Erst Traumschloss, dann Millionengrab, heute eines der Wahrzeichen Hamburgs. Die Elbphilharmonie ist noch keine zehn Jahre alt und hat jetzt schon eine bewegte Geschichte
Text: Felix Willeke
Die Elbphilharmonie zählt heute zu den bekanntesten Wahrzeichen Hamburgs. Sie hat der Stadt in der Musikwelt neue Bedeutung verliehen. Doch ihr Bau war umstritten. Für das Konzerthaus auf dem historischen Kaispeicher A brauchte es zehnmal mehr Geld als gedacht, einen langen Atem und doch lockt die Elphi, wie sie auch genannt wird, heute bis zu einer Million Konzertbesucher:innen pro Jahr an. Eine bewegte Geschichte, die mit einer Postkarte begann.
Entstehung
Von der ersten Idee zur Elbphilharmonie Anfang der 2000er-Jahre bis zur Eröffnung 2017 gab es eine lange Anlaufzeit, Bauverzögerungen, Kostenexplosionen und Rechtsstreitigkeiten. Viele Hürden für Hamburgs neues Wahrzeichen.
Idee
Ende der 1990er-Jahre plante Hamburg einen neuen Stadtteil: Die HafenCity. Zu Beginn war jedoch unklar, was genau mit dem alten Kaispeicher A passieren sollte. Das frühere Lager für Kaffee und Kakao sollte entweder kulturell genutzt werden oder es sollte, wie von der Politik gewollt, mit dem MediaCityPort ein Bürokomplex entstehen. Während Mieter:innen für das neue Gebäude gesucht wurden, hielt im Hintergrund eine Gruppe um den Architekten Alexander Gérard und seine Frau Jana Marko an den Plänen für eine kulturelle Nutzung fest.
Seit 2001 waren beide auf der Suche nach Untersützer:innen für ihre Idee, ein Konzerthaus anstelle des Kaispeichers zu errichten. Dafür reisten sie Ende desselben Jahres in die Schweiz, um sich mit den Stararchitekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron in Basel zu treffen. Gérard legte dabei keine fertigen Baupläne vor, sondern zeigte lediglich eine Postkarte des Kaispeichers. Die Architekten erkannten das Potenzial des Standorts sofort und Jacques Herzog zeichnet eine Welle auf das Dach des Speichers: Die erste grobe Skizze der Elbphilharmonie.
Doch politisch wurde weiter der Bürokomplex favorisiert. Während die Politik in der Hansestadt sich unter dem neuen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und nach 40 Jahren SPD-Regierung neu sortierte, ließen sich auch Gérard, Marko und ihre Mitstreiter:innen Zeit. Schlussendlich dauerte es zwei Jahre, bis sie die Pläne zur Elbphilharmonie erstmals öffentlich präsentieren. Die Pläne wurden begeistert bei der Bevölkerung aufgenommen, sodass sich auch die Politik immer mehr mit der Idee anfreundete. Ende 2003 gab es dann den ersten offiziellen Beschluss, die Elbphilharmonie zu bauen. Auch Zahlen wurden erstmals genannte: Das Konzerthaus sollte 53 Millionen Euro kosten.
Finanzierung
Dabei blieb es bekanntlich nicht und die 53 Millionen Euro waren auch nur ein erster Richtwert. Als der Senat 2005 den Bau endgültig am heutigen Standort beschließt, sind es bereits 186 Millionen Euro, wobei sich die Stadt mit maximal 77 Millionen Euro beteiligen will. Doch auch diese Summe hat nur ein Jahr bestand. Ende 2006 verkündet Bürgermeister von Beust neue Zahlen: Jetzt sind es 241,3 Millionen ingesamt und 114,3 Millionen Euro von der öffentlichen Hand. Vor dem Hintergrund dieser Summe stimmt die Bürgerschaft 2007 für den Bau des Konzerthauses und noch im gleichen Jahr wird der Grundstein gelegt.
