Tessa Petzoldt: Blumentochter

Die Blumenhändlerin Tessa Petzoldt entschied sich nach beruflichen Umwegen, wie ihr Großvater und Vater ins Blumengeschäft einzusteigen. Doch sie geht ihren eigenen Weg und entdeckt dabei andere Geschäfts- und Vermarktungsmodelle – eine Reportage
Zusammen mit ihrem Bruder Robin (r.) verkauft Tessa Petzoldt (l.) dienstags und freitags Blumen auf dem Isemarkt (©Katharina Stertzenbach)
Zusammen mit ihrem Bruder Robin (r.) verkauft Tessa Petzoldt (l.) dienstags und freitags Blumen auf dem Isemarkt (©Katharina Stertzenbach)

Metallräder rattern über den Asphalt auf einem Hinterhof in Winterhude. Das Klappern bricht die Morgenstille. Im Blumenlager schleppen Tessa Petzoldt, ihr Bruder Robin und Kollege David große viereckige befüllte Blumenbehälter mit Tulpen, Rosen und Hyazinthen auf Rollcontainer – die Blumen, die sie nachher verkaufen werden. Alles muss schnell gehen. Die Handgriffe sitzen – trotz Müdigkeit. Alles Routine und dennoch immer wieder aufregend.

7.30 Uhr: Tessa eilt aus dem Lager und verabschiedet sich schnell von Robin und David, man sieht sich gleich auf dem Isemarkt. Anschließend springt David in den Transporter und fährt los Richtung Isestraße. Einen Zwischenstopp legt er in einem von Tessas Blumenläden in Eppendorf ein. Hier holt er gebundene Sträuße ab – zum Sträuße binden wird gleich keine Zeit sein. Auf der Fahrt zum Markt ruft Tessa an: „Wir stehen heute wieder bei dem Übergang zur Brahmsallee.“ Angekommen, herrscht immer noch Aufregung. Denn heute hätte Tessa fast keinen Platz auf dem beliebten Wochenmarkt direkt unter den Gleisen der U3 bekommen.

Blumen-Business gleich Familienbusiness

Viele Händler und Händlerinnen haben das Wochenmarktgeschäft, wie hier auf dem Isemarkt, während der Pandemie für sich entdeckt. So auch die Petzoldt-Geschwister. Der Blumenhandel liegt Tessa in den Genen. Bereits ihr Großvater Hans Petzoldt führte ab den 1960er-Jahren in Hamburg sechs Blumenläden. Ihre Eltern besitzen seit 30 Jahren ein Geschäft in Winterhude. Tessa war daher von vornherein klar, dass das Geschäft mit den Blumen kein leichtes ist. Dennoch entschied sie sich nach beruflichen Umwegen doch dafür. 2010 eröffnete sie ihren ersten eigenen Laden „Blumentochter“ in Eppendorf. Und das mit großem Erfolg: Mittlerweile hat sich sogar eine richtige Fan-Community etabliert. Auf Instagram folgen Tessa über 6000 Menschen. Das zeigt nicht nur, dass die Blumenhändlerin beliebt ist, sondern auch, dass sie weiß, wie Marketing im Jahr 2023 funktioniert. Auch ihr Bruder Robin stieg irgendwann mit ins Blumengeschäft ein. Tessas Mann sitzt im Backoffice: wieder ein echtes Familienunternehmen.

Tessa eröffnete fünf weitere „Blumentochter“-Filialen. Doch dann kam die Pandemie. Drei Filialen mussten schließen, drei blieben. Neue Geschäftsmodelle mussten her. Und so entdeckten die Petzoldt-Geschwister das Wochenmark-Geschäft für sich. Einerseits durften Wochenmärkte in der Pandemie, unter Einhaltung der Corona-Maßnahmen, öffnen. Andererseits kostet sie ihr Stand auf dem Isemarkt nur 15 Euro. Doch auch schon vor der Pandemie war die Blumenbranche keine einfache. Wie viele in der Einzelhandelsbranche haben auch Blumenhändler und Blumenhändlerinnen mit Fachkräftemangel, dem Onlinehandel und sparenden Kunden und Kundinnen zu kämpfen. Der rettende Anker während des Lockdowns blieb aber auch über die Pandemie hinaus erhalten: Tessas Wochenmarktgeschäft.

