Filmkritik: „Anemone“

Spukartige Reise in die vernarbte Seele
Daniel Day-Lewis und Sean Bean sitzen in „Anemone" beisammen
Daniel Day-Lewis und Sean Bean sitzen in „Anemone" beisammen (©Focus Features )

Vor acht Jahren drehte Rekordschauspieler Daniel Day-Lewis mit „Der seidene Faden“ seinen letzten Film. Nun kehrt der dreifache Oscargewinner für das Regiedebüt seines Sohns auf die Leinwand zurück. Dabei spielt er den traumatisierten Einsiedler Ray Stoker, der sich in die in Nebel und Dunkelheit getränkte Waldlandschaft Nordenglands zurückgezogen hat. Eines Tages wird er von seinem Bruder Jem (Sean Bean) aufgesucht. Es entwickelt sich eine Geschichte um die Aufarbeitung der Vergangenheit, begleitet von Gefühlen von Verrat und Schmerz. Tief eingebettet in die Natur entfaltet „Anemone“ eine mythologische Bildsprache, die sich zeitweilig surrealistischer Elemente bedient. Gleich zu Beginn verdeutlicht der Film, dass Ray von alten Geistern heimgesucht wird, wenn etwa seine Frau in der Nacht vor ihm erscheint. Eingehüllt in bildgewaltige Naturaufnahmen, erschließt sich der Film durch das Verhältnis der beiden Brüder. Es geht um Vorwürfe, um Unausgesprochenes und letztlich um Nähe.

„Anemone“: Ein Porträt von Männlichkeit

Die Chemie der beiden Schauspieler ist stark. Die kammerspielartigen Dialoge stehen in Kontrast zu den imposanten Außenaufnahmen, sind dabei aber nicht weniger fesselnd. Daniel Day-Lewis blüht zu bekannter Bestform auf – man klebt an seinen Lippen und schaut tiefer und tiefer in die Abgründe seiner Seele hinab. Am Ende steht die Frage nach Vergebung. Neben religiösen Metaphern und Trost in der Vergänglichkeit bietet der Film die Familie als Erlösung an. „Anemone“ zeigt eine Realität, in der Männer schweigen. Sie flüchten eher, als dass sie ihr Leid verarbeiten. Auch wenn das thematisch nicht hochkomplex oder neuartig erscheint, wird es in bester Paul-Schrader-Manier („The Card Counter“) umgesetzt. Inszenatorisch ist die Mischung aus düsterer Atmosphäre und Verletzlichkeit der Figuren ausdrucksstark umgesetzt. Ronan Day-Lewis’ Debütfilm brilliert als verbittertes Porträt von Männlichkeit, das als bildgewaltiges Drama mit vielschichtigen Schauspiel sein volles Potenzial ausnutzt.

Das Filmplakat zu „Anemone“ (©Focus Features )

Trailer zum Film

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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 12/25 erschienen

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