Was folgt, ist ein Bau voller Hindernisse. Zuerst verkündet das Bauunternehmen Hochtief 2011 einen Baustopp aufgrund von Sicherheitsbedenken, es folgen Rechtsstreitigkeiten und auf der Baustelle bewegt sich ein Jahr lang fast nichts. Der ursprünglich anvisierte Eröffnungstermin im Jahr 2010 ist längst verstrichen als der neue Bürgermeister Olaf Scholz im April 2013 nach einer Einigung mit Hochtief die endgültigen Kosten für die Elbphilharmonie bekannt gibt. Nach anfänglich weniger als 100 Millionen Euro kostet das Konzerthaus die Stadt schlussendlich 789 Millionen Euro, inklusive einiger Großspenden belaufen sich die Gesamtkosten auf 866 Millionen Euro.
Bau
Doch nicht nur Rechtsstreitigkeiten und Bauverzögerung haben die Elbphilharmonie derartig teurer werden lassen. Ein weiterer Grund sind die baulichen Herausforderungen sowie die architektonischen Besonderheiten. So steht der historische Kaispeicher A auf 1.111 im Hafenschlick versengten Betonpfählen. Diese allein tragen aber kein Gebäude wie die Elbphilharmonie, das rund 200.000 Tonnen wiegt. So mussten, nachdem der historische Speicher entkernt worden war, 634 weitere Pfähle bis zu 15 Meter tief in den Boden versenkt werden. Dann wurde der alte Speicher, dessen denkmalgeschützte Backsteinfassade erhalten wurde, um ein Stockwerk erweitert und das neue Dach des Speichers ist heute die Plaza der Elbphilharmonie. Das eigentliche Konzerthaus wurde auf den Speicher gebaut und ist mit seinen 110 Metern Höhe das achthöchste Gebäude der Hansestadt.
Einmalige Architektur
Das neue Wahrzeichen der Stadt sollte kein einfaches Hochhaus werden. Die Architekten Herzog & de Meuron entschieden sich für den Entwurf, den Herzog schon 2001 auf der Postkarte skizziert hatte: Eine sich-brechende Welle. Die Schaumkrone ist das Dach des Hauses. Es besteht aus rund 5.800 Dachpalietten, die aus Aluminium gefertigt wurden. Während das Dach den Schaum auf der sich brechenden Welle symbolisiert, steht die Fassade für das Wasser innerhalb der Welle. Insgesamt sind rund um die Elbphilharmonie rund 1.100 Glaselemente mit zwei bis drei Scheiben angebracht. Fast ein Drittel dieser Scheiben sind dabei sphärisch gebogen, sodass sie von außen betrachtet, wie Luftbläschen im Wasser wirken. Mit 48 Millimeter Scheibenstärke halten die Fenster auch den stärksten Unwettern stand. Um das Gebäude einmal komplett von außen zu reinigen, braucht eine Spezialfirma mit Fassadenkletterern rund drei Wochen.
Besuch
Wer am Haupteingang die Elbphilharmonie betritt, fährt zuerst mit der längsten Rolltreppe Westeuropas, der Tube, rund vier Minuten bis zu einer Zwischenebene. Von hier aus gelangt man einerseits zum Störtebeker Restaurant in der Elbphilharmonie, wie auch zur gleichnamigen Bar. Nach einer weiteren Rolltreppe betreten die Besucher:innen die Plaza auf 27 Metern Höhe. Die (noch) kostenlose Plattform ist für alle zugänglich, egal ob sie in der Elbphilharmonie wohnen, ein Konzert besuchen oder nur die Aussicht genießen wollen.
Die Plaza eröffnete bereits vor dem Konzerthaus im November 2016 ihre Tore und bietet einen Rundumblick über die Stadt: Im Norden schaut man vom Hamburger Dom, dem Stadtteil St. Pauli und den Hauptkirchen bis zur historischen Speicherstadt. Im Osten schließt sich die HafenCity an und mit etwas Glück lassen sich sogar die Elbbrücken erkennen. Während die Besucher:innen im Süden über das riesige Hafengebiet bis zu den Harburger Bergen blicken können, erwartet sie im Westen ein Panoramablick über die Elbe und die Landungsbrücken.
