Francis: Rausch & Karriere

Der Hamburger Sänger und Songschreiber Francis hat seine erste EP veröffentlicht: „sonne auf“ ist dringlicher Indie-Pop gepaart mit erkenntnisreichen Coming-of-Age-Texten. Ein Gespräch über Probleme nach dem Abi, die Tücken des Musikgeschäfts und ein zweites Standbein
Macht in Musik, macht in Marketing: Francis (©Claudia Schröder)

SZENE HAMBURG: Francis, raus in die Nacht, Clubs, Drinks, Rausch, Absturz – diese Themen ziehen sich durch nahezu deine komplette EP „sonne auf“. Gezielt gewählte Themen? Oder sind sie beim Schreiben einfach passiert, weil sie zu dem Zeitpunkt deine Welt bestimmten?

Francis: Meine Texte sind sehr autobiografisch, und die Themen der EP sind tatsächlich der Lebensphase geschuldet, in der ich mich beim Schreiben befunden habe. Es war die Zeit nach dem Abitur, in der ich zum ersten Mal so richtig ins Leben geworfen wurde, ohne feste Struktur.

Du schreibst alles alleine, oder?

Ja. Es gibt zwar Sessions, bei denen Leute mithelfen, aber das Steuer habe ich immer in der Hand.

Dann mal weiter im Text: „Ich bin 23, aber fühle mich wie 18“, heißt es einmal. Du beschreibst, deine Mitte nicht zu finden, auch, dass alles immer in der Schwebe sei, du singst von einem „ständigen Vielleicht“. Alles dreht sich um dich und bei dir scheint sich alles zu drehen. Was hast du beim Schreiben über dich gelernt?

Wenn ich in Schreibprozessen bin, habe ich die Probleme, um die es in den Texten geht, meistens schon überwunden. Um sie mundgerecht verarbeiten zu können, brauche ich einfach etwas Abstand. Dann beginnt die Selbstreflexion und das Schreiben fällt leichter. Das alles hat schon einen selbsttherapeutischen Ansatz, ich lerne viel über mich und mein Verhalten. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich im Alltag gar kein so zerrütteter und aufgefressener Mensch bin, wie es in diesen Texten jetzt klingt.

Wie kommt es denn, dass es so klingt?

Im Nachhinein neige ich dazu, alles etwas extremer zu gestalten, als es war.

„Das Musikgeschäft ist ein zweischneidiges Schwert“

Du sprichst von einer Art Selbsttherapie. Eine Selbsterkenntnis könnte diese Songzeile sein, die ebenfalls auf „sonne auf“ zu hören ist: „Mit betäubten Sinnen findet man nicht seinen Sinn.“

Stimmt. Wenn man anfängt, seinen Weg mehr oder weniger selbstständig zu gehen, hat man es mit vielen Herausforderungen zu tun. Wenn man dann den Rausch nutzt, um sich abzulenken und vergessen zu können, welche Probleme da gerade an die Tür klopfen, ist das natürlich nicht gerade förderlich. Es ist eine Flucht, ein Verdrängen. Und bringt einen natürlich nicht weiter.

Neben den Schwierigkeiten, die das Erwachsenwerden mit sich bringt, singst du aber auch über etwas scheinbar durchweg Positives, nämlich darüber, dass du momentan deinen Traum lebst. Gibt dir das Musikgeschäft auch die erwähnte, zuvor nicht vorhandene Struktur?

Jein. Das Musikgeschäft ist ein zweischneidiges Schwert – vor allem für einen jungen Menschen, der mit relativ viel Euphorie und Ahnungslosigkeit reingeht. Viele Leute sind erst mal oberflächlich nett und bieten einem ordentlich was an. Mir wurden auch schon ganz konkrete Chartplatzierungen prophezeit. Aber was, wenn man dann mal kreative Löcher hat und nicht schnell genug performt? Dann ebben die Versprechen schnell wieder ab.

Im Nachhinein neige ich dazu, alles etwas extremer zu gestalten, als es war

Francis

Francis, mit einem zweiten Standbein neben der Musik

Wie hältst du dem Geschäft stand? Hast du schon einen Weg gefunden, mit den Tücken umzugehen?

Mir ist wichtig, dass die Passion immer im Vordergrund steht und ich meine Kunst nicht kommerzialisiere. Ich möchte einfach nie in die Situation geraten, den nächsten Song für die Monatsmiete schreiben zu müssen. Deshalb habe ich aktuell auch ein zweites Standbein, einen Job neben der Musik. Nach dem Abi habe ich zwei Semester Musik studiert – das war ein Flop. Dann habe ich angefangen, in der Marketingkommunikation zu arbeiten. Das mache ich bis heute. Einerseits, um mir eben noch einen weiteren Berufszweig offenzuhalten, andererseits, um ein Verständnis für das Business zu bekommen, das die Musik mit sich bringt.

Hast du denn, was die Musikkarriere betrifft, konkrete Ziele für die nahe Zukunft?

Am liebsten würde ich noch in diesem Jahr eine eigene Live-Tour starten. Da stecke ich schon ein bisschen mit dem Kopf in den Wolken. Aber man kann die Dinge nicht immer beeinflussen. Ich versuche, vieles erst mal auf mich zukommen zu lassen.

Die Debüt-EP „sonne auf“ von Francis ist am 19. Januar 2024 bei Raposa erschienen

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Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 03/2024 erschienen.

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