Martin: „Es hilft zu verstehen, dass man Menschen nicht ändern kann“

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Foto: Kevin Goonewardena

Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Begleitet von hvv switch fischen wir sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Diese Woche sind wir Martin begegnet.

Protokoll & Foto: Kevin Goonewardena

„Jan Delay hat einen Song geschrieben, der heißt „Kartoffeln“ und den finde ich sehr bezeichnend – zumindest für mich. In dem Song rappt er darüber, dass wir Kartoffeln zwar viel Stärke haben, aber keinen Geschmack. Und deswegen in die Großstadt müssen, denn dort sind die vielen Gewürze.

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Das sehe ich ganz genau so. Ich komme aus Emden in Ostfriesland und bin nach meiner Ausbildung weggezogen. Ich mag es mit unterschiedlichen Gewürzen in Berührung zu kommen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich mich hier in Wilhelmsburg so wohl fühle. Wo sonst hört man neun bis zehn Sprachen im selben Bus? Auch wenn ich die meisten davon nicht verstehe, finde ich das immer ganz geil, nicht so im eigenen Sud rumzuhängen. Dieses Blasen-hafte ist noch nie so meins gewesen. Ich war auch in Emden schon eher der Rucksack-Dude, der nicht HipHop, nicht Punk, nicht Metall oder sonst was war. Ich fand es schon damals geil, mit allen down zu sein, einen Abend bei den Metallern im Proberaum rumzuhängen, dann bei den Punks, später kam HipHop dazu. Mit möglichst vielen Sachen in Kontakt zu kommen und sich nicht in nur einem Freundeskreis zu bewegen, der ja eh meist nur dadurch zustande kommt, weil die Leute eine ähnliche Einstellung, eine ähnliche Haltung zum Leben haben, macht das Leben spannender.

Mich macht zwar eine Offenheit, eine Neugier, eine gewisse Unbekümmertheit aus, aber ich finde Vorurteile per se gar nicht schlimm. Ich habe mal gelesen, dass der Kopf automatisch Dinge in Schubladen einordnet, um nicht von dem was sonst ungefiltert auf einen einprasseln würde, überfallen zu werden. Wenn du einen Punker siehst, dann speicherst du den so ab. Aber man sollte den Leuten die Möglichkeit geben, da wieder raus zu kommen. Kann ja sein, dass ich am Wochenende einen Punker sehe und am Montag muss ich zur Bank und bei dem dann ein Girokonto eröffnen. Und das muss möglich sein. Um ein gewisses Denken, was man so hat, wenn man Leute sieht, die sympathisch findet oder nicht, da kommt man nicht drumherum, aber die Leute dann aus dieser Schublade nicht mehr raus zu lassen, das wäre wack.

Frage des Blickwinkels

Wenn man Menschen kennenlernen will, muss man in Kauf nehmen, dass sie nicht so denken wie man selbst, dass deren Meinung nicht deckungsgleich mit der eigenen ist. Wenn da jetzt der Arm hochgeht, dann geht das gar nicht, aber ansonsten … Ich mag mich lieber angeregt unterhalten, diskutieren, argumentieren – solange es nicht menschenverachtend wird. Aber man muss nicht immer einer Meinung sein.

Es ist aber auch eine Frage des Blickwinkels: Wenn du auf einem Stuhl in einem Raum sitzt und du kannst nur drei Ecken sehen, dann hat sich der Raum nicht geändert, wenn du den Stuhl verstellst und auch noch die andere Ecke sehen kannst. Aber vielleicht sehe ich dann in der Ecke die Tür, durch die ich raus kann.

Es hilft zu verstehen, dass man Menschen nicht ändern kann – das können nur sie selbst. Mal geht das besser, mal schlechter.“

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