Zu Beginn waren die Tickets für Konzerte in der Elbphilharmonie über Monate, wenn nicht sogar Jahre im Voraus vergriffen. Auch wenn noch heute fast jedes Konzert ausverkauft ist, wird es immer einfacher, an Karten zu kommen. Wer jedoch im Vorverkauf kein Glück hatte, für den gibt es einen bewährten Trick. Einfach rund zwei Stunden vor Konzertbeginn an der Konzertkasse vorbeischauen. Oft kommen hier zurückgegebene Karten wieder in den Verkauf und so lässt sich spontan noch Musik genießen.
Das Konzerthaus
Wer sich vom Außenbereich der Plaza wieder nach innen begibt, findet inmitten des Gebäudes zwei Eingänge, hier gelangen die Besucher:innen zu den zwei Foyers der beiden Konzertsäle und damit zu noch mehr architektonischen Highlights.
Großer Saal
Der große Konzertsaal der Elbphilharmonie verfügt über rund 2.100 Sitzplätze, die in Terrassen nach dem „Weinberg-Prinzip“ angeordnet sind. So haben alle Gäste, egal ob sie Sitzplatz für 10 Euro in der obersten Etage gekauft haben oder für deutlich mehr Geld in der ersten Reihe sitzen, freie Sicht auf den Dirigenten in der Mitte der Bühne. Der Große Saal erstreckt sich dabei vom 12. Stock – die Plaza ist im 8. Stockwerk – bis zum 16. Stock.
Kleiner Saal
Der Kleine Saal ist im Gegensatz zu seinem großen Nachbarn nur einstöckig und liegt unterhalb des Großen Saals im 10. Stock. Er bietet Platz für bis zu 550 Gäste. Aufgrund seiner Architektur wird er liebevoll auch als Schuhkarton bezeichnet. Der Saal ist länglich gezogen und man blickt aus einer Richtung auf die Bühne, je nach Anordnung. Während im großen Saal viele klanggewaltige Ensembles und Orchester zu Gast sind, wird der kleine Saal für die intimen Konzerte und kleine Formationen genutzt.
Kaistudio
Noch kleiner als der kleine Saal ist nur das Kaistudio. Als einziges befinden sich die für Musikvermittlung und als Proberaum genutzten Studios im alten Kaispeicher unterhalb der Plaza und bieten bei Konzerten Platz für bis zu 170 Menschen.
Der perfekte Klang
Der für die Elbphilharmonie verantwortliche Akustiker Yasuhisa Toyota ist Spezialist für die im Großen Saal verwendete „Weinberg-Prinzip“. Seine Ideen sorgten dafür, dass die Elbphilharmonie für jeden Gast auf jedem Platz das gleiche Hörerlebnis bietet – zumindest bei nicht-verstärkter Musik. Dafür ließ Toyota im Vorfeld ein Modell der Säle bauen, indem die Akustik getestet wurde. Letztendlich wurde in den Sälen auf jedes Detail geachtet, um für den perfekten Klang zu sorgen: Von den Stühlen bis zu den Deckenleuchten ist alles im Sinne des Klangs designt.
Als besonderen Kniff hat Toyota für den Großen Saal die „Weiße Haut“ erdacht. Der Große Saal ist mit rund 10.000 Gipsfaserplatten verkleidet, die alle als Unikat gefräst wurden – beim Kleinen Saal besteht die Wand aus individuell gefrästen Eichenholzpaneelen. Diese Wandkonstruktion sorgt jeweils dafür, dass sich der Klang gleichmäßig im Saal verteilt. Dazu kommt. Dass die Säle selbst vom Rest des Gebäudes entkoppelt sind. Um Einflüsse von außen zu minimieren, wurde für beide Säle zuerst ein Hohlraum konstruiert (die Außenschale), in den das Gerüst für den jeweiligen Saal eingebaut wurde. Dieses Gerüst ist nur über Stahlfederpakete – beim großen Saal 632, beim kleinen 56 – mit dem Rest des Gebäudes verbunden. So dringt keinerlei Schall von außen in den Saal und auch nicht vom Saal in den Rest des Gebäudes.
