Dokumentarfilmwoche: „Das Kino ist ein sozialer Raum“

Die Dokumentarfilmwoche feiert vom 24. bis 30. April 2023 ihr 20-jähriges Jubiläum. Antje Strohkark und Malte Rollbühler erzählen, was die Besucher erwartet, welche Filme besonders herausstechen und warum das Kinoerlebnis nicht zu ersetzen ist

Besucher der Dokumentarfilmwoche vor dem Metropolis Kino (©Kathrin Brunnhofer)
Besucher der Dokumentarfilmwoche vor dem Metropolis Kino (©Kathrin Brunnhofer)

SZENE HAMBURG: Antje und Malte, dieses Jahr feiert die Dokumentarfilmwoche Hamburg ihr 20-jähriges Jubiläum. Was erwartet die Besucher und Besucherinnen?

Antje Strohkark: Wir haben dieses Jahr fast keine Parallelveranstaltungen mehr. Die Filme werden also jeden Tag in jeweils nur einem Kino gezeigt, wodurch alle die Möglichkeit haben, das ganze Programm zu erleben. Zudem erweitern wir unser Programm von fünf auf sieben Tage. Der Name unseres Festivals ist also wieder Programm: Wir sind eine ganze Woche lang präsent.

Mit welchem Film wird das Festival dieses Jahr eröffnet?

Malte Rollbühler: Wir eröffnen mit dem Film „Eigentlich, eigentlich Januar“ des mit Hamburg verbundenen Filmemachers Jan Peters. Peters macht sehr persönliche Filme. Der Film hat eine tagebuchartige Struktur und einen sehr poetischen, geradezu ausufernden Text. Der Film wirkt episodenhaft, hat ein fragmentarisches Erzählen, ist sehr kurzweilig, dicht und witzig. Man lacht sehr viel beim Zuschauen.

Welche Dokumentationen haben es euch in diesem Jahr noch angetan?

Antje: Der Film „Unrecht und Widerstand“ von Peter Nestler wird sicher viele ansprechen. Nestler ist ein sehr renommierter Filmemacher und wird – obwohl er 85 Jahre alt ist – extra aus Schweden anreisen. Im Film geht es um Sinti und Roma. Besonders beeindruckt hat uns „Nuit Obscure“ von Sylvain George, der Jugendlichen auf ihrer Flucht sehr nahekommt.

„Wir haben im Programm einen Hamburg-Schwerpunkt“

Wird es wieder richtige Veranstaltungen geben?

Antje: Wir haben wieder ein Festivalzentrum in der Fux eG in Altona. Ein Ort, an dem sich alle treffen, miteinander reden und vernetzen können. Darüber hinaus haben wir eine Ausstellung zur 2022 verstorbenen Dokumentarfilmerin Navina Sundaram. Die NDR-Journalistin war bekannt für ihre Reportagen zu den Themen Rassismus, Migration und Feminismus. Das sind alles Themen, die auch bei uns in der Dokumentarfilmwoche sehr stark im Fokus stehen.

Das gemeinsame Erleben schärft die eigene Feinfühligkeit und Reflektiertheit

Malte Rollbühler

Sind auch dokumentarische Highlights aus Hamburg dabei?

Antje: Wir haben im Programm einen Hamburg-Schwerpunkt, den wir „Dokland Hamburg“ nennen. Einer der Filme heißt „Die toten Vögel sind oben“. Er erzählt die Geschichte eines Landwirts, der gern Fotograf oder Ornithologe geworden wäre und ein großes fotografisches Werk hinterließ, das in der Doku zu sehen ist. Ein weiterer Film trägt den Titel „Nördlich von Libyen“. Dieser beschreibt eine Gruppe von Fluchthelfer:innen, die mit einem eigenen Boot unterwegs sind und unter anderem durch den Hamburger Hafen schippern.

Malte: Wir haben auch den Film „Der Hamburger Aufstand“ im Programm …

Antje: … ah ja natürlich! Wir haben, wie jedes Jahr, wieder einen Klaus-Wildenhahn-Film. Der Film ist ein Zeitdokument zum 100-jährigen Jubiläum des Hamburger Aufstands von 1923. Das ist der Film der Stunde!

Gab es in den vergangenen 20 Jahren besondere Ereignisse, an die ihr euch als Team gern zurückerinnert?

Antje: Aktuell haben wir noch nicht die Zeit, um in Erinnerungen zu schwelgen. Aber auf der Festivalwoche wird sich das Gefühl sicher schnell einstellen. Wir haben allerdings einige Anekdoten in einem ausführlichen Interview mit unserem Gründer Rasmus Gerlach und Rainer Krisp in unserem Programmheft.

„Der Austausch ist ein wichtiger Aspekt“

Die Ausstellung „Die fünfte Wand“ über die NDR-Journalistin Navina Sundaram startet wie das Festival am 24. April (©Navina Sundaram/NDR)
Die Ausstellung „Die fünfte Wand“ über die NDR-Journalistin Navina Sundaram startet wie das Festival am 24. April (©Navina Sundaram/NDR)

Was bedeutet die Dokumentarfilmwoche für die Stadt und die Filmwelt?

Malte: Es ist wichtig, solche Filme im Kino sehen zu können. Das sind Filme, die teilweise nur auf Festivals laufen, da ihnen kein Kinostart vergönnt ist – obwohl sie sehr gelungen sind und etwas zu sagen haben. Die Filme zeigen Sachen, die sonst nicht zu sehen sind. Ich finde, es ist etwas Besonderes, diese Filme zusammen zu gucken, wirken zu lassen und darüber zu sprechen. Der Austausch ist bei uns ein wichtiger Aspekt. Im besten Fall haben wir die Filmschaffenden zu Besuch, sodass man sich mit ihnen und ihren Werken direkt auseinandersetzen kann.

Antje: Viele nehmen eine geradezu familiäre Atmosphäre bei uns wahr, die sie so in anderen Kontexten nicht kennen.

Wieso braucht es Dokumentarfilme im Kino?

Malte: Das Kino ist ein sozialer Raum. Man sitzt nicht alleine vorm Fernseher oder Computer, sondern schaut den Film mit anderen Menschen. So ist man nicht allein mit dem Erlebnis. Man spürt das, wenn man zusammen sitzt und erkennt es auch an den Reaktionen der Zuschauer:innen. Wenn alle etwa an einer Stelle im Film lachen, ich aber nicht, dann bringt das einen zum Nachdenken. Das gemeinsame Erleben schärft die eigene Feinfühligkeit und Reflektiertheit.

Die Dokumentarfilmwoche Hamburg läuft vom 24. bis 30 April 2023 in fünf Hamburger Kinos. Das komplette Programm gibt es hier.

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 04/2023 erschienen.

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