Discgolf: „Süchtig nach dem Flug der Scheibe“

Zu Besuch bei einem Liga-Spieltag des Discgolf Club Hamburg
Felix Simmendinger, Jan Weckenbrock und Markus Nowc (v. l.) (©Mirko Schneider)

Es ist ein sonniger Sonntagmorgen im Mai. Nur ein paar Meter vom Ausgang der U-Bahnstation Sengelmannstraße in der City Nord entfernt ertönt in regelmäßigem Abstand ein rasselndes Geräusch, dem unmittelbar danach ein ploppender Laut folgt. Die Passanten, die sich dem Schauspiel neugierig nähern, stutzen zunächst. Gut 30 Menschen lassen auf dem weitläufigen Rasen elegant aus verschiedenen Distanzen Frisbees gegen ein etwa ein Meter hoch installiertes Gewirr aus länglichen Ketten fliegen. Treffen die Frisbees ihr Ziel, schlüpfen sie durch die Ketten und fallen auf die kreisrunde Plattform zu Boden.

„Wir wärmen uns gerade auf“, erklärt Jan Weckenbrock allen, die es hören möchten. Der 39-Jährige organisiert heute den wöchentlichen Spieltag in der Hamburger Discgolf-Liga, die im Hamburger Ultimate-Frisbee-Verein Fischbees organisiert ist. Vier Discgolf-Parcours für die Liga-Spieltage gibt es. Einen in Norderstedt, einen in Wilhelmsburg, einen im Volkspark und einen in der City Nord. Gespielt wird das ganze Jahr. Jeden Sonntag. Gekürt wird der Hamburger Meister im Oktober. „Ich habe 2019 angefangen und mich sofort verliebt. Seitdem bin ich süchtig nach dem Flug der Scheibe“, schwärmt Weckenbrock. Nur: Was ist eigentlich Discgolf? „Die Sportart“, erklärt Weckenbrock, „hat sich in den 80er-Jahren aus der Freesyte-Frisbee-Szene in den USA entwickelt. Irgendwer hatte da mal die Idee, einen Korb aufzustellen und den Frisbee dort reinzuwerfen.“

Aus den USA nach Deutschland

Weckenbrock erzählt das, während er sich als echtes Multitasking-Talent erweist. Er hakt im Handy digital die heutigen Teilnehmer ab, kassiert pro Spieler und Spielerin zwei Euro und eine einem Orden ähnlich Marke mit einer Zahl darauf. „Jede Marke kennzeichnet die aktuelle Platzierung des Spielers. Ein Euro beträgt die Startgebühr, ein weiterer Euro kommt in den Ace-Pool.“ Ace-Pool? „Ist für ein Ass. Wer in einem Wurf den Korb trifft, erhält den Pott“, klärt Weckenbrock auf.

Ich habe relativ schnell ein Händchen dafür entwickelt.

Markus Nowc

Das allerdings ist gar nicht so einfach. Überwunden werden müssen immerhin je nach Bahn Distanzen von 60 bis zu 140 Metern. Mitspielen kann jede Person jeden Alters, da durch ein spezielles Rating-System mit Handicaps Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit garantiert wird. Normalerweise werden 18 Bahnen gespielt, heute wegen der Baustellen nur zwölf. Doch auch die haben es in sich.

Gebildet werden nach einer kurzen und freundlichen Ansprache Dreiergruppen. Weckenbrock befindet sich in einer Gruppe mit Felix Simmendinger (44) und Markus Nowc (43.). Nowc ist gewissermaßen der Mann, der das alles hier möglich gemacht hat. 2008 lernte er Discgolf bei seinem Studienaufenthalt in North Carolina kennen. „Als mich dort jemand zum Disgolf mitnehmen wollte, dachte ich mir erst: Was will er von mir?“, erinnert sich Nowc schmunzelnd. „Danach habe ich relativ schnell ein Händchen dafür entwickelt.“ Nach seiner Rückkehr traf Nowc den deutsch-kanadischen Profi-Discgolfer Simon Lizotte in Bremen, einen Superstar der Szene. Nach seinem Umzug sorgte Nowc ab 2012 für den Aufbau einer Discgolf-Community in Hamburg. Diese hat mittlerweile eine dreistellige Zahl erreicht und wächst weiter. Ebenso wie die deutschlandweite Community immer mehr Discgolfer anzieht. 

