SZENE HAMBURG: Vanessa und Markus, ihr seid bereits mehrere Jahre als Diversity-Trainerin und -Trainer tätig. Was genau macht ihr als solche?
Vanessa Lamm: Wir arbeiten seit 2016 im Auftrag der Stadt Hamburg als Diversity-Trainer:innen für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Dabei vermitteln wir Wissen zum Thema, erhöhen die Awareness bei den Teilnehmenden, also bieten Perspektivwechsel für Job und Alltag und geben sensibilisierte Handlungstipps an die Hand. Wir arbeiten fehlerfreundlich, um die Menschen auch mitzunehmen.
Es heißt, während eurer Arbeit sei euch das Problem aufgefallen, dass viele Menschen außerhalb der queeren Community ihre offene Haltung dieser gegenüber nicht proaktiv kommunizieren – und Queers dadurch verunsichert sind, wie die Reaktionen auf ein Coming-out sein könnten. Habt ihr über verschiedene Lösungsansätze nachgedacht oder seid ihr sofort auf Welcoming Out gekommen?
Markus Hoppe: Welcoming Out bietet ein einfaches Symbol an, mit dem Menschen ihrem sozialen Umfeld proaktiv signalisieren können, dass sie nicht geoutete lgbtiq±Personen zum angstfreien Coming-out ihnen gegenüber einladen. Denn viele Menschen zeigen ihre akzeptierende Einstellung nicht, oder reden nicht darüber. Dies führt häufig dazu, dass sich queere Menschen, aus Furcht vor negativen Reaktionen, nicht outen. Uns war klar, dass die Lösung des Problems darin besteht, etwas sichtbar zu machen, das unserer Erfahrung nach bei vielen Menschen vorhanden ist: Akzeptanz gegenüber queeren Menschen.
Die Idee, hierfür ein Symbol mit einer eindeutigen Botschaft der Akzeptanz zu nutzen, gab es von Beginn an. Wir wussten zwar nicht sofort, wie das Symbol und der Name sein werden, aber die Grundidee war von Anfang an klar. Wie wir Welcoming Out mit Leben füllen, um es als wiedererkennbares Symbol für Akzeptanz in der Gesellschaft zu etablieren und letztlich ein Movement anzustoßen, das entwickelt sich stets weiter.
Erste Erfolge – basierend auf Spenden
Zum Beispiel mit dem Tragen von Welcoming Out-Buttons und Social-Media-Posts mit dem Welcoming Out-Symbol kann die Unterstützung queerer Personen sichtbar gemacht werden. Welche Erfolge könnt ihr bisher verzeichnen?
Markus Hoppe: Wir erhalten viel positives Feedback – von Personen und Organisationen, online und offline. Immer mehr Menschen teilen unsere Button-Posts bei Social Media und haben ihr digitales Welcoming Out. Aber auch unser Unterstützungsbündnis Patrons of Welcoming Out aus Unternehmen und Organisationen trägt maßgeblich zu unserem Erfolg bei und hat sich seit Beginn der Initiative mehr als verdoppelt. Ein weiterer messbarer Indikator für den Erfolg sind unsere Buttons, die wir an über 70 Orten in Hamburg gratis zur Abholung bereitstellen.
Viele unserer Patrons wie das Jobcenter, einige Haspa-Filialen und die Bücherhallen Hamburg stellen Buttons-Spots. Auch immer mehr Kleingewerbe schließt sich an. Daher befinden sich in Hamburg derzeit 35.000 Buttons im Umlauf. Wir mussten mehrfach nachbestellen und nachliefern. Es gibt auch schöne Erfolgsstorys zu Coming-outs, aber es dürfen noch viel mehr werden. Wir freuen uns auch sehr, dass zunehmend Testimonials Welcoming Out unterstützen. Unter anderem konnten wir Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, Schauspieler Jannik Schümann und Radiomoderator und HSV-Stadionsprecher Christian „Stübi“ Stübinger gewinnen.
Unterstützung braucht auch Welcoming Out selbst – nämlich finanzielle. War es schwer, ausreichend Organisationen und Unternehmen zu finden, die euch helfen?
Vanessa Lamm: Organisationen für unsere Idee zu begeistern, war zum Glück selten ein Problem. Dass die Idee auch in so vielen Unternehmen verfängt, ist sicherlich auch der positiven Grundbotschaft zu verdanken. Zum öffentlichen Kick-off von Welcoming Out im Juni 2022, hatten wir bereits die Unterstützung von 21 Patrons – unter anderem HSV, Beiersdorf, Meta, hvv und Otto. Aktuell sind wir schon bei 45 und wir freuen uns über jeden weiteren Patron. Die finanzielle oder teilweise geldwerte Unterstützung ist bei dem breiten Spektrum verschiedener Organisationsformen und -größen unserer Patrons dabei variabel und abhängig von den verfügbaren Ressourcen.
Natürlich geht die schwierige wirtschaftliche Lage an unseren Patrons nicht spurlos vorbei und wir merken, dass das Geld nicht so locker sitzt. Mit mehr finanziellen Ressourcen könnten wir unsere Initiative skalieren und den tatsächlichen Bedarfen anpassen. Aktuell müssen wir aufgrund begrenzter Personalressourcen mehr reagieren und weniger gestalten. Aber wir sind dran, das zu ändern. Hierbei hilft jede kleine Spende oder jedes große Sponsoring.
Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 08/2023 erschienen.