AfD auf Social Media: Alles kein Zufall

Die AfD und Social Media, das ist auch in Hamburg eine Erfolgsgeschichte. Die Partei dominierte alle anderen Fraktionen, doch warum ist das so? Eine Analyse
Narrativ schlägt Tatsachen: die rechtspopulistische AfD in den sozialen Medien (©SZENE HAMBURG)

Wie eine Katze vor dem Sprung schiebt Krzysztof Walczak am Rednerpult die Schultern im Wechsel nach vorne. Ob er ernsthaft keinen Respekt vor dem Öffentlichen Rundfunk als wichtigem Bestandteil der Demokratie habe, will eine FDP-Abgeordnete von dem AfD-Politiker wissen. Walczak wartet die Frage mit hochgezogenem Mundwinkel ab – und legt lautstark gegen den ÖRR nach. 67 Sekunden dauert der TikTok-Clip, der mittlerweile über 450.000 Aufrufe und 23.300 Likes zählt. Dass Walczak hier klare Desinformation betreibt, scheint kaum jemanden zu stören.

Egal ob bei Facebook, Instagram oder TikTok: Die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte AfD ist in den sozialen Medien omnipräsent. „Der AfD ist es in ihrer noch jungen Parteigeschichte gelungen, die reichweitenstärksten Social-Media-Kanäle der deutschen Parteienlandschaften aufzubauen“, stellte Politikwissenschaftler Johannes Hillje bereits 2022 fest (Quelle: „Das ‚Wir‘ der AfD“). Mit seinen neuesten Analysen zeichnet Hillje einen düsteren Trend: Insbesondere auf TikTok hat die AfD ihre politische Konkurrenz längst abgehängt. Zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 erreichte der TikTok-Kanal der AfD-Bundestagsfraktion im Schnitt 430.000 Impressionen pro Video – mehr als doppelt so viele wie alle anderen Bundestags-Fraktionen zusammen.

Auch die Hamburger AfD beherrscht das Social-Media-Spiel. Insgesamt folgen der Hamburger AfD und der Fraktion auf all ihren Social-Media-Kanälen knapp 117.000 Menschen – fast so viel wie alle anderen Hamburger Parteien zusammen. Vor allem die Videoplattformen TikTok (24.510 Follower) und Youtube (20.290 Abonnenten) dominieren die Rechtspopulisten mit weitem Abstand. Auf TikTok sind die Hamburger SPD und CDU bisher gar nicht vertreten. Doch die Follower allein sind nicht das Erfolgsrezept der Rechtspopulisten. „Ohne das pro-aktive Teilen, Kommentieren oder Liken durch große Teile dieser ‚Community‘ würde die AfD zwar über viele Fans und Follower verfügen, aber nicht die hohen Reichweiten erreichen“, schreibt Johannes Hillje. Auf diesen „Netzwerkeffekt“ könnten etwa auch Kommentare von Nutzern einzahlen, die den Aussagen der AfD widersprechen. Im Gegensatz zu anderen Parteien sei die AfD ein sogenannter „First Mover“, die sich durch frühestmögliche Nutzung neuer Technologien einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet.

Je demokratischer sich eine Partei positioniert, desto weniger nutzt sie TikTok

Katharina Kleinen-von Königslöw

AfD auf Social Media: Narrativ schlägt Fakten

AfD erfolg auf TikTok
Zwei Erfolgsgeheimnisse der AfD auf Social Media: Wut und Angst (©Solen Feyissa/Unsplash)

Aber wieso fühlen sich so viele Menschen digital von der Hamburger AfD angesprochen? Eine Erklärung lautet: Emotionalität. Kurzvideos und Posts der AfD sind meist aufgeladen mit starken Gefühlen, vorrangig Wut und Angst. Zudem setzt die AfD auf bestimmte Narrative – Erzählungen, die Einfluss darauf nehmen sollen, wie die Nutzer die Welt wahrnehmen. Die meistgenutzten Narrative der AfD sind etwa der Untergang der Deutschen, globale Verschwörungen oder Bedrohungen von außen, etwa durch Migration, wie die Amadeu Antonio Stiftung 2017 in einer Studie herausfand. Sich selbst inszeniert die AfD in ihren Narrativen mit Vorliebe als Widerstand gegen das manipulative Establishment. So festige die AfD eine „Wir gegen die“-Stimmung in ihren Beiträgen, die viele Menschen anspricht, so Johannes Hillje.

