Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Für SZENEzeigen fischen wir sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Diese Woche sind wir Saskia begegnet
Protokoll: Katharina Stertzenbach
„Ich bin Saskia und ich bin nicht-binär*. Ich lebe queer und polyamor. Das heißt ich definiere mich weder als weiblich noch als männlich und führe zu mehreren Personen zugleich eine Liebesbeziehung.
Viele denken, dass queere Menschen im Jahr 2022 in Deutschland ein gleichberechtigtes, sicheres Leben führen. Das ist aber nicht der Fall. Und es ist auch egal ob du auf dem Dorf lebst oder in einer Großstadt. Wenn ich mit einer Person, mit der ich eine Beziehung führe und die weiblich gelesen wird, auf der Straße Händchen halte, dann werden wir angestarrt, es wird getuschelt und wir werden auch körperlich angegriffen.
Wir achten fast immer darauf, in welchem Viertel wir gerade sind und überlegen uns zwei Mal, ob wir dort Händchen halten oder uns in der Öffentlichkeit küssen. Wenn ich mit einem männlich gelesenen Partner rausgehe, passiert das alles nicht. Wir müssen uns keine Sorgen machen, weil wir der Norm entsprechen. Ich glaube die wenigsten Hetero-Pärchen haben sich jemals gefragt, ob sie die Hand ihres:r Partner:in nehmen können. Sie müssen sich eigentlich nie Sorgen macht, angegriffen zu werden – egal ob verbal oder körperlich.
„Als normative cis Hetero Frau wäre es leichter“
Ja, es gibt immer mehr Menschen, die sich als queer identifizieren und das auch öffentlich machen. Das liegt aber auch daran, dass wir immer mehr Repräsentation haben und in den sozialen Medien immer sichtbarere sind. Dadurch wächst der Mut der Leute, zu sich zu stehen und ihre Queerness öffentlich zu machen. Mir wurde 27 Jahre gesagt, ich sei nicht queer. Doch ich weiß es, seitdem ich elf bin. Trotzdem hat es 15 Jahre lange gebraucht, bis ich damit offen umgegangen bin. Der Grund? Ich war einfach unsicher.
Erklärt mir bitte, wieso es historisch und gesellschaftlich cool ist, queer zu sein?! Es ist ein sehr anstrengendes Leben. Ich hätte ein leichteres Leben, einen leichteren Alltag, wenn ich einfach eine normative cis Hetero Frau wäre.
„Wir brauchen Verbündete“
Nicht, dass das falsch verstanden wird: Queer sein ist Joy. Ich bin jetzt an einem Punkt in meinem Leben, wo ich super proud darauf bin. Aber der Weg dorthin war richtig kacke. Der Familie zu sagen, dass man queer ist, macht kein Kind oder Jugendlicher, weil es cool ist. Gegen den Strom der Mehrheitsgesellschaft zu schwimmen ist fucking schwer. Das Anstrengendste ist, dass es queere Menschen selbst sind, die die anderen Menschen aufklären müssen.
Dass, was wir brauchen sind Verbündete. Alle kennen das Bild, wenn eine Frau an einer Gruppe von Männern vorbeigeht und die pfeifen hinterher – in solchen Momenten ist es viel wirksamer, wenn einer der Männer sagt ‚Ey, das geht gar nicht. Hört auf damit!‘. Denn die Frau geht als Einzelperson in den seltensten Fällen zurück und sagt etwas. Genau dieser Mann, der etwas sagt, dass sind Menschen die wir als Verbündete brauchen. Verbündete, die nicht queer sind, die in Situationen, wo sie etwas mitbekommen, etwas sagen und dagegenhalten.“