SZENE HAMBURG: Frank, wie kamst du als Schauspieler zum Kindertheater?
Frank Puchalla: Angefangen habe ich in der freien Szene im Erwachsenenbereich. Als meine Tochter geboren wurde, kam eine Anfrage vom Deutschen Museum in München, das Schauspieler gesucht hat, die in der Adventszeit in den unterschiedlichen Abteilungen Geschichten erzählen und spielen. So habe ich das erste Mal selbst etwas für Kinder geschrieben und entwickelt. Als wir später im Einkaufzentrum Poppenbüttel Märchen erzählen wollten, brauchten wir schnell einen Namen und sind in Hans Christian Andersens Märchen „Däumelinchen“ an dem Wort „brekkekekex“ hängengeblieben. Damals habe ich nicht geahnt, dass dieser Name 30 Jahre lang halten muss.
Für alle Stücke, die ihr seitdem gespielt habt, hast du die Texte geschrieben?
Ja. Begonnen haben wir mit Märchen, die umgeschrieben wurden. Später habe ich eigene Stücke entwickelt.
Auf eurer Homepage heißt es, dass ihr ein großes Augenmerk auf die Qualität der Texte legt …
Ich bin extrem sprachbegeistert und habe immer gerne Schriftsteller gelesen, die gut mit Sprache umgehen können. Dass viele Leute meinen, für Kinder müsse alles möglichst einfach sein, finde ich sehr schade. Sie haben genau wie Erwachsene ein Anrecht darauf, dass man sich beim Formulieren Mühe gibt.
Wir wollen nicht belehren, sondern bestimmte Themen aufgreifen und von möglichst vielen Seiten beleuchten
Frank Puchalla
Wie nimmst du das Kinderpublikum wahr?
Ich fand es von Anfang an hinreißend. Es gibt niemals höflichen Applaus. Es gibt nur Begeisterung oder Langeweile. Das dann aber auch in beide Richtungen reichlich, sodass man – wenn man seine Sache gut macht – auch großzügig beschenkt wird.
Kindertheater möchte einerseits unterhalten. Andererseits wird aber oft auch ein didaktischer Anspruch damit verbunden. Wie findet ihr zwischen diesen beiden Polen das Gleichgewicht?
Wir wollen nicht belehren, sondern bestimmte Themen aufgreifen und von möglichst vielen Seiten beleuchten. Im besten Fall finden dann mit den Kindern, Verwandten oder Lehrkräften im Nachhinein noch Gespräche oder Diskussionen statt, bei denen vielleicht auch neue Aspekte zum Tragen kommen. Wenn es diese zweite Ebene nicht gäbe, mit der ich mich ja selbst auch intensiv beschäftige, würde ich die zwölf bis 15 Monaten vom Erstellen des Förderantrags bis zur fertigen Produktion gar nicht durchhalten. Das wäre mir viel zu langweilig.
Eines der drei Stücke, die zu eurem 30. Jubiläum im Fundus Theater zu sehen sind, heißt „Die Glücks-Bringer“. Ein clowneskes Stück über Freundschaft und die Bedeutung von Glück …
Und kurz vor den „Glücks-Bringern“ haben wir ein Stück über den Umgang mit Zeit gemacht: „TempoTempo!“. In einem anderen Stück fragen wir, warum wir überhaupt lernen. Geht es dabei wirklich nur um wirtschaftlichen Erfolg? Ich übersteigere die Dinge auch gerne ins Absurde, um sie zu verdeutlichen.
Die Gruppe hinter dem Theater Brekkekekex
Wie setzt sich eure Gruppe zusammen?
Ursprünglich waren wir zu dritt: meine damalige Frau Dagmar Puchalla, der Cellist Uwe Schade und ich. Als wir unsere Tochter bekommen haben, konnte Dagmar nicht mehr so viel unterwegs sein. Ein Jahr später war Uwe dann stark in seine eigene Gruppe Theater Triebwerk eingespannt, sodass ich mir noch andere Mitspieler suchen musste. Ich habe oft mit Sandra Kiefer gearbeitet, die jetzt aber auch das Theater Das Zimmer leitet und dort viel Zeit investiert. Neu dabei ist Dorothee de Place, die mehrere Jahre das inklusive Klabauter Theater und Ensemble geleitet hat.
