Zwei Jahre Angriffskrieg: Drei Jugendliche und ihre Geschichten

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine jährt sich am 24. Februar 2024 zum zweiten Mal. In den zwei Kriegsjahren sind viele Ukrainerinnen und Ukrainer geflüchtet – auch nach Hamburg. Drei geflüchtete Jugendliche erzählen ihre Geschichte
Sofiia, Sofia und Yurii sind in den letzten Jahren aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet, uns erzählen sie ihre Geschichte (©Johanna Zobel/Sofia Vanian)

Mitarbeit: Sofia Vanian

Sofia (16) ist gleich nach Kriegsbeginn aus der Ukraine geflüchtet 

„Hamburg war und ist sehr gastfreundlich zu uns Ukrainern“, sagt Sofia aus Dnipro (©Johanna Zobel)

„Ich komme aus Dnipro, einer Großstadt im Südosten der Ukraine (rund eine Million Einwohner, Anm. d. Red.). Fünf Tage, nach dem Russland die Ukraine angegriffen hat, bin ich mit meiner Mutter, meiner Oma und meinem Hund mit dem Auto in die Westukraine gefahren. Von dort aus ging es mit dem Bus weiter bis zur Grenze zu Polen. Die mussten wir zu Fuß überqueren, was fünf Stunden dauerte, vor uns waren Hunderte von Menschen, die wie wir auf die Passkontrolle warteten. Einige Monate blieben wir dann in Polen, bis wir im Sommer 2022 nach Deutschland zogen, genauer: nach Hamburg.

Zuerst war hier alles sehr kompliziert. Es war einfach eine neue Kultur für mich, ich kannte niemanden und habe nichts verstanden. Aber es dauerte nicht lange, bis ich mich zu Hause fühlte. Hamburg war und ist sehr gastfreundlich zu uns Ukrainern, die Leute hier wollen immer gerne helfen. Und es gibt freie Kurse für Kinder und Erwachsene, damit wir Kontakte knüpfen und uns anpassen können. Ich mag Hamburg, auch, weil es eine sehr schnelle und lebendige Stadt ist, in der man immer in Bewegung bleiben muss. Aber ich vermisse auch die ukrainische Kultur und die Menschen dort.“

Yurii (16): „Ich habe ein neues Zuhause gefunden“

„Klar vermisse ich die Ukraine“, sagt Yurii aus Konotop (©Sofia Vanian)

„Meine Heimatstadt ist Konotop, hat rund 80.000 Einwohner und liegt im nördlichen Teil der Ukraine. Zu Kriegsbeginn gab es dort keine Explosionen. Ich habe auch nur eine einzige Panzerkolonne gesehen, die auf der Durchfahrt war. Nach vier Monaten Krieg haben meine Eltern und ich uns trotzdem entschieden, dass es sicherer ist, wenn meine Mutter und ich die Ukraine verlassen. Mein Vater musste dort bleiben. Er hat meine Mutter und mich mit dem Auto eines Freundes bis zur Grenze zu Polen gefahren.

In Polen haben wir einen weiteren Freund getroffen, der uns nach Hamburg gebracht hat. Dort angekommen, habe ich sofort die Freundlichkeit der Menschen gespürt. Ich fühlte mich willkommen. Es war ungewohnt viel los, so was kannte ich nicht aus Konotop, aber das machte mir nichts. Ich liebe Hamburg seit dem ersten Tag! Auch in der Schule habe ich schnell Freunde gefunden. Und es war und ist spannend, eine neue Sprache zu lernen – ich mag Deutsch. Klar vermisse ich die Ukraine, meine Familie dort, meine Haustiere. Aber Hamburg hat mir neue Türen geöffnet. Ich habe ein neues Zuhause gefunden.“

Sofiias (15) Flucht aus der Ukraine dauerte fast zwei Wochen

„Unser Leben hat sich in kürzester Zeit völlig verändert“, sagt Sofiia aus Odessa (©Sofia Vanian)

„Ich komme aus der Hafenstadt Odessa, also aus dem Süden der Ukraine. Als der Krieg begann, sind meine Mutter, mein Bruder und ich zu unserem Gartenhaus gefahren, das wir am Stadtrand haben. Dort, dachten wir, wären wir in Sicherheit, aber bald zischten auch da Raketen vorbei, teils direkt über unserem Dach. Wir entschieden uns, das Land zu verlassen. Zuerst sind wir mit dem Auto nach Moldau – das waren 34 Stunden Fahrt. Übernachtet haben wir in Moldau in einem Camp für Geflüchtete, bevor es weiterging nach Chișinău, wo wir zwölf Tage blieben. Dann sind wir mit dem Bus nach Nürnberg – wieder gute 30 Stunden.

In Deutschland angekommen, erhielt meine Mutter ein Jobangebot, aber nicht in Nürnberg, sondern in Hamburg. Seitdem sind wir hier.
Für mich – genau wie für alle anderen, die die Ukraine verlassen mussten – war es ein langer, schwerer Weg. Ich meine: Unser Leben hat sich in kürzester Zeit völlig verändert. Plötzlich finden wir uns Tausende Kilometer von zu Hause entfernt wieder und fangen neu an. Schwer zu begreifen, und keiner weiß, wie es weitergeht. Anfangs wusste ich nicht, was ich hier mache, fühlte mich auch nicht wirklich willkommen. Deutsch zu lernen fiel mir schwer, und ich wollte in keine neue Schule, wo mich keiner kennt und versteht. Außerdem vermisste ich die Ukraine. Ich brauchte einfach Zeit zum Ankommen. Schritt für Schritt wurde ich mutiger, habe die Sprache gelernt und viele gute Freundschaften geschlossen. Mittlerweile fühle ich mich sehr zu Hause in Hamburg.“

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 02/2024 erschienen.

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