Filmkritik: „Die Bologna-Entführung“

„Die Bologna-Entführung“ von Regisseur Marco Bellocchio ist ein historischer Film über die Entführung eines Kindes im Namen des Papstes
Der kleine Edgardo (Enea Sala) landet nach seiner Entführung im Schoß der Kirche (©Pandora Film/Anna Camerlingo)
„Die Bologna-Entführung“ , ab dem 16.11. in den Kinos (©Pandora Film)

Nachdem der Regisseur Marco Bellocchio sich mit „Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra“ bereits mit der Mafia auseinandergesetzt hat, widmet er sich in seinem neuen Film „Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes“ der nächsten Verbrecherbande. Dort die Mafia, hier die Kirche. Und in beiden Fällen: Die Versuchung, mit Macht und Gewalt das zu nehmen, was einem nach eigenen Glauben zusteht. „Die Bologna-Entführung“ spielt, wie der Titel bereits verrät, in der gleichnamigen italienischen Stadt am Po, anno 1858. Gleich zu Beginn des Films wird man Zeuge, wie Soldaten im Auftrag des Papstes in das Haus der jüdischen Familie Mortara eindringen, um den kleinen siebenjährigen Sohn Edgardo (Enea Sala) mitzunehmen. Die fadenscheinige Begründung: Dieser sei als Säugling heimlich von seiner Amme getauft worden, folglich müsse dieser eine katholische Erziehung erhalten. Die verzweifelten Eltern Momolo (Fausto Russo Alesi) und Marianna (Barbara Ronchi) tun alles, um ihren Sohn zurückzuholen. Sie wenden sich an die Öffentlichkeit, die jüdische Gemeinde und ziehen sogar vors Gericht. Doch Papst Pius IX. (Paolo Pierobon) und seine Kirche wirken wie ein unüberwindbares Bollwerk. In einem Katechumenenhaus in Rom wird der kleine Edgardo derweil zum wahren Christen umerzogen – gefangen im wärmenden Schoß der Kirche …

Inspiriert von einer wahren Geschichte

„Die Bologna-Entführung“ ist von einer wahren Geschichte inspiriert, was das eigene Kopfschütteln während des Sehens nur noch verstärkt. Regisseur Marco Bellocchio schrieb mit Susanna Nicchiarelli das Drehbuch – und besetzte die Rollen mit Darstellern und Darstellerinnen, die das detailreiche historische Setting mit Leben füllen. Insbesondere der kleine Enea Sala ist eine Sensation. Man merkt dem Film an, dass ein routinierter Filmemacher am Werk war: Die klassische Erzählweise, grandiose Bilder und gekonnte Schnitte haben ebenso wie die intensive, stellenweise etwas melodramatische Musik des Komponisten Fabio Massimo Capogrosso starke Wirkung. Das alles gibt dem Film zeitloses Gewicht. Hierfür lohnt es sich, ins Kino entführt zu werden.

„Die Bologna-Entführung“, Regie: Marco Bellocchio. Mit Paolo Pierobon, Barbara Ronchi, Fausto Russo Alesi. 134 Min. Ab dem 16. November 2023 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 11/2023 erschienen.

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