Tom Kankowski: „Es geht um Vertrauen“

Tom Kankowski ist 19 Jahre alt und spielt mit der 2. Mannschaft des FC St. Pauli in der Regionalliga Nord. Ein Gespräch über Vertrauen, den Weg in den Fußball und seine Vorbildfunktion
Vertrauen
Tom Kankowski spielt aktuell mit der 2. Mannschaft des FC St. Pauli in der Regionalliga Nord (©FC St. Pauli)

Tom, du spielst aktuell in der Regionalliga Nord und steckst mit der 2. Mannschaft vom FC St. Pauli im Abstiegskampf. Mit welchem Gefühl gehst du in die Rückrunde?

Tom Kankowski: Ich finde, wir haben eine super Qualität. Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass wir eine gute Rückrunde spielen werden und es am Ende auch packen können.

Du bist in Norderstedt geboren und hast dein bisheriges Sportlerleben nur in Hamburg verbracht, wie verwurzelt bis du in der Stadt?

Ich bin in Hamburg groß geworden, meine Familie und Freunde wohnen hier und ich fühle mich extrem wohl. Dadurch ist es natürlich schön, hier zu spielen, aber letztendlich spielt der Standort für einen Profisportler nur eine kleine Rolle. Hauptsache, ich kann spielen. Mein Vertrag beim FC St. Pauli läuft noch bis 2024, deshalb mache ich mir ohnehin gerade keine Gedanken.

„Ich habe vielleicht ein wenig härter gearbeitet als andere“

Bist du denn neben Sportler auch Fan?

Ich bin schon St.-Pauli-Fan (lächelt). Das kommt von meinem Vater, der hat seit Langem eine Dauerkarte am Millerntor. Ich gehöre aber nicht zu denen, die für Pauli und gegen den HSV sind – schließlich habe ich ja auch eine Zeit beim HSV gespielt.

Mir fehlt von Geburt an die rechte Hand und ein Teil des Unterarms.

Tom Kankowski

Du wurdest schon von dem einen oder anderen als großes Talent bezeichnet, ist das Druck oder Motivation?

Für mich ist das kein Druck. Ich weiß ziemlich gut, was ich kann. Wenn ich dann noch öffentlich vom Trainer oder anderen gelobt werde, ist das schön und beflügelt mich eher.

Wie verlief denn dein Weg in den bezahlten Fußball?

Ich habe beim TuRa Harksheide, dem Norderstedter SV und beim HSV in der Jugend gespielt. Dann folgte mein Wechsel zum FC St. Pauli und nach der U17 und U19 spiele ich jetzt in der 2. Mannschaft. Ein ziemlich normaler Weg, für den ich aber vielleicht ein wenig härter gearbeitet habe als andere.

Warum?

Weil ich lernen musste, meinen rechten Arm auszugleichen. Mir fehlt von Geburt an die rechte Hand und ein Teil des Unterarms.

„Ich sehe mich selbst nicht als eingeschränkt“

Du bist derzeit der einzige Fußballer in Deutschland auf dem hohen Niveau mit diesem Handicap. Beeinflusst dich der fehlende Unterarm auf dem Platz?

Auf dem Platz trage ich mittlerweile freiwillig eine vom DFB freigegebene Prothese. Daher bemerkt man das Handicap auf den ersten Blick kaum. Beim Spiel selbst ist es auch dank der Prothese für mich überhaupt kein Nachteil. Ich kenne meine Fähigkeiten und weiß, wie ich den fehlenden Arm ausgleichen kann und muss. Aber wenn es darum geht, den Ball abzuschirmen, ist die Prothese auf jeden Fall hilfreich, das war ohne schwieriger.

Das heißt, es gab auch eine Zeit ohne Prothese?

Ja. Die Idee zur Prothese hatte ein Jugendtrainer in meiner Zeit beim HSV. Er hatte einen Spieler aus Österreich mit Prothese gesehen und mich gefragt, ob das eine Idee für mich wäre. Dann habe ich das ausprobiert und spiele seitdem mit der Prothese.

Bisher hatte ich in meinem Leben überhaupt keine Probleme. Aber das ist sicher nicht bei jedem so.

Tom Kankowski

Es gibt mit dem Ex-Footballer Shaquem Griffin und dem spanischen Profi-Fußballer Álex Sánchez noch zwei weitere Profisportler mit einem ähnlichen Handicap. Sind solche Sportler für dich als Vorbilder wichtig?

Es ist natürlich schön zu wissen, dass es Menschen in den Profisport geschafft haben, die das Gleiche haben. Aber ich gucke da nicht explizit hin. Ich sehe mich selbst auch nicht als eingeschränkt. Ich kenne mich so seit meiner Geburt und habe mich, genauso wie auch mein Umfeld, immer als normale Person wahrgenommen.

„Ich möchte auch Vorbild sein“

Hat der Arm auf deinem Weg sonst schon mal eine Rolle gespielt?

Es gab schon mal Gespräche, in denen der Arm ein Thema war. Ich habe damals nicht verstanden, warum es ein Thema sein sollte – auch weil es bis dahin und danach nie wieder eines war. Dadurch, dass der Arm thematisiert wurde, geriet meine Leistung auf dem Platz in den Hintergrund und ich habe mich nicht mehr so wertgeschätzt gefühlt. Im Fußball basiert vieles auf Vertrauen. Sei es gegenüber den Mitspielern, in die Verantwortlichen, in den Berater oder in einen selbst. Wenn das nicht da ist, funktioniert es nicht.

Wie gehst du damit um, wenn du auf dem Platz oder auch außerhalb der Medien auf dein Handicap angesprochen wirst?

Auf dem Platz gebe ich dann auch die entsprechende Antwort (lächelt). Und was die Öffentlichkeit angeht, stört mich das überhaupt nicht. Es ist für viele ein neues Thema und ich will auch darauf aufmerksam machen. Bisher hatte ich in meinem Leben überhaupt keine Probleme, weder in Richtung Mobbing oder irgendwie anders. Aber das ist sicher nicht bei jedem so. Deswegen möchte ich auch ein Vorbild sein.

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