Text: Maike Schade
Es war Mitte der 70er Jahre. Eine Gruppe avantgardistischer Filmemacher aus Hamburg gründete eine Initiative. Das Ziel: ein kommunales Kino, um zum einen das eigene Filmschaffen, vor allem aber auch Filme abseits des Mainstreams – aktuell wie historisch – der Allgemeinheit zugänglich zu machen. „Zunächst wurde das von Seiten der Politik misstrauisch beäugt. Filmemacher, experimentelle noch dazu. Was für ein linker Haufen mochte das sein, und wer weiß, was sie wirklich vorhatten?“, erinnert sich Martin Aust, heute Geschäftsführer des Metropolis Kino.
Es wurde ein exemplarisches Filmprogramm zusammengestellt und gezeigt, verhandelt, geredet – „und plötzlich war das Geld da“. Auch ein Geschäftsführer wurde gefunden: Heiner Roß, damals tätig im Arsenal Kino in Berlin, das mit seinem Programm Vorbild für das Hamburger kommunale Kino war.
Auch ein Raum für das neue Kino war bereits anvisiert: das (seit 1982 geschlossene) Programmkino Klick auf St. Pauli, in dem die Initiative schon seit Jahren seine Programme gezeigt hatte. „Aus irgendeinem Grund platzte die Vereinbarung aber. Und nun stand das kommunale Kino da: mit Geld, mit einem Plan und einem Geschäftsführer – aber ohne Räume.“ Heiner Roß, so erzählt Martin Aust, hat sich damals auf die Suche gemacht.
Irgendwann landete er im Kino am Dammtor, seinerzeit noch Aktualitäten und Neuheitenkino. „Er ging hinein, kaufte eine Eintrittskarte und sah sich einen Film an. Danach kaufte er eine weitere, sah noch einen Film. Und noch einen. Danach ging er zur Kassiererin und sagte: Ich möchte das Kino mieten. Die Kassiererin war konsterniert, fürchtete um ihren Job. Heiner Roß sagte: Sie miete ich mit. Haben Sie keine Sorge. Und er bekam das Kino – und die Kassiererin, Frau Herta Prigge, blieb noch viele Jahre bei uns.“ Zumindest, so Aust, sei das die Geschichte, die Roß erzählte.
Eines ist definitiv eine Tatsache: Mitte Oktober 1979, vor rund 40 Jahren, wurde das Metropolis Kino – benannt nach dem gleichnamigen Film von Fritz Lang, der zur Eröffnung gezeigt wurde – eingeweiht.
Martin Aust war von Anfang an dabei. Eher zufällig, wie er heute sagt: „Ich kam als Student nach Hamburg und hatte einen Job beim Filmfest. Da lernte ich Heiner Roß kennen, und er fragte mich, ob ich nicht in dem neuen Kino arbeiten wollte. Klar wollte er. „Ich habe alle möglichen Jobs da gemacht, zum Beispiel die Filmrollen, die tagtäglich am Bahnhof Dammtor per Express ankamen oder losgeschickt werden mussten, mit dem Auto hin- und hergefahren.“ Nach und nach war er aber immer mehr in die Programmgestaltung eingebunden, und als der bisherige Programmchef im Jahr 1986 das Kino verließ, bekam er den Job. Seit 2005 ist er Geschäftsführer. Das Programm macht er noch immer.
Zeitzeugnisse und Kunst
Und das unterscheidet sich fundamental von dem anderer Hamburger Kinos. Denn ein solches im eigentlichen – kommerziellen – Sinne sei das Metropolis nicht, sagt Aust: „Ich sehe uns mehr als Ausstellungsraum für Filme.“ Eine Art Museum, im dem das ansonsten nicht zugängliche Werk Filmschaffender aus über einem Jahrhundert für alle zu sehen ist, vom Stummfilm mit Live-Musik der 1920er Jahre bis hin zum utopischen Experimentalfilm der Gegenwart, digital, aber auch auf 8, 16 und 35 Millimetern, abgespielt von zwei Filmprojektoren.
Dafür hat das Metropolis Kino ein eigenes Archiv aus mittlerweile rund 5.500 Filmen, die in einem Keller in St. Georg fachgerecht verwahrt werden. Darunter befindet sich das Belegarchiv der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein plus eine große Sammlung aus Werken von US-amerikanischen Exil-Hamburgern aus den 1940er Jahren, die vor den Nazis nach Amerika geflohen waren – Zeitzeugnisse und Kunst zugleich, wie Aust sagt.
Die Relevanz des kommunalen Kinos – oder der Kinemathek, wie sich der Verein, der Kino und Archiv betreibt, nennt – sei in der Politikaner kannt, sagt Aust. Zu zwei Dritteln wird das Kino von der Stadt subventioniert, ein Drittel spielt es selbst ein.
Das Publikum sei dabei so bunt wie das Programm. Tendenziell älter, ja, „aber ich bin überzeugt, das wächst nach. Irgendwann haben die Leute genug vom Popcorn-Kino und wollen mehr sehen.“ Die Auslastung sei konstant und in Ordnung. Reichen tut das Geld trotzdem nie. „Wir zeigen die Filme ja nur zwei oder drei Mal, und die Ausleihe der Filme kostet manchmal horrend viel Geld.“ Ganz zu schweigen von der nötigen Digitalisierung der ArchivSchätze – irgendwann wird das Filmmaterial auf den Rollen mürbe. Und irgendwann, auch wenn das lange dauert, ist es unbrauchbar und für immer verloren.
Originalzustand der 1950er Jahre
Nicht nur die gezeigten Filme entführen in vergangene Zeiten. Auch das Kino selbst: Der Saal ist (bis auf brand- und sicherheitstechnische Kleinigkeiten) im Originalzustand der 1950er Jahre. Dabei stand das auf der Kippe, als das Gebäude im Jahr 2008 von Investoren aufgekauft wurde und abgerissen werden sollte. Doch der Kinosaal wurde unter Denkmalschutz gestellt und Stuhl für Stuhl, Schraube für Schraube sorgfältig abgebaut, eingelagert und absolut originalgetreu wieder aufgebaut.
Nicht im Erdgeschoss, wie früher, sondern ein Stockwerk tiefer im Keller. Aber dennoch. Der Besuch einer Filmvorführung im Metropolis Kino ist wie eine Zeitreise – in die längst verflogene Vergangenheit, in die jüngere, manchmal auch in die Zukunft. Eine Erfahrung ist es immer.
Das Jubiläum feiert das Metropolis Kino für die Öffentlichkeit (plus den 30. Geburtstag des Hamburgischen Filmforschungszentrums Cine Graph) ab dem 26. Oktober mit einem vielseitigen Programm, unter anderem mit einer virtuellen Reise ins Archiv. Mehr Infos dazu auf der Homepage.
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, November 2019. Titelthema: Sexualität. Das Magazin ist seit dem 27. Oktober 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!