Hadern mit Hader. Mit seinem Regie-Erstling „Wilde Maus“ ist Josef Hader auf Anhieb im Wettbewerb der Berlinale gelandet. SZENE HAMBURG hat den Kabarettisten getroffen
„Deutsche Sau“ ist nur eines der Schimpfwörter, die Josef Hader als Klassikredakteur Georg in der Sicherheit seines Kleinwagens brüllt, während er wie besessen auf das Lenkrad haut. „Beschissenes Arschloch“ ist ein anderes. Da hat er gerade seinen Job bei einer Wiener Tageszeitung verloren, für die er seit 25 Jahren durch die Konzerthauswelt schwänzelt. Herr Doktor nennt man ihn dort, hofiert ihn als Kenner und fürchtet ihn als Kritiker. Mit den Kraftausdrücken ist natürlich sein Chefredakteur gemeint – und derlei Ausbrüche gibt es in Haders Regiedebüt viele. Es wird rumgeschnauzt und aufgebraust, gegrantelt, gefuchtelt und gerauft.
Darauf angesprochen, ob die Ausbrüche denn Spaß gemacht haben, antwortet Hader ganz ruhig „ja, scho. Aber ist natürlich nur gespielt“.
Und so stellt sich beim Interview hoch über den Dächern von Berlin schnell heraus, dass Hader nicht nur Österreichs erfolgreichster Kabarettist ist, sondern mit Sicherheit auch der freundlichste. Einzig die Stimme ist etwas rau, zu sehr gezogen hat es auf der gestrigen Premierenfeier. Vielleicht sollte er seinen Auftritt morgen Abend absagen, überlegt er laut – da steht er mit seinem Kabarettprogramm „Hader spielt Hader“, mit dem er seit 20 Jahren durch ausverkaufte Häuser tourt, in Wien auf der Bühne. Aber dann wischt er den Gedanken doch gleich wieder fort.
Viel zu sehr Menschenfreund ist er dafür und davon ist auch sein Blick geprägt, mit dem er die Gesellschaft seziert. Eher herrlich trocken als bissig ist der, und so sind auch seine Geschichten, die von Typen erzählen, die sich gegen das Leben aufbäumen, aber dann doch feststellen, dass sie Würstel sind, Rohrkrepierer mit Ambitionen, denen irgendwann die Luft ausgeht.
Ganz so wie Feingeist Georg, der sich nach seiner Wegrationalisierung in einen Berserker verwandelt und irgendwann so nackt wie erschöpft und samt Whiskey und Colt im Schnee sitzt.
Dass beim Drehbuchschreiben Rache an der Kritikerzunft mitgeschwungen haben könnte, hat Hader bereits zur Genüge verneint. Auch jetzt schüttelt er nur lächelnd den Kopf.
Vielmehr hatte er in seinem Regiedebüt die Mittelschicht mit ihren Abstiegsängsten im Visier, die Gepämperten, die sich mehr um Bio, Gluten und um das Wohlsein des eigenen Körpers sorgen als um die Lage der Welt. So sind im Radio immer wieder Schreckensmeldungen über den Krieg in Syrien und Gräueltaten des IS zu hören, während Georg sich in seinem Prestigeverlust windet. Statt in der Redaktion treibt er sich fortanim Prater herum, fährt Kindereisenbahn, haut den Lukas und rüstet langsam auf. Zerkratzt er anfangs den Porsche seines Chefs, setzt er ihm später einen toten Riesenfisch in den Pool, nimmt dann Kontakt zu Wiens Unterwelt auf und greift schließlich selbst zur Waffe.
So deftig die Situationen sind, so fein ist Haders Witz. Auf Zoten fällt er nicht herein und vielleicht ist er deshalb mit seiner ersten Regiearbeit gleich im Berlinale-Wettbewerb gelandet.
Nach der Zusammenarbeit mit Krimiautor Wolf Haas und den daraus entstandenen, gefeierten Brenner-Krimis wollte er einfach mal alles allein machen, vom Drehbuch über die Hauptrolle bis zur Regie und dem Schnitt und mal schauen, „wie es ist, sich selbst etwas auszudenken“. Sein wichtigster Anspruch dabei: „Auf keinen Fall das Erwartbare zu liefern, dieses hässlich gefilmte Schrullig-österreichische“.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren
Zehn Drehbuchfassungen hat Hader geschrieben, bis für ihn „die Balance zwischen dem Komischen und dem Tragischen stimmte“, bis eine Geschichte entstand, die man nicht nur in Österreich, sondern überall versteht – und die gespickt ist mit herrlichen Hader-Sätzen. „Ein bisschen Fleisch hätte Hitler vielleicht gutgetan“ wird da der Parmesan, der angeblich Kalbsmagen enthält, gegenüber einem Veganer verteidigt, während Georgs Gattin Johanna die Avancen ihres viel jüngeren Nachbarn, der den Altersunterschied sehr befruchtend findet, mit den Worten abschmettert, dass man das wohl auch Mädchen vor der Zwangsheirat erzählt. Dazu wird Rotwein getrunken und Pärchensport betrieben, auf Fisch aus der Aquazucht verzichtet und pünktlich beim Eisprung gevögelt, weil zumindest Georgs jüngere Frau einen Kinderwunsch hat. Pia Hierzegger spielt sie, auch im wirklichen Leben mit Hader verbandelt.
Doch als Family Affair will er den Film keineswegs sehen. Bei seiner ersten Regiearbeit wollte er sich zumindest mit ein paar vertrauten Schauspielern umgeben, mit denen er schon öfters gearbeitet hat. Dazu gehört Pia Hierzegger genauso wie Nora von Waldstätten und Georg Friedrich mit seiner herrlich verschlagenen Fresse. Der spielt den Schrauber Erich, der im Prater das heruntergekommene Fahrgeschäft Wilde Maus ersteht und mit Georg wieder flottmacht. Und weil „auf dieser Insel, nur drei U-Bahn-Stationen von der Stadt entfernt, unausgesetzt die furchtbarste Musik Wiens gespielt wird“, war es für Hader ein Muss, den Musikkritiker dorthin zu versetzen.
Überhaupt beweist Hader ein Gespür für Orte. Er setzt auf unspektakuläre Ecken und fast dokumentarische Aufnahmen, um dann in den gleißenden Neuschnee hinauszuführen. Oder hinein in Altstadtwohnungen „schön beleuchtet, denn schließlich haben die Bürger das Geld dafür“ und dann wieder hinaus in die Straßen der „Modeviertel“, die gar nicht mehr nach einer bestimmten Stadt aussehen, sondern vielmehr wie „Allzeit-Ferienorte, wo es vor japanischen und italienischen Restaurants nur so wimmelt, alle auf der Straße sitzen und vor ihren Wohnungen Urlaub spielen“.
In dieser Szenerie schlägt Georg seine Haken, wütend, hilflos und von der Belanglosigkeit bedroht. Aber wie es bei einer Fahrt auf der Wilden Maus eben so ist, besteht deren Thrill darin, dass sie einem das Gefühl gibt, bei jeder Abbiegung über den Rand in die Tiefe zu stürzen – und man aber doch die Kurve kriegt. / Sabine Danek / Wega Film / Majestic
Regie: Josef Hader. Mit Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann. Ab 9.3.17
Premiere mit Regisseur und Hauptdarsteller Josef Hader am 8.3.17 um 20 Uhr im Abaton Kino
Sabine Danek traf auf der Berlinale Richard Gere. Und Hugh Jackman. Und Josef Hader. Wir sind immer noch ein bisschen neidisch.