Die Musik
Als Philharmonie ist die Elbphilharmonie in erster Linie der klassischen Musik gewidmet. Mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter dem Chefdirigenten Alan Gilbert ist eines der renommiertesten Orchester Deutschlands hier beheimatet. Darüber hinaus residiert in der Elbphilharmonie mit dem Ensemble Resonanz auch ein Kammerorchester von Weltrang. Außerdem sind neben dem Philharmonischen Staatsorchester und den Symphonikern Hamburg – dem Residenzorchester der Laeiszhalle – auch immer wieder Ensembles und Orchester aus aller Welt zu Gast.
Doch wer jetzt denkt: „Die Elbphilharmonie, das ist doch nur Klassik“, dem beweist das Programm der Elbphilharmonie seit der Eröffnung im Januar 2017 das Gegenteil. Die Bandbreite der Musik reicht von Klassik über Pop, Rock, Jazz, Funk bis hin zu Weltmusik. So waren neben der US-Sängerin Solange Knowles auch schon die Berliner Band Einstürzende Neubauten und Jazzlegenden wie John Zorn zu Gast.
Orgel
Die Bonner Orgelbauwerkstatt Johannes Klais hat schon die Orgel im Pekinger Nationaltheater, in der St. Petersburger Philharmonie wie auch in der Kölner Philharmonie und etlichen Kirchen gebaut. Auch für das Instrument im Großen Saal der Elbphilharmonie sind sie verantwortlich. Die Orgel ist 15 Meter hoch und 15 Meter breit, sie wiegt 25 Tonnen und besteht aus 4765 Pfeifen, wovon 380 aus Holz gefertigt wurden, der Rest aus Zinnlegierungen. Die kürzeste Pfeife ist dabei nur elf Millimeter lang und die längste ganze zehn Meter. Gespielt wird die Orgel entweder vom mechanischen Orgeltisch direkt am Instrument oder von einem mobilen in der Mitte des Saals.
Wohnen und Leben
Neben der Musik gibt es in der Elbphilharmonie aber auch noch mit dem Westin ein Luxushotel sowie 44 Eigentumswohnungen mit Blickrichtung Landungsbrücken.
Hotel
Das Westin Hotel in der Elbphilharmonie gehört mittlerweile zu den besten Adressen der Stadt. Eine Nacht in einer der 244 Zimmer kostet ab 225 Euro aufwärts. Ein Preis für den sich die Gäste neben einem Spa Bereich auch auf ein Restaurant mit 170 Plätzen und eine fantastische Aussicht freuen dürfen.
Wohnungen
Um einen Teil der Kosten für die Elbphilharmonie zu refinanzieren, waren ein Hotel und Luxuswohnungen von Beginn an Teil des Plans. Liegt das Hotel im Osten der Philharmonie, so haben alle 44 Luxuswohnungen die Blickrichtung Westen. Mit bis zu 38.588 Euro pro Quadratmeter gehören sie zu den teuersten Wohnungen in ganz Hamburg. Daher versteht es sich, dass die Bewohner:innen neben einem eigenen Foyer mit Servicepersonal auch über einen eigenen Parkbereich im Parkhaus der Elbphilharmonie verfügen.
Wie viel kostet eine Nacht in der Elbphilharmonie?
Eine Nacht im Westin Hotel in der Elbphilharmonie kostet mindestens 225 Euro.
Kann man ohne Ticket in die Elbphilharmonie?
Ja, man kann ohne Konzertkarte die Plaza der Elbphilharmonie (noch) kostenfrei besuchen. Man muss nur ein Ticket für die Plaza haben, das allerdings kostenlos ist. Wer sich einen Konzertsaal anschauen möchte, braucht entweder eine Konzertkarte oder macht eine Führung.
Wie teuer ist ein Ticket für die Elbphilharmonie?
Ein Ticket für die Plaza ist zurzeit noch kostenlos. Karten für die Konzerte gibt es ab 10 Euro.