Auch die Hamburger AfD bedient sich solcher Narrative. So poltert Krzysztof Walczak in seinem viralen TikTok-Video über die Unmenschlichkeit des ÖRR: „Wer sich weigert, die Rundfunkgebühr zu zahlen, der geht buchstäblich in den Knast.“ Als Beleg bringt er den prominenten Fall von Georg Thiel, der 2021 für sechs Monate im Gefängnis saß. Was Walczak hier jedoch bewusst verdreht: Thiel saß in Erzwingungshaft – und zwar, weil er gegenüber der Vollstreckungsbehörde eine Vermögensauskunft verweigert hatte. In diesem Fall zeigen die hohen TikTok-Zahlen: Das Narrativ schlägt die Tatsachen.

Die AfD nutzt für ihre Kommunikation mit Vorliebe Grenzverletzungen

Katharina Kleinen-von Königslöw

Gerade TikTok nimmt eine besondere Rolle im PR-Spiel der AfD ein. „Es herrscht ein rauer Umgangston auf TikTok“, sagt Katharina Kleinen-von Königslöw von der Universität Hamburg. Die Art, TikTok-Nutzer anzusprechen, sei mit dem Anrempeln auf dem Schulhof vergleichbar. Content-Produzenten würden so ausloten, wie weit sie bei den Nutzern gehen können. „Diese Art der Ansprache liegt populistischen Parteien wie der AfD viel stärker“, erklärt die Kommunikationsforscherin. Dass die AfD bisher so viel erfolgreicher als andere Parteien auftritt, verwundert sie nicht. Kleinen-von Königslöw: „Bei meinen Forschungen ist mir aufgefallen: Je demokratischer sich eine Partei positioniert, desto weniger nutzt sie TikTok.“ Gründe seien hier etwa die Sorge um den Datenschutz und Einflussnahme der chinesischen Regierung.

Kanäle löschen? Hilft nicht!

Mittlerweile hat TikTok die Reichweite von AfD-Politiker Krah gedrosselt, wie die Tagesschau berichtet. Darüber hinaus plant Meta (der Mutterkonzern von Facebook und Instagram) politische Inhalte einzuschränken.

Zusätzlich nutze die AfD häufig eine Starschnitt-Ästhetik wie in Jugendmagazinen, um ihre Politiker auf der Plattform zu inszenieren. Aber warum spricht die rechtspopulistische Partei so erfolgreich junge Menschen an? „Die AfD nutzt für ihre Kommunikation mit Vorliebe Grenzverletzungen“, sagt Kleinen-von Königslöw. Sie bewege sich sprachlich oft in Grauzonen und breche Tabus. „Das kommt gut bei Jugendlichen an. TikTok bietet hier einen Raum zum Zuschauen an, wie sich jemand gegen die ‚du darfst nicht‘-Kultur auslebt“, erklärt sie weiter. Die AfD verstehe es inzwischen zudem, ihre Reden bereits in online-tauglichen Häppchen zu schreiben. „So haben sie direkt verwertbares Material für ihre Social-Media-Plattformen“, erklärt Kleinen-von Königslöw. Eine positive und eher sachliche Ansprache, wie die Kommunikationswissenschaftlerin sie bei anderen Parteien beobachtet habe, käme hingegen weniger gut bei der jungen Zielgruppe an. „Wir bräuchten eine Art Pro-Democracy-Influencer“, sagt sie.

Dass diese jedoch die jungen Nutzer erreichen, sei viel schwieriger.
Diese Entwicklung in den sozialen Medien bereite ihr Sorgen, gesteht Kleinen-von Königslöw. „Die Rechten sind bestens untereinander vernetzt und kreieren so eigene Trends“, sagt sie. Zudem sei TikTok nicht konsequent genug beim Umgang mit radikalen Inhalten. Den Rechten spielt das in die Karten. So verriet der rechtsextreme Social-Media-Berater Erik Ahrens in einem Vortrag 2023 beim gesichert rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“, dass Sperren bei TikTok kaum Auswirkungen hätten. Gelöschte Videos würden einfach über neue Kanäle wieder hochgeladen.

„Lasst euch nicht in die Irre führen“

Unter anderem gegen die Politik der AfD gingen zu Jahresbeginn in Hamburg hunderttausende Menschen auf die Straße. Im Interview mit SZENE HAMBURg warnt auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher: „Lasst euch nicht in die Irre führen“, sagt er.

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 04/2024 erschienen.

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