Discgolf ist ein komplexer Bewegungsablauf aus Einzelteilen

Nowc hat mit seinem Pioniergeist auch Hamburgern wie Felix Simmendinger den Weg geebnet. Simmendinger steht am Abwurfpunkt der ersten Bahn, holt Schwung aus der Hüfte und lässt die Frisbeescheibe fliegen. Diese driftet zunächst weit nach links, um sich daraufhin in Form einer Bananenflugkurve dem Korb zu nähern und sich unweit davon einen gemütlichen Platz auf dem Rasen zu suchen. Von dort wird Simmendinger gleich weiterspielen, auf dem Weg dorthin sprudelt es aus ihm hervor. „Wer im Discgolf Fortschritte machen möchte, muss Spaß daran haben, einen komplexen Bewegungsablauf aus Einzelteilen zusammenzusetzen – und jeden einzelnen Teil für sich zu lernen“, sagt Simmendinger. „Ich war früher Leistungssportler im Segeln. Mir macht es Spaß, mich in so etwas einzufuchsen“, erläutert er.

Das Schöne ist, dass in unserer Community das Konkurrenzdenken untereinander nicht sehr ausgeprägt ist

Jan Weckenbrock

Seine weiteren Ausführungen zeigen: Man könnte Simmendinger als Discgolf-Nerd im positivsten Sinne bezeichnen. Er hat zig Youtube-Tutorials geschaut, um den Geheimnissen der Sportart auf die Spur zu kommen. Er hat sich sogar mit einem Kamerastativ selbst gefilmt, um im Zeitlupenmodus seine Wurftechnik zu analysieren und zu verbessern. Er weiß zu berichten, dass die Muskeln beim Wurf ganz locker sein müssen, dass die Wurfbewegung eher aus der Hüfte als aus dem Arm kommt und dass externe Einflussfaktoren wie Regen, Schnee und Wind jeweils eigene Antworten zum Erhalt der Wurfpräzision benötigen. Er unterscheidet die Scheiben in drei Altersstufen (Simmendinger: „Wie guter Wein“), da sie mit der Zeit ihre Flugeigenschaften verändern. Und nachdem er all dies gesagt hat, greift er sich eine Scheibe aus seinem in einem Scheiben-Bag mitgeführten Bestand und lässt sie nahe genug an den Korb fliegen, um im nächsten Wurf zu putten. Denn auch dies ist Discgolf. Eine Scheibe ist eher für die langen Distanzen da, eine für die mittlere, eine zum Putten. So sympathisch penibel Simmendinger dabei agiert: Die jeweilige Art, Discgolf zu betreiben, unterscheidet sich stark. Beileibe nicht jeder und jede hier analysiert alles stundenlang. Vom einfachen Hobby-Discgolf-Fan bis zu einem Top-15-Spieler wie Simmendinger ist alles dabei.

Discgolf: Ein Familienausflug mit spannender sportlicher Betätigung

„Das Schöne ist“, sagt Weckenbrock, „dass in unserer Community das Konkurrenzdenken untereinander nicht sehr ausgeprägt ist. Es geht nicht vordergründig darum, besser zu werfen als eines der anderen Gruppenmitglieder. Was den Ehrgeiz angeht, so spielt man eher gegen sich selbst. Der Antrieb ist, seinen eigenen Score zu verbessern.“

Und so geht es weiter, drei Stunden lang. Die Scheiben fliegen weit übers Feld, über Hügel, manchmal landen sie auch auf Gehwegen, was für einen Strafpunkt sorgt. Geballte Fäuste und Jubelrufe gibt es auch hier, wenn ein Wurf gelingt. Doch ist die Atmosphäre ist sehr familiär, ähnelt einem Familienausflug mit spannender sportlicher Betätigung.   

Am Ende des Tages sind alle geschafft von vielen gelaufenen Metern und vielen, oft gelungenen Würfen. Und glücklich. „Wer mag, kann sich ja mal unser Turnier hier in der City Nord am 15. Juni ab 9 Uhr mit 65 Spielern aus ganz Deutschland ansehen. Oder einfach an einem Sonntag vorbeikommen“, sagt Weckenbrock. „Wir würden uns freuen.“

discgolfclubhamburg.de

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 06/2024 erschienen.

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