Ich finde, Eltern sollten grundsätzlich ihre Kinder viel häufiger zu bestimmten Sachen befragen, weil da erstaunliche Antworten kommen. In einem Gespräch nach unserem Stück zum Thema Zeit sagte ein Mädchen: „Ich habe keine Zeit. Meine Zeit hat meine Mutter.“ Da konnte ich mir vorstellen, wie ihr Leben aussieht: in die Schule gehen und danach Kurse und Veranstaltungen besuchen, die die Mutter geplant hat. Wir hatten damals als Kinder unsere eigene Zeit, um uns zu entwickeln. Heute muss alles organisiert und abgesprochen sein, damit es in den Alltag passt.
Welche Stücke außer „Die Glücks-Bringer“ werdet ihr im Dezember noch im Fundus Theater aufführen?
Die älteste der drei Produktionen, „Zwerg Nase“, entstand 1997 und wurde mit ganz simplen Mitteln realisiert. Es gibt einen Hocker, einen etwas opulenteren Stuhl, ein Cello, eine lange Nase und eine große weiße Stoffserviette. Der Cellist sitzt fast die ganze Zeit, trägt die Nase und mimt den Zwerg. Die restlichen Figuren spiele ich dann nur mithilfe der Serviette.
Theater im ganzen deutschsprachigen Raum
Wo tretet ihr sonst noch auf? Ihr habt ja – wie fast alle Kindertheatergruppen – keine eigene Spielstätte.
Seit vielen Jahre führen wir fast alle unsere Premieren im Fundus Theater auf. Darüber hinaus spielen wir im ganzen deutschsprachigen Raum in Theatern, Kulturhäusern, Festivals oder direkt in den Schulen. Eine Zeit lang haben wir viel in Süddeutschland gespielt, weil da einfach mehr für Kultur ausgegeben wurde.
Und das dritte Stück?
„Schneck & Huhn“. Huhn ist ein Wesen, das einfach lostobt und immer den direkten Kontakt sucht. Schneck ist das genaue Gegenteil, scheut Kontakte und würde am liebsten gar nicht an die frische Luft gehen. Zufällig prallen die beiden aufeinander und müssen dann irgendwie miteinander umgehen. Wir haben das Stück vor eineinhalb Jahren mit Kindern des Bildungszentrums für Blinde und Sehbehinderte zusammen entwickelt. Wir bieten vorab eine Tastführung an, und der Text ist so geschrieben, dass blinde Menschen auch ohne Audiodeskription immer orientiert sind.
Ihr bietet auch Workshops für Kinder an. Zu welchen Themen?
Kürzlich haben wir das Thema Gerechtigkeit behandelt, mit Blick auf die aktuelle Entwicklung, dass wir uns immer öfter in unsere kleinen Blasen zurückziehen und dann schnell für etwas den Daumen heben oder senken. Damit machen wir es uns aber zu einfach. Wir haben uns darüber miteinander ausgetauscht, und die Schülerinnen – es war nur ein Junge dabei – haben sich vier Szenen überlegt, die wir in der Aula aufgeführt haben. Wir hatten mit zwanzig bis dreißig Besuchern gerechnet. Es kamen dann ungefähr 150, die sich auch rege an der Diskussion beteiligt haben.
Kann man vom Kindertheater leben?
Es wird immer schwerer, Gelder zu organisieren. Früher haben vielleicht ein oder zwei Förderanträge ausgereicht, heute braucht man sieben bis zehn. Man muss sich immer breiter aufstellen und gucken, wie man die unterschiedlichsten Töpfe miteinander zusammenbringt. Trotzdem ist es ein großer Luxus, dass es so viele Möglichkeiten gibt, Mittel einzuwerben für etwas, auf das viele Leute – glaube ich – leider gut verzichten könnten.
Dieses Interview ist zuerst in SZENE HAMBURG 12/25 erschienen

