Die Maschine: Goethes Gedicht, zum Brüllen komisch

In „Die Maschine“ seziert Regisseurin Anita Vulesica mit dem Ensemble des Deutschen Schauspielhauses Goethe-Gedicht „Über allen Gipfeln ist Ruh’“ – bald Kult?
Die Maschine im Deutschen Schauspielhaus
Fröhliches Verse-Verquirlen: „Die Maschine“ (©Eike Walkenhorst)

Fische fallen hin und wieder aus dem Schnürboden auf die Bühne. Babel-Fische vielleicht? Jene fiktiven, sprachbegabten Tierchen, die in „Per Anhalter durch die Galaxis“ in Ohren krabbeln und dort Übersetzerdienste leisten. Übersetzt, gedeutet und analysiert wird auch in der jüngsten Uraufführung am Schauspielhaus, dort indes übernimmt „Die Maschine“ diese Aufgaben.

„Die Maschine“, das sind sechs Menschen: eine weibliche Kontrollinstanz am höchsten Punkt der hierarchisch angeordneten Schreibtisch-Reihe, drei männliche Speicher auf nach unten führenden Stufen, ein Kabel-Chaos-Verwalter sowie ein das Publikum ansprechender Vermittler – der dem Autor des Stücks, dem 1982 verstorbenen Franzosen Georges Perec, ähneln soll. Als Karikatur eines Chatbots führen die vier Kernkompetenz-Bestandteile der Maschine (Sandra Gerling, Moritz Grove, Daniel Hoevels, Christoph Jöde) folgende Operation durch: die Analyse von Goethes berühmtem Gedicht „Über allen Gipfeln ist Ruh’“. Allerdings ist der operierte Achtzeiler nach dem Eingriff kaum noch wiederzuerkennen – und das ist zum Brüllen komisch!

Die Maschine, auf dem Weg zum Kultstück?

Unterschiedlichste Befehle kommen von oben, von der Kontrolleurin: Zunächst erfolgt das Zerlegen des Texts in seine Komponenten (dadaistisch), dann die Rezitation in Dreier-Wort-Gruppen (sinnbefreit) und schließlich die Änderung der Reihenfolge aller Worte nach dem Zufallsprinzip – je mehr Sinn verloren geht, desto witziger die Sprach-Variante. Nach Wort-Auslassungen und -Verdopplungen sowie dem sinnentstellenden Einbau von Verneinungen folgt die Übersetzung in „Contemporary Body-Movement“ – ebenso groteske wie komische Tänze. Mit ihrem Erstling am Schauspielhaus gelingen der Regisseurin Anita Vulesica 90 kurzweiligste Minuten, die das Zeug zum Kultstück haben, frei nach Ludwig Wittgenstein: (Nur) Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Inszenierung.

Die Maschine, Deutsches Schauspielhaus, 11., 16. November 2024 und weitere Termine

Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/2024 erschienen. 

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