Markttreiben 

Tessa weiß, wie das Blumen-Business läuft (©Katharina Stertzenbach)
Tessa weiß, wie das Blumen-Business läuft (©Katharina Stertzenbach)

8.30 Uhr – Isestraße: David spannt zwei große Schirme auf. Mit ein paar routinierten Handgriffen bauen er und Tessa den Grundriss des Blumenstands in Windeseile auf. Tessa trägt die Blumenkübel von den Rollcontainern und drapiert sie auf die leer stehenden Flächen. Der Stand nimmt Formen an. Die gebundenen Sträuße sehen aus wie frisch von der Wiese gepflückt und stechen mit ihrem türkisfarbenen Papier noch mehr aus dem Blumenmeer heraus. „Mir ist es wichtig, dass der Stand den Kundinnen ins Auge sticht und auch ansprechend aussieht“, sagt Tessa. Die Männer ihres Teams würden da eher weniger drauf achten. Ihnen ginge es eher darum, dass alles schnell aufgebaut wird.

Dann steht der Stand und die ersten Kundinnen und Kunden kommen. Sie kaufen rote Tulpen, lachsfarbene Mohnblumen oder lila Hyazinthen. Man kennt sich. Es wird gefragt, wie es den Hunden geht. Denn Tessa gibt nicht nur Tipps für die Blumenpflege, sondern auch für das Führen an der Hundeleine. Der Stand wird voller. Einige Kundinnen und Kunden werden ungeduldig. Tessa ist ständig in Bewegung, schreibt Preisschilder, erklärt die Unterschiede zwischen den weißen „Top Model“ Tulpen mit rosa Spitze und den rot-orangefarbenen „Kolumbus“ Tulpen.  

„So kann es aber nicht weitergehen“ 

Ein Stand auf dem beliebten Isemarkt war in der Pandemie ein rettender Anker für die Blumentochter (©Katharina Stertzenbach)
Ein Stand auf dem beliebten Isemarkt war in der Pandemie ein rettender Anker für die Blumentochter (©Katharina Stertzenbach)

11.30 Uhr: Robin ist da. Das Blumen-Wochenmarkt-Team Petzoldt ist nun komplett. Zum Glück, denn jetzt wird der Markt richtig voll. Immer mehr Leute schlendern unter den Schienen der Hochbahn entlang und bleiben an dem Blumenstand stehen. Oben rattert die U3. Unten duftet es nach frischen Frühlingsblumen und wenn der Wind sich dreht, kommt Käse- und Kaffeeduft hinzu.

Der Isemarkt ist nicht nur bei den Hamburgerinnen und Hamburgern beliebt, sondern auch bei den Touristinnen und Touristen. Das macht ihn für die Petzoldt-Geschwister sehr lukrativ. Allerdings betreiben die beiden neben dem Wochenmarktgeschäft ja auch noch drei weitere Blumenläden. Das erfordert viel Koordination, Einsatz und Energie. Während Tessa rosa Tulpen an eine Kundin verkauft, ruft eine Mitarbeiterin aus dem Laden in der Hegestraße an. Sie fragt, wo welche Blumen sind und wie viel sie kosten. Tessa findet fast keine ruhige Minute. Sie ist seit über zehn Stunden auf den Beinen. Ihr knurrt der Margen, denn fürs Essen war heute noch keine Zeit. „So kann es aber nicht weitergehen“, sagt sie. Die Doppelbelastung zwischen den Läden und dem Wochenmarktgeschäft geht ihr an die Substanz.

Eine Antwort, wie das Modell Blumenläden und Wochenmarkt parallel zu managen weitergehen kann, hat sie noch nicht. „Es fehlen mir einfach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Leider unterschätzen viele die Blumenbranche. Es geht nicht nur darum schön hübsche Sträuße zu binden. Man muss auch fit im Kopfrechnen, wetterfest sein und schwere mit Wasser befüllte Blumenkübel den ganzen Tag von A nach B schleppen können“, sagt Tessa. Dennoch wird sie bald bestimmt einen neuen Plan für ihr Blumen-Business haben. Denn bis jetzt hat Tessa immer einen Weg gefunden. „Ich liebe, was ich tue.“ Es steht fest: Auch auf ihrem zukünftigen Weg dürfen die Blumen nicht fehlen. Sie ist ja schließlich Tessa Petzoldt, die Blumentochter.

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