewandert. Der Grund war meine Frau. Ich habe Aurelia in Israel kennengelernt. Dort habe ich an dem Programm ‚Birth Right Israel‘ teilgenommen, mit dem Juden das Land und die Kultur kennenlernen sollen. Nachdem wir für einige Zeit eine Fernbeziehung geführt haben, bin ich 2013 nach Deutschland ausgewandert und über Erlangen nach Hamburg gekommen. Die Stadt ist zu meiner Heimat geworden. Und über die Arbeit bei einer Kaffeerösterei in Blankenese habe im Dezember 2019 mein eigenes Café hier in Eppendorf eröffnet. Mit dem ‚Lowinsky’s‘ habe ich mir einen Traum erfüllt.

Ob ich geglaubt hätte, dass ich jemals nach Deutschland auswandern werde? Nein, wirklich nicht. Obwohl ich ziemlich viele Verbindungen zu diesem Land habe: Meine Urgroßeltern sind als jüdische Ukrainer nach Deutschland ausgewandert. Mein Großvater, dessen Gesicht man übrigens auch im Logo von meinem Café sehen kann, wurde in Deutschland geboren. Doch dadurch, dass seine Eltern nach Deutschland geflohen waren und nicht direkt die deutsche Staatsbürgerschaft bekamen, war mein Großvater Edward staatenlos. Er bekam weder die deutsche noch die ukrainische Staatsbürgerschaft. Und dass, obwohl er hier aufgewachsen ist und sein ganzes Leben hier verbracht hat. Ich finde das etwas befremdlich, weil ich denke, das jeder, wirklich jeder irgendwo dazu gehören sollte.

Familie ist Heimat

Als Jude habe ich auch Verwandtschaft, die zur Zeit des Holocaust nach Israel ausgewandert ist. Aktuell sind es komische Zeiten, wenn man sich die politischen Geschehnisse so anguckt. Es macht mich traurig. Die Geschichten meiner Vorfahren gehören zu meiner Identität und ich habe, so wie alle, den starken Wunsch nach einem Zuhause. In Hamburg bin ich glücklich, auch wenn ich weiß, dass es für mich schwer sein wird, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen. Denn alle Papiere, die beweisen würden, wie sehr ich mit Deutschland verwurzelt bin und welche Wege meine Familie auf sich genommen hat, wurden im Krieg verbrannt. Dieser Zustand löst in mir manchmal ein Gefühl von Staatenlosigkeit aus, auch wenn ich einen unbefristeten Aufenthaltstitel habe. Dieses Gefühl haben mit Sicherheit viele, egal ob sie eine Staatsbürgerschaft haben oder nicht. Man hat das Gefühl nie zu 100 Prozent abgesichert zu sein.

Für mich hat Jüdischsein jedoch auch viel mit Deutschsein zu tun. Einfach, weil meine Familie hier gelebt hat. Meine Familie hatte einen krassen Weg, aber dadurch, dass ich jetzt hier in Deutschland bin, habe ich ein wenig das Gefühl, dass sich der Kreis geschlossen hat. Das hat natürlich auch mit meiner Frau, meinem Kind und dem Café zu tun. Ich möchte hier bleiben und das wird wahrscheinlich auch klappen. Es ist schön zu wissen, dass ich in Deutschland bin und eine andere, schönere Erfahrung hier machen kann als die, die meine Vorfahren machen mussten.“

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